Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ausgangssperre sorgt für Kritik im Netz
Landkreis verweist auf Infektionsgeschehen und anstehende Fasnet – so geht Bayern vor
BIBERACH - Die Verlängerung der nächtlichen Ausgangssperre im Kreis Biberach erhitzt die Gemüter. Vorerst bis 21. Februar dürfen die Menschen zwischen 21 und 5 Uhr nur aus triftigen Gründen das Haus verlassen. So hat es das Landratsamt Biberach in einer Allgemeinverfügung festgeschrieben, nachdem der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim die flächendeckende Ausgangssperre im Südwesten gekippt hatte. An diesem Vorgehen gibt es Kritik.
Bis zum 10. Februar galt die landesweite Ausgangssperre tagsüber sowie in erweiterter Form von 20 bis 5 Uhr. Die nun vom Landkreis Biberach verfügte Ausgangssperre bezieht sich dagegen ausschließlich auf den Zeitraum von 21 bis 5 Uhr, entspricht aber inhaltlich weitgehend der zuvor geltenden erweiterten Ausgangssperre. Empörung, Unverständnis und Bevormundung – der Großteil der Kommentatoren auf der Facebookseite der „Schwäbischen Zeitung Biberach“ärgerte sich darüber. Auf Schwäbische.de entfachte das Thema ebenfalls eine kontroverse Diskussion.
Dieses Stimmungsbild ist sicherlich nicht eins zu eins auf die gesamte Bevölkerung im Kreisgebiet zu übertragen, zeigt aber, wie emotional behaftet die Ausgangssperre ist. Auch wenn sich manche teils heftig darüber aufregen, für den Großteil scheint die Maßnahme letztlich dann doch tragbar zu sein. Laut einer repräsentativen Umfrage von Schwäbische.de mit dem OnlineMeinungsforschungsinstitut Civey hält eine Mehrheit die Ausgangssperren für eine sinnvolle Maßnahme, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen (SZ berichtete).
Das Landratsamt Biberach begründet die nächtliche Ausgangssperre ausführlich in seiner Allgemeinverfügung. Eine Inzidenz von über 70 geht mit einer diffusen Infektionslage einher. Bisher sind im Kreis zudem 21 Menschen mit mutierten Coronavirus-Varianten erkrankt. Aktuell befinden sich 14 Personen mit Virusmutation in Absonderung. Zusätzlich befinden sich derzeit 67 Personen in Quarantäne, da sie Kontakt zu einer infizierten Person mit Virusmutation hatten. Daher sieht das Gesundheitsamt
die Notwendigkeit, die Ausgangsbeschränkung zu erlassen, um die Pandemie einzudämmen.
Gerade vor dem Hintergrund der Fasnetstage, die im Landkreis von großer Bedeutung seien, vermeide die nächtliche Ausgangsbeschränkung Zusammenkünfte im öffentlichen und privaten Raum. Zudem werde dadurch „der Anreiz für Zusammenkünfte und Ansammlungen genommen“. Das zielt nicht nur auf organisierte Zusammenkünfte ab, die ohnehin durch die bestehenden Kontaktbeschränkungen geregelt sind, sondern auch „auf die Möglichkeit der Begegnung und nichtgeplanten Ansammlung im öffentlichen Raum zur Nachtzeit“.
Zur Begründung der Allgemeinverfügung
heißt es weiter, dass in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass es ohne die getroffene Maßnahme zu einer weiteren Beschleunigung der Ausbreitung des Virus kommen würde. Und dann sei damit zu rechnen, dass das Infektionsgeschehen nicht mehr kontrollierbar wäre und das Gesundheitssystem die Versorgung der schwer erkrankten Personen nicht mehr sicherstellen könnte. „Insoweit überwiegt der Gesundheitsschutz der Bevölkerung, insbesondere der Schutz der potenziell von schweren Krankheitsverläufen bedrohten Personen vor einer Ansteckung mit dem Virus, dem Interesse an der allgemeinen Handlungsfreiheit“, heißt es in der Allgemeinverfügung weiter.
Wie groß die Wirkung der nächtlichen Ausgangssperre auf das Infektionsgeschehen ist, bleibt aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet unklar. Eine gesicherte Datengrundlage fehlt. Das zeigte sich auch im unterschiedlichen Vorgehen der Länder. BadenWürttemberg und Bayern setzten zuletzt flächendeckend darauf, andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen erließen dagegen keine landesweite Ausgangssperre in der Nacht.
Hinzu kommt nun, dass Länder verschiedene Sieben-Tage-Inzidenzen zugrunde legen, ab wann ein Kreis die Regelung verfügen darf. In Bayern kann sie für Kreise mit einer Inzidenz über 100 verhängt werden, in BaWü dagegen schon bei einer Inzidenz über 50. Das führt dazu, dass Memmingen mit einer Inzidenz von 82 ab Montag keine nächtliche Ausgangssperre mehr hat, der Kreis Biberach mit einer niedrigeren Inzidenz von 74 aber schon. In Bayern läuft die flächendeckende Ausgangssperre erst in der Nacht zu Montag aus.
In diesem Zusammenhang ist übrigens nicht erlaubt, dass man im Rahmen der Corona-Regeln Besuch aus Bayern empfängt und dieser später als 21 Uhr nach Hause fährt. Liegt kein triftiger Grund vor, muss der Besuch laut dem Landratsamt bis 21 Uhr das Kreisgebiet verlassen haben.