Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Landwirtschaft der Zukunft
Streitpunkte vor den Landtagswahlen – Was die Parteien für Feld, Wald und Wiesen planen
STUTTGART - Verhärtete Fronten zwischen Naturschützern und Landwirten, Wetterkapriolen mit verheerenden Folgen, ein kranker Wald: In kaum einem anderen Bereich ging es in der ablaufenden Legislaturperiode so turbulent zu wie in der Landund Forstwirtschaft. Mit welchen Lösungen für diese Bereiche wollen die Parteien bei der Landtagswahl am 14. März punkten? Ein Überblick.
Äcker und Böden
Die Zahl der Insekten ist massiv gesunken. Diese Erkenntnis der Krefelder Studie von 2017 haben Wissenschaftler im vergangenen Oktober für die Schwäbische Alb untermauert: Dort sei die Zahl der wandernden Insekten innerhalb 50 Jahre um 97 Prozent zurückgegangen. Das führt zu einer Kettenreaktion beim Artenschwund. Als ein Grund für den Rückgang gelten Pestizide. Lange haben Umwelt- und Agrarministerium darüber gestritten, wie auf den Feldern im Land weniger chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel landen können – was auch manche Wasserversorger lange schon einfordern.
Erst das Volksbegehren „Rettet die Bienen“von 2019 hat die Politik beflügelt und Kompromisse erbracht. Diese sind nun in Gesetzen verankert. Zentrale Ziele: Bis 2030 sollen auf Feldern, Wiesen und Plantagen im Land 40 bis 50 Prozent weniger Pestizide eingesetzt werden, in Naturschutzgebieten sind sie ab 2022 ganz verboten. Die FDP setzt zur Pestizidreduktion vor allem auf Forschung und technische Innovation. Die AfD lehnt Vorgaben ab und will sich bei Pflanzenschutzmitteln an bestehenden Zulassungsstandards orientieren. Viele Parteien betonen zudem, dass die Beratung der Bauern gestärkt werden soll.
Bis 2030 soll sich der Anteil der Biolandwirtschaft auf 30 bis 40 Prozent mehr als verdoppeln – das ist inzwischen Gesetz. Grüne und SPD peilen in ihren Programmen mindestens 40 Prozent an. Geht es nach den Grünen, sollen alle Äcker in Landeshand künftig ausschließlich ökologisch bewirtschaftet werden. Die SPD will ein Pestizidverbot auf Landesflächen. Die FDP wehrt sich gegen „planwirtschaftliche Regelungen zugunsten des Ökolandbaus“und will dessen Bevorzugung korrigieren. Die AfD will Vorgaben zum Anteil der Ökolandwirtschaft ganz abschaffen.
Viele Parteien erklären in ihren Wahlprogrammen das Ziel, Naturschutz und Landwirtschaft zu versöhnen. Konsens ist auch, regionale Vermarktung zu stärken. Die Grünen fordern einen neuen Gesellschaftsvertrag, der auch Lebensmittelindustrie und Verbraucher einbeziehen soll. Die SPD spricht von einem Agrarkonsens. Die CDU fordert mehr Anerkennung für Bauern. Die FDP will den Artenschwund dauerhaft wissenschaftlich beobachten.
Ein wichtiges finanzielles Standbein für Landwirte ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. Manchen sind die Zuschüsse aus Brüssel derzeit zu sehr an die bewirtschaftete Fläche gebunden – etwa den Linken. Die Grünen wollen die Vergabe des Geldes stärker daran knüpfen, ob Bauern Standards zum Umwelt- und Landschaftsschutz einhalten. Auch die SPD betont, dass Landwirte für ihre Arbeit für das Gemeinwohl entlohnt werden sollen. Die AfD will der EU die Verantwortung für Agrarsubventionen entziehen und wieder dem Bund übertragen.Viele Regelungen zur Bewirtschaftung von Flächen lehnt sie ab.
Die Grünen wollen Bauern dabei unterstützen, Landwirtschaft mit Photovoltaikanlagen zu kombinieren und auch in Wäldern den Boden zu bestellen. Das spare Flächen und erzeuge neue Einnahmequellen. Die CDU setzt auf eine Reform der Ökopunkteverordnung, die bereits für die ablaufende Legislaturperiode angekündigt war. Diese soll so angepasst werden, dass Bauern, die naturschützend arbeiten, davon profitieren können. Auch die FDP pocht auf eine Reform, damit der Ausgleich von Eingriffen in die Natur, etwa beim Bauen, flächenschonender wird. Für CDU und FDP ist klar: Bauern sollen von Bürokratie entlastet werden. Beide Parteien setzen zudem auf einen verstärkten Einsatz von Digitalisierung und Technik in der Landwirtschaft.
Für Verbraucher ist die Herkunft und Verarbeitung von Lebensmitteln schwer nachzuvollziehen. Das soll sich nach dem Wunsch einiger Parteien ändern. Die Grünen und Linken pochen auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft sowie auf eine transparente und einheitliche Kennzeichnung von Produkten. Die CDU möchte ein landesweites Qualitätssiegel für regionale Lebensmittel einführen. Diese sollen etwas teurer sein, der Zusatzerlös soll den Bauern zugutekommen. Um finanzielle Risiken besser abfedern zu können, will die CDU, dass sich Bauern gegen alle Wetterkapriolen versichern können. Zudem will sie, wie auch FDP und AfD, beim Bund durchsetzen, dass Bauern steuerliche Rücklagen zum Risikoausgleich bilden können.
