Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Löw schaut und wirbt

Müller und Boateng glänzen in Hauptrolle­n und werfen Fragen auf – im Fokus steht Musiala

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MÜNCHEN (dpa) - Warm eingepackt mit einer dicken Decke auf dem Schoß erlebte der mit einer FFP2Maske geschützte Joachim Löw zwei seiner aussortier­ten Weltmeiste­r in Hauptrolle­n. Seinen langjährig­en Assistente­n Hansi Flick stimmten die Tore von Thomas Müller und Jérôme Boateng beim 4:1 (2:1) ihres FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim am Tag des Bundestrai­ner-Besuches allemal zufrieden. „Ich will mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen und sagen, das war geplant. Wir freuen uns einfach, dass Jérôme nach langer Zeit wieder mal ein Tor gemacht hat“, sagte der Bayern-Trainer. „Thomas hat in den letzten Wochen öfters getroffen und seine Form beibehalte­n.“Ob der nächste starke Müller-Auftritt und das erste Boateng-Tor seit drei Jahren die EMChancen der beiden beeinfluss­en, weiß nur Löw. „Da gibt es nichts zu sagen – jetzt!“, wiegelte der Bundestrai­ner bei der brisanten Müller-Personalie ab.

Bayern-Vorstand Oliver Kahn hielt es am Tag darauf nicht für notwendig, für eine Nationalel­frückkehr der zwei Stars zu werben. Der 51-Jährige gestand aber, wie sehr ihm die Generation um Noch-Nationalsp­ieler Manuel Neuer und Ex-Nationalsp­ieler Müller imponiere, da sie „scheinbar nie zufrieden ist und immer den nächsten Titel holen will“. Bei „Leader“Boateng kündigte Kahn zeitnah Gespräche über eine Verlängeru­ng des im Sommers auslaufend­en Vertrages an. „Und dann werden wir eine saubere Lösung finden“, versichert­e Kahn. Eine Saison von Boateng an der Seite des von den Bayern öffentlich umworbenen Leipziger Abwehrchef­s Dayot Upamecano ist gut vorstellba­r.

Auskunftsf­reudiger als bei Müller war Löw in der „Bild“bei Bayerns Super-Teenie Jamal Musiala (17), den er zumindest 20 Minuten in Aktion sehen konnte und gerne für das deutsche Nationalte­am gewinnen würde. „Er ist ein außergewöh­nlich großes Talent, absolut. Er hat eine besondere Wertschätz­ung in Deutschlan­d und bei Bayern“, sagte Löw über den einst für Deutschlan­ds U16 und jetzt für Englands U21 eingesetzt­en Musiala. „Ich denke, er weiß so oder so, dass ich ihn nominieren will. Die Entscheidu­ng liegt bei ihm“, erklärte Löw, bevor er in seinen Wagen stieg.

Die Entscheidu­ngen über die seit zwei Jahren nicht mehr für das DFBTeam berücksich­tigten Müller (100 Länderspie­le), Boateng (76) und den Dortmunder Mats Hummels (70) liegen dagegen bei Löw. Müller grinste, als er nach der Extra-Motivation durch den prominente­n Zuschauer befragt wurde. „Auch die letzten Spiele waren ganz gut und ich glaube, da war der Bundestrai­ner auch nicht im Stadion“, entgegnete er.

Lachend schritt Müller an der Seite von Kapitän Neuer in die Stadionkat­akomben und deutete dabei kurz Richtung Tribüne – wo Löw während des Spiels gesessen hatte. Das EMThema ist nach dem Publikwerd­en von Müllers beendeten OlympiaPlä­nen in dieser Woche präsenter denn je. Gute Auftritte wirken seit Müllers DFB-Aus als Dauerwerbe­sendung. Erst recht, wenn das Nationalte­am untergeht wie zuletzt beim 0:6 gegen Spanien. Die Nominierun­gsfragen seines früheren Vorgesetzt­en Löw für die EM im Sommer beschäftig­en Flick nicht. Im Fokus steht die schrittwei­se Rückkehr der Münchner zur Tripleform nach einer kleinen Schwächeph­ase mit Niederlage­n in Gladbach und dem PokalAus in Kiel. „Wir wollten wieder in die Spur zurückkomm­en, das macht eine große Mannschaft aus. Sie hat gezeigt, dass sie das kann“, sagte Flick. Für Kahn kann die schwierige­re Saisonphas­e vor den nun bejubelten vier Siegen am Stück ein „Wendepunkt“gewesen sein.

Boateng (32. Minute), Müller (43.), Robert Lewandowsk­i (57.) mit seinem 24. Saisontor und Serge Gnabry (64.) nach elf Liga-Spielen ohne Treffer setzten vorne Glanzpunkt­e. Nach hinten arbeiteten die Bayern trotz weiterhin vorhandene­r Anfälligke­iten lautstark und verbessert. „Wir haben zuletzt eine stabilere Defensive gezeigt und vorne die Tore gemacht. Das ist ein gutes Signal“, sagte Neuer. Das Gegentor von Andrej Kramaric konnte der 34-Jährige nicht verhindern.

Das Unverständ­nis über das neue Tattoo des wegen des Verstoßes gegen Corona-Vorgaben mit einer Geldstrafe belegten Weltmeiste­rs Corentin Tolisso geriet durch die Revanche für das 1:4 im Hinspiel in den Hintergrun­d. Und auch die Spekulatio­nen über angebliche Spannungen zwischen Flick und Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic waren angesichts der Rückkehr zu wieder mehr Dominanz-Fußball kein großes Thema mehr.

Eine „Art von Streitkult­ur“sei sogar ein „wichtiger Erfolgsfak­tor“beim FC Bayern, hob Kahn hervor. „So lange das Ganze, und das ist im Moment der Fall, zum Wohle des Clubs ist, ist ja dagegen nichts einzuwende­n“, sagte Kahn. Es gebe nichts zu vermitteln im Moment. Und sportlich sind die Bayern eine gute Woche vor der Club-WM sowieso wieder in der Spur.

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FOTOS (3): IMAGO IMAGES
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Joachim Löw schaut bei Jamal Musiala (u. li.) ganz genau hin, bei Thomas Müller (re.) anscheinen­d weniger.
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