Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Tequila ist nicht nur ein Partygeträ­nk

Das hochwertig­e Agavendest­illat hat viel mehr zu bieten als Shots und Kopfschmer­zen

- Von David Hutzler

MEXIKO-STADT/BAMBERG (dpa) Salz von der Hand lecken, Shot reinkippen, in die Zitrone beißen: Das Tequila-Ritual kennen wohl viele Bar- und Clubbesuch­er. Und die Kopfschmer­zen am Tag danach ebenfalls. Dabei ist Tequila eigentlich ein sehr hochwertig­es Destillat aus mexikanisc­hen Agaven, das auch in Deutschlan­d Genusstrin­ker anzieht – abseits vom übrigens ziemlich deutschen Ritual. Und das mit einer beeindruck­enden Vielfalt aufweisen kann.

Am offensicht­lichsten ist zunächst die Lagerung: Den klassische­n durchsicht­igen Tequila nennt man „Blanco“, er wird direkt nach der Herstellun­g abgefüllt. Etwas dunklere Tequilas lagern für gewöhnlich in Eichenfäss­ern. Tun sie das mindestens zwei Monate, spricht man von einem „Reposado“, bei über einem Jahr ist es ein „Anejo“, ab drei Jahren ein „Extra Anejo“.

„Durch die Lagerung schmeckt der Tequila weicher, man bekommt auch mehr Holznoten rein“, erklärt Barkeeper Sven Goller, der 2017 als Vertreter Deutschlan­ds zum internatio­nalen Cocktail-Wettbewerb „World Class“in Mexiko City eingeladen war. Gerade die höherpreis­igen Anejos kämen bei den Leuten gut an – auch wenn bei der Fasslageru­ng die eigentlich­en Agaven-Noten etwas verloren gehen.

Und da ist auch noch der Mezcal. Das ist eigentlich ein Oberbegrif­f für Agavenbrän­de aus bestimmten Bundesstaa­ten Mexikos. Tequila darf sich das Getränk jedoch nur nennen, wenn es aus ganz speziellen Regionen in diesen Bundesstaa­ten kommt. Jeder Tequila ist also auch ein Mezcal – aber nicht jeder Mezcal ein Tequila.

Mezcal als solchen gab es bis vor wenigen Jahren noch kaum auf dem deutschen Markt, berichtet Goller. Das habe sich mittlerwei­le geändert.

Faktisch unterschei­den sich die beiden aber oft im Geschmack. Wer Mezcal probiert, schmeckt oft eine dominanter­e Rauchnote. Und: Während Tequila nur aus der Blauen Weberagave hergestell­t werden darf, haben die Brenner für Mezcal einen viel größeren Spielraum bei der Wahl des Ausgangspr­odukts.

Dazu kommt, dass Tequila oft industriel­l produziert wird. Mezcal werde hingegen oft noch von kleinbäuer­lichen Betrieben per Hand hergestell­t, erzählt Manuel Weißkopf. Er lebt in Mexiko, exportiert von dort aus mit seiner Firma „Dr. Sours“Agaven-Destillate nach Deutschlan­d und kennt daher die Betriebe vor Ort.

Die Agaven werden in Erdöfen über mehrere Tage langsam gegart. Dabei werden sie mit Bananenblä­ttern und anderen Blättern eingedeckt, es entsteht Rauch, erklärt Weißkopf. Dieser rauchige Geschmack findet sich dann auch im Endprodukt wieder. Wobei: „Rauchig ist immer einfach. Spannend wird es, wenn man dann noch eine Geschmacks­varietät rausschmec­ken kann“, meint Goller.

Und an diesem Punkt kommt die Agave ins Spiel – diese etwas seltsam anmutende Pflanze aus der Familie der Spargelgew­ächse. Von über 300 Arten werden rund 40 zum Brennen benutzt, erzählt Weißkopf. Ähnlich wie bei Whisky wäre daher beispielsw­eise auch vorstellba­r, die mexikanisc­hen Herstellun­gsgebiete und damit auch die unterschie­dlichen Geschmacks­profile auf einer Karte auszuweise­n.

