Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Ehe-Flaute im Corona-Jahr bleibt aus
Teilweise melden Standesämter sogar mehr Trauungen als 2019
LANDKREIS BIBERACH - Heiraten trotz Corona? Die meisten Paare, die sich im vergangenen Jahr trauen lassen wollten, haben diese Frage mit Ja beantwortet. Was die Zahl der Eheschließungen auf den Standesämtern der Städte im Kreis Biberach angeht, gibt es einzig in Laupheim und Biberach Ausreißer nach unten. Schwieriger war die Situation für Paare bei kirchlichen Trauungen. Manche verschieben ihren Termin nun schon zum zweiten Mal.
Die Corona-Pandemie machte quasi über Nacht monatelange Hochzeitsplanungen zunichte. Plötzlich ging es nicht mehr um die Frage, wen wollen wir einladen, sondern wer darf laut Corona-Verordnung überhaupt kommen? Stefanie und Christian Borst haben im ersten Shutdown, am 23. Mai 2020, standesamtlich geheiratet. Den Termin vereinbarten sie wenige Tage zuvor – und entschieden sich somit bewusst für eine Trauung unter schwierigen Umständen.
„Grundsätzlich hatten wir vor zu heiraten“, erzählt der 32-jährige Christian Borst. „Allerdings zu einem späteren Zeitpunkt.“Doch in gewisser Weise wirkte Corona auch hier als Beschleuniger. Zum Hintergrund: Stefanie war damals mit Tochter Emma schwanger. Bei den Behörden wollte das Paar die Formalitäten für die Vaterschaft regeln. Coronabedingt fiel der angesetzte Behördengang flach; das Thema Ehe rückte stärker in den Fokus. Sie trauten sich auf dem Standesamt Unlingen. Eine Woche später erblickte Emma das Licht der Welt.
Bei der Trauung waren insgesamt 14 Leute anwesend. „Ich bin in einer großen Familie aufgewachsen. Mit rund 30 Leuten wollten wir schon standesamtlich feiern“, erzählt Stefanie Borst. Wegen der Beschränkungen luden sie nur die engste Familie ein. „Gegessen haben wir daheim. Mein Bruder Lukas und seine
Freundin Kristian haben uns ein wunderbares Fünf-Gänge-Menü gezaubert, weil die Gastronomie geschlossen war“, schildert die 34-Jährige. Bei der Bestuhlung habe man etwas improvisiert: „Es war ein schöner Tag, auch wenn wir natürlich lieber in einem Restaurant gefeiert hätten.“
Die meisten Paare haben trotz der besonderen Umstände an ihren Heiratsplänen festgehalten, zumindest was den standesamtlichen Teil angeht. In manchen Fällen verschoben Paare die Hochzeit etwas nach hinten. Komplett-Absagen hielten sich aber weitestgehend in Grenzen. „Coronabedingt gab es im vergangenen Jahr 17 Absagen beziehungsweise Terminverschiebungen durch die Brautpaare, von denen wiederum 14 Paare bereits geheiratet haben oder einen Hochzeitstermin für das Jahr 2021 festgelegt haben“, erläutert die Sprecherin der Biberacher Stadtverwaltung Andrea Appel. Demnach haben nur drei Paare bislang keinen neuen Termin vereinbart.
„Viele Paare waren lange unentschlossen, ob sie ihren Eheschließungstermin tatsächlich wahrnehmen werden“, schildert die Standesbeamtin aus Bad Schussenried, Birgit Laub. „Es wurde auch ein
Eheschließungstermin verschoben und dann wieder auf den ursprünglichen Termin zurückverschoben.“Manche Entscheidungen seien auch kurzfristig getroffen worden. Andere Städte im Landkreis Biberach berichten Ähnliches. Während manche sogar mehr Trauungen als in 2019 meldeten, ging es in Biberach und Laupheim nach unten.
Inwiefern Heiratswillige die Sommermonate nutzten, in diesem Zeitraum war ja in der Corona-Krise vergleichsweise viel möglich, lässt sich nicht klar beantworten. In manchen Städten war die Nachfrage größer, in anderen dagegen nicht. Mit Blick auf dieses Jahr melden die Standesämter keinen erhöhten Ansturm auf die Trautermine. Für alle Monate ist noch etwas frei, einzig in Laupheim ist der Mai schon komplett ausgebucht.
Für viele Paare spielt das Eheversprechen vor Gott ebenfalls eine wichtige Rolle. Gefeiert wird häufig im großen Kreis. Abstandsregeln und Hygienekonzepte lassen sich da nur schwer realisieren. „Fast alle Trauungen in Biberach sind verschoben worden“, sagt der evangelische Dekan Matthias Krack. Nur ein Paar habe sich das Jawort gegeben. Ansonsten seien es zwischen zehn und 15 Hochzeiten pro Jahr. Tendenziell hätten die meisten ihre Trauung um ein Jahr nach hinten verschoben. Im Mai soll es eigentlich wieder losgehen. Ob das klappt? „Wir müssen abwarten. Jeder hofft natürlich, dass bis dahin wieder mehr möglich ist“, sagt der Dekan. In Sachen Neuanmeldungen verhielten sich Paare abwartend.
Zwischen Verzweiflung, Ratlosigkeit oder jetzt erst recht – so erlebt Chris Schlecht vom katholischen Dekanat Biberach-Saulgau die Gefühlslage der Paare, was die Heiratsfrage angeht. Mit seiner Frau und zwei weiteren Ehepaaren gibt er Ehevorbereitungskurse. Die Zahl der Teilnehmer sei im vergangenen Jahr stabil gewesen. Doch jetzt, für einen Kurs Ende Februar, seien es mit fünf anstatt zehn Paaren deutlich weniger. „Immerhin sind es trotz der Unsicherheit so viele“, sagt Chris Schlecht. Möglicherweise wird der Kurs diesmal virtuell stattfinden; an einem Konzept feilen die Organisatoren derzeit.
Viele Paare hätten ihre Hochzeit verschoben, sagt Dekan Sigmund F. J. Schänzle. Bei ihm in der Seelsorgeeinheit St. Benedikt Ochsenhausen hätten im vergangenen Jahr nur die Hälfte der sonst üblichen Hochzeiten stattgefunden. Manche müssten ihren Termin in Anbetracht der derzeitigen Entwicklungen nun sogar zum zweiten Mal verlegen. „Die liturgische Feier wäre möglich, doch das Drumherum geht nicht“, erläutert Schänzle. Er hofft, dass im Sommer wieder mehr möglich ist und die Heiratswilligen bei der Stange bleiben.
Kirchlich heiraten wollen auch Stefanie und Christian Borst noch. „Aber sicherlich nicht in CoronaZeiten“, ist sich das Paar einig. Denn diesen Tag der Freude möchten sie mit möglichst vielen Freunden und Familienmitgliedern teilen. Auch Tochter Emma möchten sie erst taufen lassen, sobald die Kontaktbeschränkungen Vergangenheit sind.