Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Unverpackt-Laden: Kunden sind unsicher
Dabei sei die Hygiene exzellent – Wegen Corona klagen Entsorger über wahre Müllberge
LANDKREIS/ULM - Bei der Firma Knittel spüren sie die Weihnachtszeit: Wenn die Leute mehr daheim sind, ist der Hausmüll voller. Bei Knittel, im Landkreis Neu-Ulm für Altpapier, Kunststoffe und Restmüll zuständig, gilt dann Urlaubssperre. Doch jetzt ist es anders. Seit die schärferen Lockdown-Regeln im Dezember eingeführt worden, kommen die Mitarbeiter der Vöhringer Entsorgungsfirma mit ihrer Arbeit kaum mehr hinterher. „Im Frühjahr war das schon einmal so“, erinnert sich Oliver Sauter, Assistent der Geschäftsleitung bei Knittel.
Hausmüll und Kunststoffabfälle haben zugenommen, haben die Entsorger bemerkt. „Man merkt schon: Es wird mehr zu Hause gegessen und verbraucht“, sagt Sauter. Auch die blauen Tonnen seien voller als gewohnt – oft mit Kartonagen aus dem Online-Versand. Das ganz große Problem liegt für die Entsorgungsfirma aber woanders: Bei den Papier-Containern an den Straßen, die wie blaue Iglus aussehen.
Normalerweise werden die dreimal pro Woche geleert. Doch das genügt gerade nicht. „Wenn der Container morgens geleert ist, ist er mittags teilweise schon wieder voll“, schildert Sauter. Häufiger geleert werden können diese Depots aber nicht. Knittel schickt ein Fahrzeug mit festen Runden durch den Landkreis, um das Papier abzuholen. „Das Fahrzeug ist ausgelastet“, beschreibt Sauter.
Da könne man nicht einfach zusätzliches Personal losschicken. Ganz voll seien die Depots im Übrigen auch gar nicht: „Die Kartonagen verstopfen die Einfallöffnungen“, klagt Sauter. Dabei seien die Depots an den Straßen nur für Papier gedacht, Kartons müssten auf den Recyclinghof. „Dort können wir volle Container viel einfacher abholen.“Leider halte sich nicht jeder an diese Vorgaben.
Wolfgang Metzinger, Abfallwirtschaftsberater beim kreiseigenen Abfallwirtschaftsbetrieb, schildert, dass die Depotcontainer zu nahezu 50 Prozent mit Kartonagen gefüllt sind – und das überwiegend unzerkleinert. Dadurch sei zu wenig Platz für Altpapier.
Metzinger appelliert: „Bitte bringen Sie ihre Kartonagen auf den Wertstoffhof.“
Auch im Entsorgungs- und Wertstoffzentrum Weißenhorn sei die Abgabe möglich. Teilweise würden Papiercontainer häufiger geleert oder zusätzliche Depots würden aufgestellt. Das sei jedoch nicht an allen Standorten möglich. Sollten Papiercontainer nicht entleert werden oder über mehrere Tage voll sein, sollten Bürger ihre Gemeindeverwaltung informieren, rät Metzinger. Und er mahnt: „Wilde Müllablagerungen“ neben Containern könnten mit Bußgeldern bis zu 3500 Euro belegt werden.
Wer Müll vermeiden will, kann bei André Wieland einkaufen. Der Unternehmer betreibt in Weißenhorn ein Geschäft, in dem Kunden unverpackte Lebensmittel kaufen können.
In einem zweiten Laden in Ulm hat Wieland in Anthony Saad einen Mitgesellschafter. Wer Waren ohne Kunststoff- und Papierumhüllungen erwerben will, bekommt sie in den beiden Geschäften.
Der Ulmer Ableger ist mitten in der Pandemie eröffnet worden, der erste Lockdown im Frühjahr 2020 war da gerade vorbei. „Das war sicher nicht der perfekte Zeitpunkt, aber es war nicht verschiebbar“, erinnert sich André Wieland.
Er müsse vielen Kunden erklären, dass die Infektionsgefahr in den Läden nicht größer ist als anderswo, wo alles teils vielfach eingepackt ist. „Die Sicherheit ist bei uns sogar noch ein bisschen größer“, sagt Wieland. Denn die Gefäße würden täglich nach strengen Standards gereinigt und desinfiziert, niemand nehme die Lebensmittel in die Hand. Und auch die Verpackungen nicht. Dadurch, sagt Wieland, habe der Kunde selbst im Griff, wie sauber und sicher seine Gefäße sind.
Das aber habe er oft erklären müssen. Wieland hofft, dass der Trend nach der Corona-Pandemie wieder weg vom vielfach Verpackten geht. Hin zu regionalen Produkten, die ohne Plastikverpackung verkauft werden. Doch schnell werde das nicht gehen, fürchtet er. „Das alles wird kaum morgen vorbei sein“, sagt Wieland. „Aber ich glaube schon, dass es dieses Bewusstsein noch gibt und dass der Blick auf regionale Produkte schärfer wird.“
„Klare Kante“spürt die Pandemie. Wieland sieht nicht nur die Sorge vor einer Infektion als Grund. Viele Leute hätten zur Zeit weniger Geld, die unverpackten Bioprodukte seien teurer als Lebensmittel im Supermarkt. „Manche Kunden kommen immer noch, kaufen aber weniger bei mir“, nennt er als Beispiel.
Und manche Lieferanten bekämen die Folgen der Pandemie noch viel härter zu spüren. Eine regionale Manufaktur gab Ende Januar auf. Die veganen Cookies zur Weihnachtszeit hätten keine Abnehmer gefunden, berichtet Wieland. „Eine kleine Manufaktur kann das nicht einfach überbrücken“, sagt der Unternehmer.