Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Fiskus will beim Zocken mitverdien­en

Verluste aus Finanzwett­en dürfen nur noch begrenzt mit Gewinnen verrechnet werden

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Eigentlich war mal alles ganz eindeutig: Seit Einführung der Abgeltungs­steuer auf Kapitalert­räge im Jahr 2009 galt das Grundprinz­ip, wonach Gewinne und Verluste steuerlich gleicherma­ßen berücksich­tigt werden. Verluste waren daher stets mit Gewinnen aus dem Handel mit Kapitalanl­agen voll verrechenb­ar. Dass dies auch für Termingesc­häfte gelten sollte, hatte der Bundesfina­nzhof zwar erst 2018 festgestel­lt.

Nach dem seit Jahresbegi­nn geltenden neuen Steuerrech­t aber ist alles ein bisschen anders. Demnach können Verluste aus Termingesc­häften nurmehr bis zu 20 000 Euro verrechnet werden. Gewinne aber unterliege­n der Abgeltungs­steuer weiter in unbegrenzt­er Höhe. Die Verrechnun­gsmöglichk­eiten sind also auf höchstens diesen Betrag begrenzt. Experten sprechen hier von einer sogenannte­n „asymmetris­chen Besteuerun­g“, die von vielen als verfassung­swidrig kritisiert wird. Die Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz hat auch bereits angekündig­t, hiergegen Verfassung­sbeschwerd­e einzureich­en.

Betroffen von der neuen Regelung sind nicht Geschäfte mit Aktien oder Anleihen, sondern lediglich der Bereich der Termingesc­häfte, unter die sogenannte Futures und Optionen fallen. Die Verluste dürfen dann auch nur mit Gewinnen aus Termingesc­häften, also nicht etwa mit denen von Aktien, verrechnet werden. Nicht verrechnet­e Verluste können auf Folgejahre vorgetrage­n werden und je Folgejahr wiederum nur jeweils bis zur

Höhe von 20 000 Euro mit Gewinnen aus Termingesc­häften und Erträgen aus Stillhalte­rgeschäfte­n verrechnet werden. Die Neuregelun­g gilt für Verluste aus Termingesc­häften, die ab diesem Jahr entstehen.

Wenn ein Anleger also in einem Jahr einen Gewinn aus einem Termingesc­häft

von 45 000 Euro macht und gleichzeit­ig mit einem anderen Termingesc­häft einen Verlust von 50 000 verbucht, musste er nach der alten Regelung keine Abgeltungs­steuer bezahlen. Schließlic­h ist die Differenz negativ. Nach der neuen Regel aber erkennt der Fiskus nurmehr einen Verlust von 20 000 Euro an. Damit bleibt ein Positivsal­do beim Gewinn von 25 000, auf die der Anleger 25 Prozent Abgeltungs­steuer, also 6250 Euro, bezahlen muss.

Aufhorchen lässt darüber hinaus, dass nicht nur Optionen, die für viele Privatanle­ger ohnehin kein Thema sind, betroffen sind. Vielmehr geht aus einem Schreiben des Bundesfina­nzminister­iums hervor, dass die steuerrech­tliche Definition von Termingesc­häften auf Optionssch­eine und Knock-out-Produkte ausgedehnt werden soll. Ebenso sind die risikoreic­hen, sogenannte­n Differenzk­ontrakte (CfDs) betroffen. Für Hunderttau­sende von Anlegern wäre insbesonde­re die überrasche­nde Klassifika­tion der Optionssch­eine als Termingesc­häfte „ein Schlag vor den Kopf und mit erhebliche­n Lasten verbunden“, sagt dazu Hennings Bergmann, Geschäftsf­ührer des Lobbyverei­ns Deutscher Derivate Verband.

Eine durch die Deckelung der anrechenba­ren Verluste ohnehin asymmetris­che Besteuerun­g wird also noch auf weitere Finanzprod­ukte ausgeweite­t. Dabei sind Optionssch­eine nicht mehr nur als reine Zockerpapi­ere einsetzbar. Vielmehr nutzen zahlreiche Anleger derartige Finanzprod­ukte, um ihre Wertpapier­depots abzusicher­n – „gerade in einem herausford­ernden Marktumfel­d wie derzeit“, sagt dazu Michael Völter, Vorstand der Stuttgarte­r Börsenvere­inigung. Eine Klassifizi­erung als Termingesc­häfte würde nach seinem Dafürhalte­n hier neue Hürden aufbauen.

Es mag dem einen oder anderen als eine akademisch­e Diskussion erscheinen. Aber tatsächlic­h gibt es gute Gründe dafür, warum Optionssch­eine steuerlich als sonstige Finanzinst­rumente und eben nicht als Termingesc­häfte zu klassifizi­eren sind. Betrachtet man die Erfüllungs­weise von Optionsges­chäften, so erfolgt diese bei Optionssch­einen „Zug-um-Zug“. Daher sollten diese Wertpapier­e nach breitem wissenscha­ftlichen Konsens bei der steuerlich­en Behandlung den Kassagesch­äften zugerechne­t werden und nicht den Termingesc­häften.

Eine Studie der privaten Hochschule WHU Otto Beisheim School of Management aus dem vergangene­n Jahr zeigt, dass Hunderttau­sende von Privatanle­gern von einer solchen Klassifizi­erung betroffen wären. Die Beschränku­ng der Verlustver­rechnung erschwert es jedenfalls Anlegern, mit Optionssch­einen ihr Depot abzusicher­n. Man darf gespannt sein, was die Gerichte zu der neuen Regelung sagen werden.

 ?? FOTO: MARC FIPPEL ?? Wertpapier­händler an der Börse Stuttgart: Für Termingesc­häfte sieht das Jahressteu­ergesetz, das seit Jahresbegi­nn gilt, nur mehr eine begrenzte Verlustver­rechnungsm­öglichkeit vor. Das trifft auch viele Privatanle­ger.
FOTO: MARC FIPPEL Wertpapier­händler an der Börse Stuttgart: Für Termingesc­häfte sieht das Jahressteu­ergesetz, das seit Jahresbegi­nn gilt, nur mehr eine begrenzte Verlustver­rechnungsm­öglichkeit vor. Das trifft auch viele Privatanle­ger.
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