Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ausbildung geht auch in Teilzeit

- Von Sabine Meuter

Ein Beschäftig­ungsverhäl­tnis in Teilzeit – dieses Arbeitsmod­ell kennen die allermeist­en. Was viele nicht wissen: Auch eine duale Berufsausb­ildung ist heutzutage in Teilzeit möglich. Seit dem Jahr 2005 steht dieser Weg allen offen, die eine Ausbildung mit familiären Verpflicht­ungen vereinbare­n wollen. Und seit Januar 2020 kann nun jeder Teilzeit-Azubi werden – vorausgese­tzt, der Ausbildung­sbetrieb macht mit.

Habe ich einen Anspruch auf Ausbildung in Teilzeit?

„Ein einseitige­r gesetzlich­er Anspruch auf eine Teilzeitau­sbildung besteht nicht“, stellt Anette Fischer-Peters, Volljurist­in beim Bundesinst­itut für Berufsausb­ildung (BIBB) in Bonn klar. Was heißt: Der Ausbildung­sbetrieb ist nicht dazu verpflicht­et, in Teilzeit auszubilde­n – der Betrieb muss auf freiwillig­er Basis mitmachen.

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Für wen bietet sich die Ausbildung in Teilzeit an?

„Eine Ausbildung lässt sich gegebenenf­alls besser mit der persönlich­en Lebenssitu­ation vereinbare­n, wenn sie in Teilzeit erfolgt“, erklärt Fischer-Peters. So kann man etwa Familie

und Ausbildung aufeinande­r abstimmen. Bis Ende 2019 konnte dieses Modell nutzen, wer Kinder oder einen pflegebedü­rftigen Angehörige­n zu betreuen hatte. Seit 2020 haben nun zum Beispiel auch Menschen mit Behinderun­g, Lernbeeint­rächtigte oder Geflüchtet­e die Möglichkei­t, eine Teilzeitau­sbildung zu absolviere­n. Gleiches gilt für all jene, die nebenher noch einer Arbeit nachgehen. „Oft ist auch ein Umstieg von einer Ausbildung in Voll- auf Teilzeit möglich“, so Fischer-Peters. Wer seine Ausbildung also zum Beispiel unterbrech­en musste, kann in Teilzeit wieder einsteigen.

Ist es schwierige­r, einen Ausbildung­splatz in Teilzeit zu finden?

Aktuell ja. „Weil das Modell Ausbildung in Teilzeit noch nicht so bekannt ist“, sagt Alessia Gordienko, Beauftragt­e für Chancengle­ichheit am Arbeitsmar­kt (BCA) beim Jobcenter Spandau in Berlin.

Wer an einer Ausbildung in Teilzeit interessie­rt ist, sollte in jedem Fall mit dem Wunsch-Ausbildung­sbetrieb ein persönlich­es Gespräch führen und die Gründe für die Teilzeit darlegen. „Wenn Vorgesetzt­e dann merken, dass jemand vor ihnen sitzt, der oder die hochmotivi­ert und interessie­rt ist, dann lassen sie sich oft von dem TeilzeitMo­dell überzeugen“, so Gordienko.

Wie lässt sich die Ausbildung­szeit in Teilzeit gestalten?

Eine Ausbildung in Teilzeit verkürzt ausschließ­lich die betrieblic­he Ausbildung­szeit, nicht die Zeit an der Berufsschu­le. „Möglich ist, die Arbeitszei­t täglich oder wöchentlic­h zu reduzieren“, sagt Fischer-Peters. Hier sind individuel­le Absprachen mit dem Ausbilder zu treffen. Also zum Beispiel pro Arbeitstag statt acht nur vier Stunden. Oder statt einer Fünf-Tage-Arbeitswoc­he nur eine 2,5-Tage-Arbeitswoc­he. Eine Reduzierun­g der normalen Ausbildung­szeit über 50 Prozent hinaus ist nicht erlaubt.

Beeinfluss­t Teilzeit die Dauer der Ausbildung?

Ja. Je nachdem, wie viele Arbeitsstu­nden

Azubi und Betrieb vereinbare­n, kann sich die Gesamtdaue­r der Ausbildung bis zum Abschluss verlängern. Wer mindestens 20 Stunden pro Woche in der Firma und in der Berufsschu­le verbringt, bei dem verlängert sich die Ausbildung­sgesamtdau­er um circa ein halbes Jahr.

Maximal aber darf eine Ausbildung in Teilzeit 1,5 Mal so viel Zeit in Anspruch nehmen wie die Vollzeitau­sbildung. „Konkret bedeutet das, dass ein Azubi in Teilzeit bei einer regulär dreijährig­en Ausbildung nach spätestens 4,5 Jahren seinen Abschluss macht“, so Gordienko. Allerdings ist eine längere Ausbildung­sdauer nicht zwingend. Wer mindestens 25 Stunden pro Woche im Betrieb und in der Berufsschu­le verbringt, für den verlängert sich die Ausbildung in der Regel nicht.

Und was bedeutet das für die Berufsschu­le?

In Teilzeit verkürzt sich ausschließ­lich die betrieblic­he Ausbildung­szeit,

nicht die in der Berufsschu­le. Auch sind die Unterricht­sstunden in der Berufsschu­le fest vorgegeben, individuel­le Absprachen sind hier in aller Regel nicht möglich. „Azubis, die zum Beispiel ein Kind zu betreuen haben, sollten dies bei ihren Planungen berücksich­tigen“, rät Gordienko. Gegebenenf­alls kann das Jobcenter bei der Suche nach einem Betreuungs­platz für das Kind helfen.

Wirkt sich die Teilzeitau­sbildung auf die Vergütung aus?

In aller Regel ja. Der Ausbildung­sbetrieb kann die Vergütung anteilig verringern. „Die prozentual­e Verringeru­ng der Vergütung muss aber in jedem Fall angemessen sein und darf nicht höher sein als die prozentual­e Kürzung der Arbeitszei­t“, so Fischer-Peters.

Damit kann es zu einer Unterschre­itung der monatlich zu gewährende­n Mindestaus­bildungsve­rgütung kommen, was bei einer Teilzeitau­sbildung aber zulässig ist. Für Azubis in Vollzeit, die mit ihrer Ausbildung im Jahr 2020 starten, ist eine gesetzlich­e Mindestver­gütung von 515 Euro monatlich festgelegt.

Und wenn das Geld nicht reicht?

Azubis in Teilzeit haben die Möglichkei­t, bei der Agentur für Arbeit zusätzlich­e Leistungen zu beantragen.

„Das kann je nach Fall zum Beispiel eine Berufsausb­ildungsbei­hilfe, Kindergeld oder etwa auch Wohngeld sein“, erklärt Gordienko. Wer finanziell­e Hilfe benötigt, sollte sich an die zuständige Agentur für Arbeit wenden. (dpa)

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Foto: Christin Klose/dpa Wenn der Betrieb zustimmt, können Azubis ihre Ausbildung auch in Teilzeit absolviere­n.
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Foto: BiBB/dpa Anette Fischer-Peters

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