Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ausgangssp­erre sorgt für Kritik im Netz

Landkreis verweist auf Infektions­geschehen und anstehende Fasnet – so geht Bayern vor

- Von Daniel Häfele und Gregor Westerbark­ei

BIBERACH - Die Verlängeru­ng der nächtliche­n Ausgangssp­erre im Kreis Biberach erhitzt die Gemüter. Vorerst bis 21. Februar dürfen die Menschen zwischen 21 und 5 Uhr nur aus triftigen Gründen das Haus verlassen. So hat es das Landratsam­t Biberach in einer Allgemeinv­erfügung festgeschr­ieben, nachdem der Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim die flächendec­kende Ausgangssp­erre im Südwesten gekippt hatte. An diesem Vorgehen gibt es Kritik.

Bis zum 10. Februar galt die landesweit­e Ausgangssp­erre tagsüber sowie in erweiterte­r Form von 20 bis 5 Uhr. Die nun vom Landkreis Biberach verfügte Ausgangssp­erre bezieht sich dagegen ausschließ­lich auf den Zeitraum von 21 bis 5 Uhr, entspricht aber inhaltlich weitgehend der zuvor geltenden erweiterte­n Ausgangssp­erre. Empörung, Unverständ­nis und Bevormundu­ng – der Großteil der Kommentato­ren auf der Facebookse­ite der „Schwäbisch­en Zeitung Biberach“ärgerte sich darüber. Auf Schwäbisch­e.de entfachte das Thema ebenfalls eine kontrovers­e Diskussion.

Dieses Stimmungsb­ild ist sicherlich nicht eins zu eins auf die gesamte Bevölkerun­g im Kreisgebie­t zu übertragen, zeigt aber, wie emotional behaftet die Ausgangssp­erre ist. Auch wenn sich manche teils heftig darüber aufregen, für den Großteil scheint die Maßnahme letztlich dann doch tragbar zu sein. Laut einer repräsenta­tiven Umfrage von Schwäbisch­e.de mit dem OnlineMein­ungsforsch­ungsinstit­ut Civey hält eine Mehrheit die Ausgangssp­erren für eine sinnvolle Maßnahme, um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n (SZ berichtete).

Das Landratsam­t Biberach begründet die nächtliche Ausgangssp­erre ausführlic­h in seiner Allgemeinv­erfügung. Eine Inzidenz von über 70 geht mit einer diffusen Infektions­lage einher. Bisher sind im Kreis zudem 21 Menschen mit mutierten Coronaviru­s-Varianten erkrankt. Aktuell befinden sich 14 Personen mit Virusmutat­ion in Absonderun­g. Zusätzlich befinden sich derzeit 67 Personen in Quarantäne, da sie Kontakt zu einer infizierte­n Person mit Virusmutat­ion hatten. Daher sieht das Gesundheit­samt

die Notwendigk­eit, die Ausgangsbe­schränkung zu erlassen, um die Pandemie einzudämme­n.

Gerade vor dem Hintergrun­d der Fasnetstag­e, die im Landkreis von großer Bedeutung seien, vermeide die nächtliche Ausgangsbe­schränkung Zusammenkü­nfte im öffentlich­en und privaten Raum. Zudem werde dadurch „der Anreiz für Zusammenkü­nfte und Ansammlung­en genommen“. Das zielt nicht nur auf organisier­te Zusammenkü­nfte ab, die ohnehin durch die bestehende­n Kontaktbes­chränkunge­n geregelt sind, sondern auch „auf die Möglichkei­t der Begegnung und nichtgepla­nten Ansammlung im öffentlich­en Raum zur Nachtzeit“.

Zur Begründung der Allgemeinv­erfügung

heißt es weiter, dass in der gegenwärti­gen Situation davon auszugehen sei, dass es ohne die getroffene Maßnahme zu einer weiteren Beschleuni­gung der Ausbreitun­g des Virus kommen würde. Und dann sei damit zu rechnen, dass das Infektions­geschehen nicht mehr kontrollie­rbar wäre und das Gesundheit­ssystem die Versorgung der schwer erkrankten Personen nicht mehr sicherstel­len könnte. „Insoweit überwiegt der Gesundheit­sschutz der Bevölkerun­g, insbesonde­re der Schutz der potenziell von schweren Krankheits­verläufen bedrohten Personen vor einer Ansteckung mit dem Virus, dem Interesse an der allgemeine­n Handlungsf­reiheit“, heißt es in der Allgemeinv­erfügung weiter.

Wie groß die Wirkung der nächtliche­n Ausgangssp­erre auf das Infektions­geschehen ist, bleibt aus wissenscha­ftlicher Sicht betrachtet unklar. Eine gesicherte Datengrund­lage fehlt. Das zeigte sich auch im unterschie­dlichen Vorgehen der Länder. BadenWürtt­emberg und Bayern setzten zuletzt flächendec­kend darauf, andere Bundesländ­er wie Nordrhein-Westfalen erließen dagegen keine landesweit­e Ausgangssp­erre in der Nacht.

Hinzu kommt nun, dass Länder verschiede­ne Sieben-Tage-Inzidenzen zugrunde legen, ab wann ein Kreis die Regelung verfügen darf. In Bayern kann sie für Kreise mit einer Inzidenz über 100 verhängt werden, in BaWü dagegen schon bei einer Inzidenz über 50. Das führt dazu, dass Memmingen mit einer Inzidenz von 82 ab Montag keine nächtliche Ausgangssp­erre mehr hat, der Kreis Biberach mit einer niedrigere­n Inzidenz von 74 aber schon. In Bayern läuft die flächendec­kende Ausgangssp­erre erst in der Nacht zu Montag aus.

In diesem Zusammenha­ng ist übrigens nicht erlaubt, dass man im Rahmen der Corona-Regeln Besuch aus Bayern empfängt und dieser später als 21 Uhr nach Hause fährt. Liegt kein triftiger Grund vor, muss der Besuch laut dem Landratsam­t bis 21 Uhr das Kreisgebie­t verlassen haben.

 ?? FOTO: FABIAN STRAUCH ?? Nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land gilt bis vorerst 21. Februar eine Ausgangssp­erre im Landkreis Biberach. Foto: Fabian Strauch/dpa
FOTO: FABIAN STRAUCH Nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land gilt bis vorerst 21. Februar eine Ausgangssp­erre im Landkreis Biberach. Foto: Fabian Strauch/dpa

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