Schwäbische Zeitung (Laupheim)
So wollen sie dem Einzelhandel helfen
Industrie- und Handelskammer diskutiert mit den Kandidaten aus dem Wahlkreis Biberach
BIBERACH - So funktioniert Wahlkampf in Zeiten der Corona-Pandemie: Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm hatte im Vorfeld der Landtagswahl am 14. März online in die IHK-Wahlarena eingeladen. So trafen sich am Montagabend die Kandidatinnen und Kandidaten des Wahlkreises Biberach im virtuellem Studio mit IHK-Vizepräsident Johannes Remmele und Moderator Marcel Wagner. Im Mittelpunkt standen drei Themenblöcke: Stadtund Regionalentwicklung, Technologie, Innovation und Digitalisierung und berufliche Bildung und Fachkräftesicherung. Robert Wiest (Grüne), Thomas Dörflinger (CDU), Bettina Weinrich (SPD), Volker Körner (AfD) und Hildegard Ostermeyer (FDP) stellten sich wichtigen Fragen der Zukunft.
Stadt- und Regionalentwicklung: Im Mittelpunkt stand die Entwicklung der Innenstädte und wie der Handel konkret unterstützt werden kann. Die Kandidatinnen und Kandidaten waren sich einig, dass aufgrund der Corona-Krise mehr Fördergelder fließen müssten, um die Händler in den Innenstädten zu stärken. Dabei spiele auch die Attraktivität der Innenstädte und die Anbindung des öffentlichen Nahverkehrs
(ÖPNV) eine entscheidende Rolle.
Robert Wiest setzt dabei auf hybride Geschäftsmodelle: „Wir müssen Amazon die Stirn bieten und im regionalen Handel künftig besser online aufgestellt sein“, so der GrünenKandidat. Eine Expertise vor Ort sei unverzichtbar, es müsse aber eine Mischung sein: „Die Menschen können sich im Internet anschauen, was es vor Ort zu kaufen gibt und dann trotzdem das Einkaufserlebnis haben.“Dafür müsse eine geeignete Plattform geschaffen werden, das Land müsse dafür sorgen, dass die Händler das nötige Know-how erhalten.
Dass Fördermittel des Landes nötig sind, sagte auch der aktuelle CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger. „Und auch die Überbrückungshilfen für die aktuell schwierige Zeit sind sehr wichtig.“Das Land habe bereits ein Programm aufgelegt, bei dem es sogenannte Innenstadtberater geben wird. Auch Dörfinger sieht die Digitalisierung im regionalen Einzelhandel als wichtig an, aber zuvor müssten „den kostenlosen Retourenquoten Einhalt geboten werden“. „Es kann nicht sein, dass man bei Zalando alles kostenlos zurückschicken kann“, so Dörflinger. Das schade dem stationären Einzelhandel.
Für Bettina Weinrich ist klar: „Den stationären Einzelhandel, wie wir ihn kennen, wird es möglicherweise in Zukunft so nicht mehr geben“, sagt die SPD-Kandidatin. „Klar, wird es immer einige Geschäfte geben, aber nicht mehr in diesem Umfang.“Das sei zwar traurig, aber dennoch müssten die Einzelhändler jetzt als Gemeinschaft zusammenstehen, um die schwierige Zeit zu überstehen.
Anders sieht das Volker Körner: „Ich sehe die Zukunft schon in den Innenstädten“, so der AfD-Kandidat. „Aber nicht jeder Einzelhändler soll für sich selbst kämpfen müssen.“Für ihn müsse eine „kleine Variante von Amazon“entstehen. „Es muss eine Mischung aus Einkaufserlebnis und Versand sein“, so Körner. „Die Kunden sollen die Wahl haben. Entweder sie nehmen die Ware gleich mit oder sie wird nach Hause geschickt.“
Auch für Hildegard Ostermeyer müssten die Innenstädte künftig so attraktiv gestaltet werden, dass die ganze Familien Lust hat, sie zu besuchen. „Dafür ist ein Mix aus Einzelhandel, Dienstleistern und einer attraktiven Gastronomie entscheidend“, so die FDP-Kandidatin. Es müsse flexiblere Öffnungszeiten geben – angepasst auf die Bedürfnisse der Verbraucher. Dabei sprach sie die Öffnung an Sonn- und Feiertagen an sowie die Einbindung von Kulturveranstaltungen.
Nachdem sich IHK-Vizepräsident Johannes Remmele die Aussagen angehört hatte, meldete er sich mit einem Fazit zu Wort: „Für mich war da jetzt noch wenig Konkretes dabei.“Da die Mieten in den Innenstädten sehr teuer seien, sehe er für ein „duales System“, also einen Laden zu betreiben und nebenher noch einen Onlineshop zu führen, keine Zukunft.
