Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Leben im Schwebezus­tand

Wie der Kinderschu­tzbund die Herausford­erungen der Zeit an die Familien erlebt

- Von Barbara Braig

LAUPHEIM - Corona-Krise, Lockdown, Kontaktbes­chränkunge­n: Die derzeitige Situation fordert alle Menschen. Finanziell­e, aber auch psychische Herausford­erungen müssen bewältigt werden. Eine, die guten Einblick in die Gedankenwe­lt junger Menschen und Familien hat, ist Ursula Dreiz, die Vorsitzend­e des Laupheimer Kinderschu­tzbunds.

„Die Nerven vieler Familien liegen blank“, sagt Ursula Dreiz. Viele Eltern könnten ihren Kindern nicht mehr helfen in Sachen „Unterricht daheim“. Neben gestresste­n Erwachsene­n sei mittlerwei­le aber auch die Psyche des Nachwuchse­s angeschlag­en. „Gerade die Schülerinn­en und Schüler, die vor den Abschlussp­rüfungen stehen, haben Angst.“Angst davor, in der Klausur zu versagen. Angst, vielleicht keinen Ausbildung­splatz zu finden. Angst, künftig immer den „Corona-Stempel“tragen zu müssen. „Die Jugendlich­en fragen sich, wie ihr Leben nach der Schule weitergehe­n wird“, weiß Dreiz. Alles sei für die jungen Menschen derzeit in der Schwebe.

Doch auch die Elterngene­ration habe Existenzän­gste: Sorge, dass man arbeitslos werden könnte, dass es wirtschaft­lich bergab geht. Die Befürchtun­gen würden nicht nur Menschen betreffen, die im unteren Einkommens­bereich leben, sondern auch den Mittelstan­d. Wer Kinder hat, habe zudem Angst, was nach dem 21. Februar passiert, ob Kitas und Schulen wieder geöffnet werden.

Für Ursula Dreiz steht beim Thema

„Betreuung“und „Präsenzunt­erricht“dabei die seelische Gesundheit im Vordergrun­d. „Das soziale Umfeld der Kinder wird durch die Kontaktbes­chränkunge­n und Schließung von Schulen und Kitas immer mehr gestört“, sagt sie. „Die Kinder haben kaum Kontakte zu Freunden.“Das schlage den jungen Menschen auf die Psyche – „und zwar allen, vom KitaKind bis zum Teenager“. Letztere würden sich zwar meist an die Corona-Regeln halten. „Aber viele verstehen nicht, warum ihr Lebensumfe­ld jetzt so eingeschrä­nkt ist, und manche gehen auch mal über die gesetzlich­en Grenzen hinaus, weil sie sich einsam fühlen.“

Auch der Kinderschu­tzbund hat seine Arbeit aufgrund der aktuellen Situation einschränk­en müssen. „Wir bieten im Augenblick nur eine Notbetreuu­ng für Kleinkinde­r an, seit vergangene­m Montag haben wir auch wieder ein Notprogram­m in der Hausaufgab­enbetreuun­g eingericht­et“, erklärt Dreiz. Die Hausaufgab­enbetreuun­g findet jedoch vorerst nur an zwei Tagen pro Woche statt; es nehmen augenblick­lich lediglich zwei Kinder daran teil. „Der Bedarf ist aber auf jeden Fall da“, weiß die Kinderschü­tzerin. Denn gerade Familien mit Migrations­hintergrun­d hätten oftmals Probleme, ihre Kinder beim Heimunterr­icht zu unterstütz­en.

„Das Schöne im Kinderschu­tzbund ist, dass wir in unseren Räumen ein ausgefeilt­es Hygienekon­zept umgesetzt haben, das sowohl für die Kinder als auch für die Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen höchstmögl­iche Sicherheit bietet“, erläutert Dreiz. Auch die Familienpa­ten sind weiterhin im Einsatz, und der „begleitete Umgang“, bei dem ein Elternteil sein Kind nur in Anwesenhei­t einer Begleitper­son treffen darf, findet weiterhin statt. „Wenn wir diesen Dienst einstellen würden, könnten einige Eltern ihre Kinder in dieser Zeit gar nicht sehen“, sagt Ursula Dreiz. Dabei sei dies für beide Seiten gerade jetzt so wichtig wie nie.

Ihr Wunsch an die Politik wäre, dass die Schulen wieder öffnen – „in kleinen Schritten, mit Wechselunt­erricht über den Tag verteilt in kleinen Gruppen und vielleicht auch nur für wenige Stunden“, meint Ursula Dreiz. Das sei wichtig für die Kinder und Jugendlich­en, um soziale Kontakte zu ermögliche­n. „So werden sie zufriedene­r, stabiler.“Auch die KitaBetreu­ung sollte ihrer Meinung nach verstärkt werden, um für Eltern wieder verlässlic­he Bedingunge­n für ihre eigene Arbeit und die Anforderun­gen daheim zu schaffen. „Die aktuelle Lage darf nicht zum Dauerzusta­nd werden“, mahnt sie.

Eine gute Botschaft jedoch gibt es auch: In Sachen Missbrauch und Gewalt in den Familien in und um Laupheim könne der Kinderschu­tzbund bislang keine Verschärfu­ng feststelle­n.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES/MIS ?? Kinder und Jugendlich­e sind durch die Einschränk­ungen während der Corona-Pandemie seelisch besonders gefordert.
FOTO: IMAGO IMAGES/MIS Kinder und Jugendlich­e sind durch die Einschränk­ungen während der Corona-Pandemie seelisch besonders gefordert.
 ?? FOTO: BARBARA BRAIG ?? Ursula Dreiz sieht den Kinderschu­tzbund in punkto Hygienemaß­nahmen gut aufgestell­t.
FOTO: BARBARA BRAIG Ursula Dreiz sieht den Kinderschu­tzbund in punkto Hygienemaß­nahmen gut aufgestell­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany