Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Filmfestvorstand wehrt sich gegen Kritik
Weitere Vorwürfe gegen bisherige Intendantin – Wie es nun weitergehen soll
BIBERACH - Nach dem offenen Brief von 108 Filmschaffenden, die der bisherigen Intendantin Helga Reichert den Rücken stärken (SZ berichtete), hat sich nun auch der Vorstand des Vereins Biberacher Filmfestspiele seinerseits zu Fragen rund um das Thema Intendanz geäußert. Ein Vorwurf wiegt dabei besonders schwer.
Nachdem der Vereinsvorstand eine Stellungnahme zunächst erst für Dienstag angekündigt hatte, gab er dann doch bereits am Montagabend eine dreiseitige Pressemitteilung heraus, in der „die am meisten gestellten Fragen“beantwortet werden sollen.
So stellt der Vorstand um den Vorsitzenden Tobias Meinhold zunächst klar, dass Reichert im September 2020 auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand ausgeschieden ist, dem sie als Intendantin bis dahin angehört hatte, so wie zuvor auch ihr Mann Adrian Kutter in seiner Zeit als Intendant.
Dieser Schritt hatte zur Folge, dass Helga Reichert ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Vorstandsentscheidungen eingebunden war, was zum Beispiel Sponsorengespräche, Verhandlungen mit dem Kino oder dem Festivalhotel betraf. Viele Dinge im Vorstand hätten mit der Arbeit des Intendanten nichts zu tun, hatte Reichert ihren Rückzug aus dem Vorstand bei der Mitgliederversammlung im September auch selbst begründet. Im neuen Werkvertrag, den der Verein daraufhin mit ihr schließen wollte, seien ihre Zuständigkeiten deshalb detailliert dargestellt gewesen, schreibt der Vorstand.
Nach ihrem Rückzug aus dem Vorstand hat Helga Reichert aus Sicht des Vereins dann aber vor den Filmfestspielen 2020 offenbar ihre Kompetenzen überschritten. „Besonders hervorzuheben ist eine eklatante Einmischung in unsere Geschäftsbeziehungen zu Großsponsoren“, heißt es in der Pressemitteilung. „Die durch diese Einmischung (Frau Reichert war zu diesem Zeitpunkt bereits kein Vorstandsmitglied mehr) initiierte Belastung unserer Geschäftsbeziehung zum Partner führte zu einer reduzierten Zahlung des Sponsorenbetrags.
Dem Verein ist dadurch ein finanzieller Schaden entstanden“, so der massive Vorwurf.
Dies sei, zusammen mit mehreren Zwischenfällen, ein Grund dafür gewesen, dass man aus der geplanten dreijährigen Vertragsverlängerung nur einen Einjahresvertrag machen wollte. Zwischen Vorstand und Intendantin sei „eine äußert anstrengende Polarität“entstanden, schreibt der Verein. Der Vorstand habe mit dem Einjahresvertrag herausfinden wollen, „ob ein Anknüpfen an die gute Zusammenarbeit mit Frau Reichert an ihr erstes Jahr als Intendantin noch möglich gewesen wäre“. Nicht geplant sei indes gewesen, dass der Vorstand selbst die Intendanz
übernehmen wollte. Diese Tätigkeit erfordere sehr spezielle Kenntnisse.
Man sei deshalb auf der Suche nach einer neuen Intendanz. Laut Vereinsvorstand liegen aktuell zwei Bewerbungen von Personen „mit vielversprechenden Expertisen für die künstlerische Leitung“vor. Die Gespräche seien aber noch nicht abgeschlossen.
Für die Vorstandsarbeit, die sich vor allem mit der Finanzierung, der Vorbereitung und der Organisation der Filmfestspiele befasse, brauche es hingegen kein Expertenwissen in Sachen Filmkunst. In die künstlerische Entscheidungsfreiheit der Intendanz bei der Filmauswahl und der einzuladenden Filmschaffenden mische sich der Vorstand nicht ein. Lediglich finanziell sei hierfür ein Rahmen budgetiert, heißt es in der Mitteilung.
Einem reinen Online-Festival, was aufgrund der Corona-Pandemie 2020 diskutiert wurde, habe sich Helga Reichert komplett verschlossen. „Ihrer Meinung nach hätte das Festival, wenn nicht ,normal durchführbar’, komplett abgesagt werden sollen“, so der Vorstand. Zum Glück habe das Festival kurz vor dem Lockdown gerade noch „normal“stattfinden können. Andere Festivals hätten aber gezeigt, dass es auch online gehe, heißt es in der Pressemitteilung des Vorstands, der unter anderem auf das Filmfestival Max Ophüls Preis und die Hofer Filmtage verweist.
Auch künftig sollen die Filmfestspiele als Publikumsfestival vor Ort stattfinden, kündigt der Verein an. Begleitend solle aber ein „Video-onDemand“-Programm stattfinden, um neue Nutzergruppen zu erreichen. So wolle man auch die Filmschaffenden dabei unterstützen, ihre Filme so oft wie möglich zeigen und daraus Einnahmen generieren zu können.
Man bedauere die jetzige Situation sehr, schreibt der Vorstand. Mit Festivalgründer Adrian Kutter habe man die Filmfestspiele über viele Jahre zum Erfolg geführt, nun gehe es aber auch um eine Weiterentwicklung. „Wir sehen unser weiteres Engagement nicht im Beklagen über die Beendigung einer Ära, sondern arbeiten mit ganzem Einsatz, auch im Sinne unserer Mitglieder, an einem Neubeginn und die erfolgreiche Fortführung der Biberacher Filmfestspiele.“Man wolle, so wie es die Filmschaffenden in ihrem offenen Brief schreiben, an der Tradition des „Familientreffens deutscher Filmemacher“festhalten. „Die Vorstandschaft würde sich freuen, viele der Filmschaffenden, die Mitzeichner des Briefs sind, auch unter neuer Intendanz in Biberacher begrüßen zu dürfen.“
Die nachzulesen
unter www.filmfest-biberach.de