Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Jede Menge leere Sitze
Nahverkehrsunternehmen verzeichnen hohe Einbußen – Neues Hilfspaket im Südwesten
BERLIN/STUTTGART - Halbvolle Busse und Züge – der Nahverkehr steckt durch Corona in der Krise. Während des ersten Lockdowns im April letzten Jahres war zeitweilig nicht einmal jeder fünfte Platz besetzt. Aktuell liegt die Auslastung zwischen 30 und 40 Prozent. Das reißt riesige Löcher in die Kassen der Nahverkehrsunternehmen.
2020 büßten sie 3,5 Milliarden Euro an Fahrgeldern ein. In diesem Jahr erwartet der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ein Defizit in gleicher Höhe. „Wir werden auch 2021 mit erheblichen Verlusten zu kämpfen haben“, sagt Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des VDV.
Immerhin müssen die Unternehmen die finanziellen Lasten der Krise nicht alleine tragen. Bund und Länder gaben fünf Milliarden Euro als Ausgleich der Einnahmeverluste. Davon sind jetzt noch 1,5 Milliarden Euro übrig, die vermutlich bis zum Ende des ersten Quartals reichen. Danach braucht der Nahverkehr weitere zwei Milliarden Euro. „Wir müssen mit der Politik zeitnah über einen erneuten Rettungsschirm sprechen“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann.
In Baden-Württtemberg hatte die grün-schwarze Landesregierung erst am Freitag ein zweites CoronaHilfspaket für den öffentlichen Nahverkehr geschnürt. Um die Einnahmeverluste der Unternehmen auszugleichen sind 115 Millionen Euro vorgesehen. Davon sind 65 Millionen Euro aus dem letzten Hilfspaket, das wegen höherer Bundeshilfen im vergangenen Jahr nicht ausgeschöpft wurde. Zusätzlich soll es wie schon nach dem ersten CoronaLockdown im Frühjahr eine erneute Erstattung der Elternbeiträge für die Schüler-Abos in Höhe von insgesamt 20 Millionen Euro geben.
Der Chef der Grünen-Landtagsfraktion, Andreas Schwarz, sagte: „Wir sind auf einen funktionierenden Öffentlichen Personennahverkehr angewiesen, egal ob es der Weg zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen oder in der Freizeit ist. Wir können es uns nicht leisten, unsere Busunternehmen zu verlieren. Wir brauchen sie für unsere Mobilität – und zur dringend notwendigen Mobilitätswende zum Schutz unseres Klimas.“CDU-Fraktionschef Wolfgang
Reinhart sagte: „Wir lassen auch im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs kein Unternehmen im Regen stehen. Mit diesen weiteren Unterstützungsleistungen will das Land mithelfen, dass Busse und Bahnen auch in der Corona-Krise weiter rollen.“
Denn trotz aller Einbußen wollen die Unternehmen Busse und Bahnen in nahezu vollem Umfang weiterfahren lassen. „Den Nachtbus oder den Discobus braucht man nicht“, erläutert VDV-Hauptgeschäftsführer Wolff. Doch ansonsten wird der Betrieb aufrecht erhalten.
Die Einnahmeverluste sind aber nicht das einzige Problem. Die Hygienemaßnahmen, etwa der Einbau von Trennscheiben in Bussen, häufigere Reinigungszyklen oder Kontrollen der Maskenpflicht kosten zusätzlich Geld. Der Verband ist allerdings zuversichtlich, dass sich die Lage gegen Ende des Jahres wieder normalisiert.
Weitere Einschränkung der Fahrten mit Bussen und Bahnen lehnt die Branche ab. Dazu gehört etwa ein Sprechverbot für die Fahrgäste. Statt dessen appelliert Wortmann an die Fahrgäste, nicht laut zu sprechen oder laut und maskenlos zu telefonieren. „Das ist unsere herzliche Bitte“, erklärt er. Auch sei es für das Personal nicht zu schaffen, die Auslastung der Fahrzeuge zu kontrollieren um übervolle Waggons zu vermeiden. Schließlich wird es Wortmann zufolge auch keinen Unterschied zwischen geimpften und nicht geimpften Kunden geben. „Wir befördern jeden“, versichert der VDV-Präsident. Dazu seien die Unternehmen gesetzlich verpflichtet.
Trotz der gesunkenen Einnahmen haben die Verkehrsunternehmen zusätzliches Personal eingestellt. Denn Busfahrer, Lokführer oder auch technisches Personal wird zunehmend gesucht. In diesem Jahrzehnt hört die Hälfte der rund 150 000 Beschäftigten aus Altersgründen auf, zu arbeiten. Allein bis 2025 müssen rund 50 000 Leute neu eingestellt werden, vor allem im Fahrdienst. Die Zahl der Bewerbungen hat im vergangenen Jahr zwar zugenommen, doch reicht dies noch lange nicht. Der Zuwachs an Busfahrerinnen und Busfahrern geht vor allem darauf zurück, dass Fahrer von Reisebussen in den Nahverkehr wechseln, dass das touristische Geschäft praktisch zum Erliegen gekommen ist.