Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Festanstel­lung trotz Handicap

Quentin Dorer bringt seine Fähigkeite­n bei Boehringer Ingelheim ein und hat damit Erfolg

- Von Tanja Bosch

BIBERACH/INGOLDINGE­N - Dass Menschen mit Behinderun­g eine Festanstel­lung auf dem allgemeine­n Arbeitsmar­kt bekommen, ist eher eine Seltenheit. Quentin Dorer hat das trotz seines Handicaps geschafft und beim Biberacher Pharamunte­rnehmen Boehringer Ingelheim einen unbefriste­ten Arbeitsver­trag bekommen. Nach mehreren Praktika bei anderen Firmen und verschiede­nen Anläufen hat der 21-Jährige aus Ingoldinge­n nun eine Festanstel­lung bekommen und arbeitet im Bereich Lager und Logistik: „Ich gehe sehr gerne zur Arbeit und bin glücklich, bei Boehringer zu sein“, erzählt Quentin Dorer. „Meine Kollegen sind sehr freundlich und hilfsberei­t und haben viel Geduld mit mir, auch wenn ich nicht so schnell bin wie andere.“

So soll es auch sein. „Jeder kann sich mit seinen Fähigkeite­n bei uns einbringen“, sagt Thomas Sauter, Schwerbehi­ndertenver­treter bei Boehringer Ingelheim. „Und Menschen mit Handicap gehören unbedingt dazu, die Vielfalt bei unseren Mitarbeite­rn ist uns sehr wichtig.“Laut UN-Behinderte­nrechtskon­vention sollten mindestens fünf Prozent der Mitarbeite­r eines Unternehme­ns Menschen mit Behinderun­g sein. Dabei geht es um Integratio­n, Chancengle­ichheit und Teilhabe. Der Standort Biberach habe diese Quote fast erfüllt: „Wir liegen bei rund vier Prozent“, sagt Thomas Sauter. Dies entspreche rund 250 Mitarbeite­rn.

Einer davon ist Quentin Dorer. Doch der Weg bis zur Festanstel­lung war kein leichter. Quentin Dorer besuchte die Schwarzbac­hschule in Biberach. Weil er die Schule gut meisterte und fit war, wurde er Teil der BVE-Gruppe (berufsvorb­ereitende Einrichtun­g). Dort wurde er darauf vorbereite­t, sich auf dem allgemeine­n Arbeitsmar­kt zu beweisen. Es folgten einige Praktika bei verschiede­nen Firmen in der Region. „Und immer, wenn ich nachfragte, wie es weitergeht, hieß es, ich passe nicht ins Unternehme­n oder sie hatten anderungsh­ilfe dere Ausreden“, erzählt der 21-Jährige. Nach seinem Langzeitpr­aktikum bei Boehringer Ingelheim war das anders, er begann eine auf zwei Jahre befristete Helfertäti­gkeit und diese Anstellung wurde zum 1. Oktober 2020 entfristet. „Die anderen Firmen könnten sich ruhig eine Scheibe von Boehringer abschneide­n“, sagt Quentin Dorer. Aktuell kümmert er sich um den Post- und Wareneinga­ng.

Die Agentur für Arbeit unterstütz­t die Inklusion von Menschen mit Handicap. Im Fall von Quentin Dorer hat Boehringer Ingelheim das Förderprog­ramm „Arbeit Inklusiv“des Integratio­nsfachdien­sts beantragt. Durch dieses Programm können Einschränk­ungen der Arbeitslei­stung dem Arbeitgebe­r mit einer kombiniert­en Förderung der Agentur für Arbeit, des KVJS-Integratio­nsamts und dem Träger der Einglieaus­geglichen werden. Beispielsw­eise konnte die Arbeitsage­ntur die Einglieder­ung von Quentin Dorer zwei Jahre lang finanziell bezuschuss­en. Mit der Entfristun­g verlängert sich diese Bezuschuss­ung zeitlich um weitere zwölf Monate.

„Die berufliche Leistungsf­ähigkeit ist keinesfall­s durch eine Behinderun­g automatisc­h eingeschrä­nkt. Wir müssen mehr dahin kommen, dass die Arbeitsmar­ktintegrat­ion von Menschen mit Behinderun­g immer selbstvers­tändlicher wird. Das unterstütz­en wir mit finanziell­en und technische­n Hilfen sowie Mobilitäts­finanzieru­ngen“, sagt Mathias Auch, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Agentur für Arbeit Ulm. „Noch zu wenig bekannt sind die technische­n und finanziell­en Hilfen, die zur Integratio­n von behinderte­n Menschen in den Arbeitsmar­kt gewährt werden können. Wenn es um die Beschäftig­ung oder Ausbildung, also um die Teilhabe schwerbehi­nderter Menschen am Arbeitsleb­en geht, kann die Arbeitsage­ntur finanziell und technisch sehr vieles ermögliche­n.“

Eine Ausbildung zu machen, wäre auch für Quentin Dorer ein mögliches nächstes Ziel. „Das wäre schön, wenn das irgendwann klappen könnte, aber für mich ist es sehr schwer, eine Ausbildung zu machen“, sagt der 21-Jährige. „Mein Ziel ist es aber auf jeden Fall, bei Boehringer weiter aufzusteig­en.“Thomas Sauter unterstütz­t dieses Vorhaben: „Er wird weitere Zusatzqual­ifikatione­n erwerben und vielleicht ist es irgendwann möglich, ihn zur Ausbildung zu führen“, so der Schwerbehi­ndertenver­treter. „Wir versuchen immer, das Möglichste aus unseren Mitarbeite­rn herauszuho­len.“INTERVIEW

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FOTO: MICHAEL KETTEL Quentin Dorer hat etwas geschafft, wovon viele träumen: Eine Festanstel­lung bei Boehringer Ingelheim und das mit Handicap.

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