Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ausgangssperre in Hotspots
Neue Regeln im Südwesten – Streit in Bayern
STUTTGART (dpa) - Baden-Württemberg will von Donnerstag an nächtliche Ausgangsbeschränkungen für regionale Corona-Hotspots ab einem Schwellenwert von 50 Infektionen pro 100 000 Einwohnern in einer Woche verhängen. Die Sperre soll zwischen 21 und 5 Uhr gelten.
Nach jüngsten Zahlen des Landesgesundheitsamts beträfe sie immer noch mehr als die Hälfte der 44 Stadt- und Landkreise. Dazu zählen derzeit die Kreise Sigmaringen, Alb-Donau, Bodensee, Ravensburg, Ulm und Tuttlingen.
Zuvor hatte der Verwaltungsgerichtshof die landesweite Ausgangssperre von 20 Uhr bis 5 Uhr gekippt. Zu der Umstellung auf eine regionale Lösung sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag in Stuttgart: „Wir hatten das ohnehin vor.“Der Grünen-Politiker sieht trotz sinkender Infektionszahlen keinen Grund zur Entwarnung.
Die neuen Mutationen des Virus verbreiteten sich schon stark, sagte Kretschmann. „Das bringt eine erhebliche Unsicherheit in die Planung rein.“Der Regierungschef verteidigte erneut die bundesweit schärfsten Regelungen am Abend und in der Nacht. Sie seien einer der Gründe, warum Baden-Württemberg bei den Fallzahlen am besten dastehe. Die sogenannte 7-Tage-Inzidenz lag landesweit bei 59,2.
Der Grünen-Politiker betonte, die Regelung werde auch eine gewisse Schwankung um den Schwellenwert 50 berücksichtigen, damit man bei kleineren Veränderungen nicht immer den Kurs ändern müsse. Im Entwurf des Gesundheitsministeriums heißt es dazu, die Ausgangsbeschränkung trete in Kraft, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz von 50 an drei Tagen in Folge überschritten und das zuständige Gesundheitsamt zugleich ein „diffuses Infektionsgeschehen“
feststelle – also wenn man einen Anstieg nicht genau zuordnen kann, etwa in einem Pflegeheim.
Im benachbarten Bundesland gibt es derweil Streit um die CoronaMaßnahmen. Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) – zusammen mit dem Kanzleramt – mit am stärksten auf der Bremse steht, was mögliche Öffnungsschritte und -zeitpunkte angeht, bekommt er Gegenwind aus der eigenen Partei und von der Opposition. „Harten Lockdown beenden – verantwortungsvolle Öffnungsstrategie jetzt!“steht über einem Papier, dass die CSU-Mittelstandsunion (MU) am Dienstag verschickte. Die Lockdown-Maßnahmen müssten „schnellstmöglich“abgestuft beendet werden, verlangte der Vorstand der MU um den Landtagsabgeordneten und früheren bayerischen Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer. CSU-Generalsekretär Markus Blume reagierte prompt: Pschierer irre, der Lockdown wirke. „Eine überstürzte Öffnung aller Bereiche wäre der direkte Weg zur dritten Welle und zum nächsten Lockdown“, warnte er.
In Bayern sinken die Corona-Zahlen beständig, der von Bund und Ländern einst angepeilte Zielwert von maximal 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen ist in Sichtweite. Die Erwartungen in der Bevölkerung für gewisse Öffnungen und Lockerungen sind deshalb hoch, insbesondere was Schulen und Kitas angeht.
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), gehört zu denjenigen, die aktuell am lautesten und am schnellsten Öffnungen auch im Handel fordern. Die LandtagsFDP droht indes offen mit einer Klage, sollte die Staatsregierung weiterhin an der nächtlichen Ausgangssperre festhalten.