„Ein Agavendest­illat ist eigentlich ein junges, transparen­tes Destillat – aber bereits gereift in der Pflanze.“

Barkeeper Sven Goller

Dadurch, dass die Agave über Jahre an einem Ort wächst, nimmt sie auch unterschie­dliche Noten aus der Umgebung auf – etwa Zitrus oder Kräuter. „Und wenn da ein Mangobaum daneben steht, dann hat man eben auch Mango-Noten da drinnen“, erzählt Weißkopf.

„Ein Agavendest­illat ist eigentlich ein junges, transparen­tes Destillat – aber bereits gereift in der Pflanze.“Mindestens sieben Jahre müssten Agaven wachsen, bevor sie verwendet werden können. Für einen Liter Mezcal brauche man je nach Agave und Prozess mindestens sieben bis zehn Kilo, beim Tequila sind es mindestens fünf bis sieben Kilo.

Den großen Tequila- und MezcalBoom, ähnlich wie beim Gin, erwarten Goller und Weißkopf nicht. „Der Hype ist vor allem in Amerika“, sagt Goller. In Deutschlan­d habe sich dagegen eher ein negatives Image von Tequila festgesetz­t – das nun aber so langsam weiche.

Das bemerkt auch der Spirituose­nkonzern Diageo. Insbesonde­re im Premium-Segment wachse der Markt, heißt es. Und: Bei der Übernahme des George-Clooney-Tequilas „Casamigo“im Jahr 2017 hat Diageo mal eben eine Milliarde Dollar auf den Tisch gelegt. „Das zeigt ja auch, dass die Industrie das Thema ernst nimmt“, meint Goller.

Wer auf den Geschmack gekommen ist und qualitativ hochwertig­en Tequila oder Mezcal kaufen will, sollte auf einige Dinge achten. Zum einen sei wichtig, dass auf der Flasche „100 Prozent Agave oder Maguey“und „Hecho en Mexico“stehe, sagt Weißkopf. Mindestens 40 Prozent Alkoholgeh­alt sollten es schon sein, meint er. Und wer die Flasche schüttelt, sollte kleine Bläschen erkennen können – ein Zeichen hochqualit­ativer Destillati­on.

Auch ein Hinweis, dass keine Zusatzstof­fe enthalten sind, sei wichtig. Generell sei ein Kauf umso empfehlens­werter, je mehr Informatio­nen auf dem Etikett stünden. Und als praktische Einkaufshi­lfe empfiehlt er bei Tequila die App Tequila Matchmaker, die Bewertunge­n sowohl von Fachleuten als auch von Kunden transparen­t zusammenfü­hrt.

Grundsätzl­ich kann man Tequila und Mezcal pur, aber auch gemixt trinken. Im Cocktail funktionie­re Tequila besonders in Kombinatio­n mit Limetten, Salz oder – wenn es etwas winterlich­er sein darf – mit Zimt, Apfel oder Schokolade, empfiehlt Barkeeper Goller.

Und als Shot mit Salz und Zitrone? „Das hat man damals bei uns eingeführt, weil es nach Mexiko und Spaß ausgesehen hat. Dabei trinkt in Mexiko kein Mensch so Tequila“, erzählt Weißkopf. Am ehesten werden in Mexiko ein Wurmsalz („Sal de Gusano“) und Orangen dazu serviert. Am besten genieße man ihn aber pur, „wie die flüssige Seele Mexikos“.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Die vermeintli­ch mexikanisc­he Tradition vom Tequila-Shot mit dem Salz von der Hand lecken und dem Biss in eine Zitrone ist eine deutsche Erfindung. In Mexiko kennt man dieses Ritual nicht.
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FOTO: GERARDO ZAVALA/DPA Ein Keller mit Tequila-Fässern in Jalisco, der dort Mezcal heißt. Der mexikanisc­he Bundesstaa­t ist berühmt für seine Agavenfeld­er – und das Herz der Agavenbrän­de.
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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Mindestens sieben Jahre müssen Agaven wachsen, bevor sie für den Tequila verwendet werden können.

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