Tiere
Auf der einen Seite fragen immer mehr Menschen nach Tierschutz bei Haltung und Schlachtung von Nutztieren. Immer wieder wurden zuletzt Missstände in Ställen und Schlachthöfen öffentlich, die darauf hindeuten, dass etwas im System nicht stimmt. Der Grund dafür ist auch: Auf der anderen Seite ist für viele Verbraucher beim Fleischeinkauf vor allem der Preis entscheidend.
Die CDU setzt auf ein europaweit einheitliches Tierwohllabel. Die AfD plädiert indes dafür, dass das Siegel des Bundes freiwillig bleiben soll. Die Grünen wollen künftig nur denjenigen Bauern Fördergeld für die Tierhaltung geben, wenn „deutlich höhere Tierschutzstandards“eingehalten werden. Die SPD will den Bauern bei der Umstellung auf mehr Tierschutz finanziell helfen. Die Linke will Massentierhaltung verbieten und eine artgerechte Tierhaltung verordnen – mit Auslauf und strengen Regeln für den Einsatz von Medikamenten.
Um Transportwege zu verkürzen, braucht es ein dichtes Netz an Schlachthöfen. Darin sind sich CDU, AfD, Grüne und SPD einig. Die beiden Letzteren setzen zudem verstärkt auf mobiles Schlachten auf dem Hof. Die AfD will festlegen, dass immer der nächstgelegene Schlachthof genutzt werden muss. Kein Tier soll künftig weiter als 200 Kilometer transportiert werden, fordern indes die Grünen – eine neue Taskforce soll das überwachen. Digitale Systeme sollen dabei helfen, den Schlachtvorgang lückenlos zu überwachen. Hier sieht die SPD die Behörden in der Pflicht und fordert mehr Stellen für Amtstierärzte.
Wälder
Der Wald ist krank. 40 Prozent der Landesfläche ist von Wald bedeckt – und fast die Hälfte davon gilt inzwischen als deutlich geschädigt. Hitze und Trockenheit schwächen die Bäume und liefern ideale Bedingungen für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Schon heute tut das Land viel, um den Wald widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen – unter anderem mithilfe einer Waldstrategie 2050, die Agrarminister Peter Hauk (CDU) erarbeitet hat.
Die Grünen wollen Privatwaldbesitzer stärker beim Umbau hin zu artenreichen Mischwäldern unterstützen. Diesen gehören 36 Prozent des Südwest-Forsts. 24 Prozent sind in Landesbesitz, 40 Prozent gehören Kommunen. Konkreter wird hier die CDU: Sie verspricht 100 Euro pro Hektar für die kommenden 30 Jahre als Klimaschutz- und Wiederbewaldungsprämie. Die AfD fordert, Privatbesitzer nicht zu benachteiligen.
Grundsätzlich setzen die Grünen darauf, dass der Wald von allein nachwachsen soll und wenig aufgeforstet wird. Dafür soll auch mehr Wild bejagt werden, da die Tiere junge Bäume zum Fressen gern haben. Dafür wollen sie das Jagen unter breiter Beteiligung zu einem „ökosystemorientierten Wildtiermanagement“weiterentwickeln. Weitere Einschränkungen bei der Jagd lehnt die CDU indes ab. Die FDP will das bestehende Wildtiermanagement „mit seinen unzähligen Verboten“– gerade auch die Schonzeit – überprüfen und erneuern. Die Liberalen fordern eine Wolf-Verordnung, damit Behörden leichter gegen das streng geschützte Tier vorgehen können. Die AfD fordert ein „effektives Wolfsmanagement“und will das Tier ins Jagdrecht aufnehmen. Eine Wildschadenskasse von Gemeinden, Jägern und Grundstückseigentümern soll zudem Wildschäden begleichen, so die AfD. Auch die FDP fordert eine rechtssichere Entschädigung.
Vor allem beim Wald in staatlicher Hand setzen die Grünen auf Standards, wie sie etwa das FSC-Siegel vorgibt: Es fordert eine umweltgerechte, sozial verträgliche und ökonomisch sinnvolle Bewirtschaftung der Wälder. Das Gegenteil will die FDP: Sie fordert den Ausstieg aus dem FSC-Siegel und eine Rückkehr zum Standard PEFC – ein von der Industrie erschaffenes Zertifikat.
Ein neuer Waldwildnisfonds soll nach dem Wunsch der Grünen helfen, ökologisch wertvolle Waldflächen anzukaufen. Zur Förderung eines ökologischen Walds setzen Linke und FDP darauf, mehr alte Bäume stehen und und umgefallenes Totholz liegen zu lassen. Für neue Windkraftanlagen dürfe der Wald nicht gefällt werden, fordert derweil die AfD. Die FDP will dem Nationalpark Schwarzwald Gelder wegnehmen und diese gerechter auf die Naturparks und Biosphärengebiete im Land verteilen.
Für eine professionelle Bewirtschaftung des Walds wollen die Grünen, dass das Land auch in Zukunft 100 Ausbildungsplätze für Forstwirte finanziert. Die CDU plant, die Forstbehörden aufzustocken.