Robert Wiest (Grüne)
Technologie, Innovation und Digitalisierung: Konkret wurde es im nächsten Themenkomplex auch eher nicht. Auf die Frage des Moderators, welche entscheidenden Schritte die Kandidatinnen und Kandidaten einleiten würden, um die Lage vor Ort deutlich zu verbessern, stand ein Thema deutlich im
Mittelpunkt: der Breitbandausbau. „Dieser muss weiterhin stark gefördert werden“, sagte Robert Wiest. „Im ländlichen Raum hakt es da noch. Das liegt auch daran, dass viele Gemeinden selbst einspringen müssen.“Die Vergaben müssten schneller und unbürokratischer vonstattengehen. Beim Thema Technologie sieht Wiest das Land klar in der Verantwortung: „Es muss helfen, die Betriebe mit anderen Playern wie der Fernhochschule Riedlingen oder der Hochschule Biberach zu vernetzen.“
Beim Thema Handyempfang gibt es laut Thomas Dörflinger ebenfalls Nachholbedarf: „Im Landkreis Biberach hat man sehr häufig keinen Empfang.“Da er viel im Auto unterwegs sei, kenne er bereits alle Funklöcher. Dass es beim Breitbandausbau noch zu langsam vorangehe, kann Dörflinger bestätigen. Dass das Land aber nichts tue, sei nicht wahr: „Wir haben in dieser Legislaturperiode über eine Milliarde Euro in das Breitband investiert. Für die kommende Legislaturperiode wird die CDU – bei Regierungsbeteiligung – weitere 1,5 Milliarden Euro zum Ausbau in die Hand nehmen.“Davon bemerkt Bettina Weinrich noch wenig: „Geht es um die Digitalisierung, ist Deutschland ein völliges Entwicklungsland.“Den Breitbandausbau müsse man schleunigst vorantreiben, „die Unternehmen müssen wettbewerbsfähig bleiben“. Unterstützung und das Know-how sollen zusätzlich vom Land kommen. Unterstützung gibt es dabei von Johannes Remmele: „Wenn ich durch Polen fahre, habe ich ein besseres Netz als in der Region, das ist eine Unverschämtheit.“
Auf die Frage, welches die Jobs der Zukunft sind, hat Volker Körner eine klare Meinung: „Unsere Standbeine von heute werden weiterhin unsere Standbeine bleiben.“So lägen die Arbeitsplätze der Zukunft auch weiterhin in der Metall- und Autoindustrie wie auch bei den Pharmakonzernen.
Geht es um den Breitbandausbau, hat die FDP einen eigenen Plan: „Wir wollen ein Digitalisierungsministerium
einrichten“, sagt Hildegard Ostermeyer. Zudem solle so die Kommunikation mit den Betrieben vorangetrieben werden und auch der Wissenstransfer mit den Hochschulen.
Berufliche Bildung und Fachkräftesicherung: „Berufliche Fachkräfte werden nach der Krise definitiv fehlen“, sagte Johannes Remmele. Dabei sprach er das wichtige Fundament der dualen Ausbildung an: „Die müssen wir stärken und so in unsere Zukunft investieren.“Moderator Wagner fragte die Kandidatinnen und Kandidaten, wie sie junge Menschen motivieren wollen, eine duale Ausbildung zu wählen. Für Robert Wiest ist ganz klar, dass die Schülerpraktika wie Bogy und Bors auf jeden Fall verlängert werden sollten: „Eine Woche reicht nicht aus, um die Berufe kennenzulernen.“Generell müsse auch das Interesse für Mint-Studiengänge geweckt werden. Für Thomas Dörflinger steht fest, dass der „Akademisierungswahn“beendet werden muss: „Ansetzen müssen wir da bei den Entscheidern, und das sind meist die Eltern“, sagt er. Deshalb gebe es eine Elternkampagne im Land und auch die Ausbildungsbotschafter nehmen hier eine entscheidende Rolle ein.
„Die Ausbildung muss attraktiver gestaltet werden“, sagte Bettina Weinrich. „Die Schulen müssen mehr Werbung für eine Ausbildung machen und dabei stärker unterstützt und gefördert werden.“Für Volker Körner ist es dabei wichtig, die Grundschulempfehlung wieder einzuführen: „Es kann nicht sein, dass im Gymnasium mehr junge Leute sitzen als in allen anderen Schularten zusammen.“Dabei müsse auch die Hauptschule dringend aufgewertet werden, „denn die führt direkt zur Ausbildung“. So sieht das auch Hildegard Ostermeyer: „Die Grundschulempfehlung muss wieder eingeführt werden, da viele Schüler sonst in ihrer Schulart überfordert sind. Außerdem sollten die Grundschulen aufgewertet werden, da dort der größte Lehrermangel herrscht.“Die Erfahrungen in der Grundschule seien prägend für das spätere Leben der Kinder.
„Wir müssen Amazon die Stirn bieten und im regionalen Handel künftig besser online aufgestellt sein.“
„Geht es um die Digitalisierung, ist Deutschland ein völliges Entwicklungsland.“
Bettina Weinrich (SPD)