Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Von rechts außen wächst der Druck auf Macron
Marine Le Pen profitiert in der Corona-Krise von der Schwäche der Regierung – Eine Umfrage zeigt sie 2022 vorn
PARIS - 2022 wird in Frankreich ein neuer Präsident gewählt. Dabei könnte sich die Unzufriedenheit der Franzosen mit ihrem Staatsoberhaupt Emmanuel Macron Bahn brechen. Druck bekommt er dabei vor allem von rechts außen.
Marine Le Pen strahlte über das ganze Gesicht, als sie in der vergangenen Woche in ihrer Parteizentrale Journalisten zu den traditionellen Neujahrswünschen empfing. Das Ereignis fiel nämlich mit einer durchaus günstigen Umfrage für die Chefin des rechtspopulistischen Rassemblement National zusammen. Das Institut Harris Interactive sagt 15 Monate vor der nächsten Präsidentschaftswahl voraus, dass Le Pen in der ersten Runde mit mindestens zwei Prozentpunkten vor Amtsinhaber Emmanuel Macron liegt. Die Stichwahl könnte der Präsident dann mit einem knappen Vorsprung für sich entscheiden.
Dass der Staatschef so schlecht abschneidet, liegt vor allem an der Corona-Pandemie, in der er als Krisenmanager Fehler macht und unsicher wirkt. Seine Popularität liegt bei 40 Prozent und damit höher als die seiner Vorgänger zum selben Zeitpunkt. Doch seine Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern haben deutlich bessere Zustimmungswerte. Nicht nur der schwache Beginn der Impfkampagne wird dem Präsidenten angelastet, sondern auch sein Zögern, einen dritten Lockdown zu verkünden. Für Le Pen eine willkommene Gelegenheit zur Kritik: „Man hat das Gefühl, durcheinandergerüttelt zu werden, ohne dass jemals etwas vorweggenommen wird, ohne dass Elemente genutzt werden, die einen Lockdown verhindern könnten“, bemerkte die 52-Jährige.
Ihre eigenen Ideen bleiben allerdings dabei blass. Die frühere Anwältin schlägt vor, das Abwasser noch stärker auf Coronaviren zu untersuchen und Beschränkungen auf einzelne Regionen zu begrenzen. Beides versuchte die Regierung bereits – ohne Erfolg. Im Juli hatte Le Pen ein „Schwarzbuch“vorgelegt, das die Fehler der Regierung in der CoronaPandemie auflistet. Nach Art der Verschwörungstheoretiker, für die ihre Anhänger besonders empfänglich sind, unterstellte sie damals: „Sie wussten es, sie haben gelogen, sie tappen weiter im Dunkeln.“Sie selbst hatte schon im Frühjahr verbreitet, das Virus sei im Labor erzeugt worden. Außerdem warb sie für das Medikament Chloroquin, das sich inzwischen als unwirksam gegen Covid-19 erwiesen hat.
„Marine Le Pen surft auf der Wut, den Stimmungen, den Unzulänglichkeiten und den Widersprüchen der Regierung“, sagte der Brice Teinturier vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos der Zeitung „Le Monde“. „Sie ist sehr von der Aktualität abhängig und bleibt in einer Art Passivität.“Dennoch konnte sich die Tochter des wegen Antisemitismus verurteilten Jean-Marie Le Pen als stärkste Oppositionspolitikerin etablieren. Keiner der potenziellen Kandidaten der anderen Parteien dürfte es 2022 in die zweite Runde schaffen.
Falls es zu einer Stichwahl zwischen Le Pen und Macron kommt, findet sie allerdings unter anderen Voraussetzungen statt als noch fünf Jahre zuvor. Die Wähler zeigen – anders als 2017 – nicht nur eine Abneigung gegen Le Pen, sondern auch gegen Macron. Laut einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr wollen 40 Prozent der Anhänger des Linksextremisten Jean-Luc Mélenchon und 33 Prozent der Wähler des konservativen Kandidaten François Fillon beim nächsten Mal für Le Pen stimmen. Eine schwache Wahlbeteiligung, vor der Politologen bereits warnen, könnte letztlich den Ausschlag für die Rechtspopulistin geben.
Allerdings hat die Kandidatin, die es 2022 zum dritten Mal versucht, nach wie vor Probleme, die ältere Wählerschaft für sich zu gewinnen. Auch die Mittelschicht und die Akademiker sind Le Pen eher abgeneigt. Dennoch ist ihre Strategie aufgegangen, die Partei, die sie vor zehn Jahren von ihrem Vater übernahm, zu „entdiabolisieren“. Die Vertreter des RN sind inzwischen häufig in den Nachrichtensendern zu Gast und auch die Parteichefin äußert sich dort regelmäßig.
In die Beratungen mit der Regierung über die Corona-Pandemie wird die Oppositionschefin ganz normal eingebunden. Und wenn es nächste Woche im Parlament um einen neuen Lockdown geht, wird auch die Abgeordnete Le Pen darüber abstimmen.