Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Fiskus will beim Zocken mitverdienen
Verluste aus Finanzwetten dürfen nur noch begrenzt mit Gewinnen verrechnet werden
STUTTGART - Eigentlich war mal alles ganz eindeutig: Seit Einführung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge im Jahr 2009 galt das Grundprinzip, wonach Gewinne und Verluste steuerlich gleichermaßen berücksichtigt werden. Verluste waren daher stets mit Gewinnen aus dem Handel mit Kapitalanlagen voll verrechenbar. Dass dies auch für Termingeschäfte gelten sollte, hatte der Bundesfinanzhof zwar erst 2018 festgestellt.
Nach dem seit Jahresbeginn geltenden neuen Steuerrecht aber ist alles ein bisschen anders. Demnach können Verluste aus Termingeschäften nurmehr bis zu 20 000 Euro verrechnet werden. Gewinne aber unterliegen der Abgeltungssteuer weiter in unbegrenzter Höhe. Die Verrechnungsmöglichkeiten sind also auf höchstens diesen Betrag begrenzt. Experten sprechen hier von einer sogenannten „asymmetrischen Besteuerung“, die von vielen als verfassungswidrig kritisiert wird. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hat auch bereits angekündigt, hiergegen Verfassungsbeschwerde einzureichen.
Betroffen von der neuen Regelung sind nicht Geschäfte mit Aktien oder Anleihen, sondern lediglich der Bereich der Termingeschäfte, unter die sogenannte Futures und Optionen fallen. Die Verluste dürfen dann auch nur mit Gewinnen aus Termingeschäften, also nicht etwa mit denen von Aktien, verrechnet werden. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und je Folgejahr wiederum nur jeweils bis zur
Höhe von 20 000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften und Erträgen aus Stillhaltergeschäften verrechnet werden. Die Neuregelung gilt für Verluste aus Termingeschäften, die ab diesem Jahr entstehen.
Wenn ein Anleger also in einem Jahr einen Gewinn aus einem Termingeschäft
von 45 000 Euro macht und gleichzeitig mit einem anderen Termingeschäft einen Verlust von 50 000 verbucht, musste er nach der alten Regelung keine Abgeltungssteuer bezahlen. Schließlich ist die Differenz negativ. Nach der neuen Regel aber erkennt der Fiskus nurmehr einen Verlust von 20 000 Euro an. Damit bleibt ein Positivsaldo beim Gewinn von 25 000, auf die der Anleger 25 Prozent Abgeltungssteuer, also 6250 Euro, bezahlen muss.
Aufhorchen lässt darüber hinaus, dass nicht nur Optionen, die für viele Privatanleger ohnehin kein Thema sind, betroffen sind. Vielmehr geht aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums hervor, dass die steuerrechtliche Definition von Termingeschäften auf Optionsscheine und Knock-out-Produkte ausgedehnt werden soll. Ebenso sind die risikoreichen, sogenannten Differenzkontrakte (CfDs) betroffen. Für Hunderttausende von Anlegern wäre insbesondere die überraschende Klassifikation der Optionsscheine als Termingeschäfte „ein Schlag vor den Kopf und mit erheblichen Lasten verbunden“, sagt dazu Hennings Bergmann, Geschäftsführer des Lobbyvereins Deutscher Derivate Verband.
Eine durch die Deckelung der anrechenbaren Verluste ohnehin asymmetrische Besteuerung wird also noch auf weitere Finanzprodukte ausgeweitet. Dabei sind Optionsscheine nicht mehr nur als reine Zockerpapiere einsetzbar. Vielmehr nutzen zahlreiche Anleger derartige Finanzprodukte, um ihre Wertpapierdepots abzusichern – „gerade in einem herausfordernden Marktumfeld wie derzeit“, sagt dazu Michael Völter, Vorstand der Stuttgarter Börsenvereinigung. Eine Klassifizierung als Termingeschäfte würde nach seinem Dafürhalten hier neue Hürden aufbauen.
Es mag dem einen oder anderen als eine akademische Diskussion erscheinen. Aber tatsächlich gibt es gute Gründe dafür, warum Optionsscheine steuerlich als sonstige Finanzinstrumente und eben nicht als Termingeschäfte zu klassifizieren sind. Betrachtet man die Erfüllungsweise von Optionsgeschäften, so erfolgt diese bei Optionsscheinen „Zug-um-Zug“. Daher sollten diese Wertpapiere nach breitem wissenschaftlichen Konsens bei der steuerlichen Behandlung den Kassageschäften zugerechnet werden und nicht den Termingeschäften.
Eine Studie der privaten Hochschule WHU Otto Beisheim School of Management aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass Hunderttausende von Privatanlegern von einer solchen Klassifizierung betroffen wären. Die Beschränkung der Verlustverrechnung erschwert es jedenfalls Anlegern, mit Optionsscheinen ihr Depot abzusichern. Man darf gespannt sein, was die Gerichte zu der neuen Regelung sagen werden.