Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wie das Bier vom Hirsch online verkostet wird
Robert Neumaier zeigt, dass dem Schlosstrunk auch per Videoschalte sämtliche Geschmacksnoten zu entlocken sind
NEU-ULM - Der Vorbote des OnlineTreffens des Unternehmer-Zusammenschlusses Netzwerk Schwaben kam ganz real per Post: Ein massiver Pappkarton gefüllt mit fünf Bierflaschen, Bierstengeln, Grissini und zwei auf den ersten Blick rätselhaften Behältnissen. In einer Körner, in der anderen eine Praline. Ein gelernter Bier-Sommelier bringt des Rätsels Lösung.
Erst als Robert Neumaier sich zuschaltet, können die 38 zugeschalteten „Netzwerker“, sämtlich Unternehmer aus dem weiten Umkreis, aufgeklärt werden. All das dient dazu, um seinem selbst gebrauten Bier, dem Schlosstrunk, jede mögliche Geschmacksnuance zu entlocken. Neumaier muss ganz schön auf die Tube drücken, knappe zwölf Minuten hat ihm Organisator Guido Hunke vom Netzwerk Schwaben eingeräumt. In seinem Gasthaus in Attenhofen (Weißenhorn) dauert so ein Bierseminar Stunden.
Das Bier schnell in die Gläser eingeschenkt. Die Nase ist zuerst dran: Ein Hauch von Waldhonig steigt auf. „Hören Sie die Bienen?, fragt Neumaier und registriert noch ganz leicht Vanille. Sein Schlosstrunk sei etwas ganz Besonderes. Im Umkreis von über 150 Kilometern kenne er keinen anderen Brauer, der Emmer, eine uralte Weizensorte, die fast in Vergessenheit geraten sei, verwende.
Dann endlich: schlucken. Das sei bei einer Bierverkostung notwendig, weil hinten im Gaumen die Rezeptoren für Bitterstoffe sitzen. Der Bittergrad ist wichtig beim Bier. Bei einer Weinprobe hingegen gebe es die Spucknäpfe, weil sich beim Wein die Geschmacksvielfalt nur im vorderen Mundraum entfalte.
Weiter geht es mit den ominösen Körnern. Neumaier klärt auf: Das ist gebrannter Malz. Wie die Mandeln vom Weihnachtsmarkt in Zucker geröstet. Die Anleitung hierfür: Sofort nach dem Bier ein paar Körner in den Mund. „Mega“sagt Neumaier. „Ein bisschen wie ein Honigtoast.“Dann noch die Praline obendrauf. Was seltsam anmutet, funktioniert: Eine Geschmacksexplosion entfaltet sich im Mund. Malz, Bier und Schokolade beißt sich hintereinander genossen nicht. Nicht nur Neumaier ist begeistert. „Wenn ich vom Bier erzähle, bekomme ich immer Gänsehaut“, sagt der Brauer.
Mit im versendeten Genuss-Paket sind noch zwei Papiere, die angehenden Schnellkurs-“Biersommeliers“verdeutlichen sollen, wie groß die Geschmackswelt der Biere ist. Neumaier sieht es als seine Aufgabe, den
Bier-Horizont seiner Gäste durch neue Geschmackserlebnisse zu erweitern. „Es gibt kein gutes oder schlechtes Bier“, sagt der Attenhofer. Seine Passion ist es zu zeigen, dass Bier aber auch anders als gewohnt schmecken kann.
Würde es sich bei dieser Verkostung nicht um einen Online-Treff des Netzwerks Schwaben handeln, würde der Rest des Kartons verkostet: Von einem alkoholfreien Meckatzer, auch, um zu zeigen, dass Alkoholfreies von Natur aus immer anders schmeckt, bis hin zu einem „Hop Fusion“der angesagten Brauerei Camba: einem Feuerwerk der Hopfensorten Simco, Mosaic und Citra. Und Neumaier kriegt zum Abschluss nicht Bier in den Mund, sondern „Pippi in die Augen“, wenn er an einen Zwiebelrostbraten plus Schlosstrunk im Gasthaus denkt: „Hoffentlich ist der Lockdown bald vorbei.“
Das hofft auch Chefnetzwerker Hunke, der bei seinen nächsten Veranstaltungen lieber wieder ganz real seine Referenten begrüßen würde. Geplant sind etwa im April „Geschichten und Anekdoten aus 35 Jahren Fußball-Bundesliga“mit Markus Hörwick, ehemaliger Mediendirektor des FC Bayern München, im Juni soll Christoph Stoller, Geschäftsführer Teva Deutschland und Österreich, erzählen, bevor es im Juli wieder um Bier geht: Gold Ochsen präsentiert das Sommerfest in Burgrieden.