Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schnelles Internet in der Warteschleife
Beim Breitbandausbau kommt das Land mit der Förderung nicht hinterher
STUTTGART - Bund und Länder stecken Milliarden in die digitale Infrastruktur. Allein das Land BadenWürttemberg hat in den vergangenen fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro in den Breitbandausbau investiert. Das ist ein Rekordwert – und trotzdem nicht genug. Immer mehr Kommunen im Südwesten klagen, dass die Fördergelder des Landes nicht fließen. Woran liegt das? Und was hat es für Konsequenzen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wieso wird der Breitbandausbau in Deutschland überhaupt gefördert?
Das „Turbo-Internet für alle“hat sich der Bund zum Ziel gesetzt. Konkret heißt das: Bis Ende 2025 soll ganz Deutschland über schnelle Gigabit-Netze (1000 Mbit/s) versorgt sein. Eigentlich ist es Aufgabe von privaten Telekommunikationsunternehmen, die Bevölkerung mit der erforderlichen Infrastruktur zu versorgen. Das Problem: In eher dünn besiedelten Gebieten lohnt sich das für die Unternehmen oft nicht. Hier setzt das Förderprogramm an. Eine Förderung gibt es nur, wenn ohne eine staatliche Unterstützung der Breitbandausbau eines Gebietes nicht zustande kommt.
Wie funktioniert das Förderprogramm in Baden-Württemberg?
Ist ein Projekt förderfähig, übernimmt der Bund 50 Prozent der Kosten, das Land Baden-Württemberg legt noch einmal 40 Prozent obendrauf. Beim Bau von FTTB-Netzen (fibre to the building; also Netze, bei denen die Verlegung der Glasfaserkabel bis in die Gebäude erfolgt) werden so 90 Prozent der förderfähigen Kosten übernommen. Die Kommunen tragen die restlichen zehn Prozent.
Was ist das Problem?
Die Landesmittel reichen nicht aus. „Insbesondere aufgrund der erheblichen Kostensteigerungen im Tiefbau ergaben sich zwischenzeitlich wesentlich höhere Kosten für den Breitbandausbau. Wir sprechen hier von satten Preissteigerungen, die zwischen 30 und bis zu 100 Prozent betragen“, heißt es aus dem Innenministerium. Auf Anfrage verweist eine Sprecherin darauf, dass die meisten Anträge, die beim Bund gestellt werden, aus Baden-Württemberg kommen. Die große Anzahl an Förderanträgen und die sich stetig verbessernde Versorgungslage im Land zeige, dass sich die Förderung bewähre. „Gleichzeitig stellen uns die zahlreichen Anträge und die von fast allen Kommunen in Baden-Württemberg ergriffene Möglichkeit der Breitbandförderung vor andere Schwierigkeiten“, so die Sprecherin weiter. Während das Geld aus Berlin also fließt, lagen dem Land zum 1. Februar offene Anträge mit einer Summe von rund 440 Millionen Euro vor – 270 Millionen Euro mehr als der Doppelhaushalt 2020/2021 vorsieht. Betroffen sind davon rund 180 Anträge an rund 135 Investitionsorten, darunter etwa die Gemeinden Eberhardzell und Rot an der Rot im Landkreis Biberach oder auch Kißlegg, Amtzell, Aulendorf und Bad Wurzach im Landkreis Ravensburg.
Was hat das für Konsequenzen?
Vielerorts ist der Breitbandausbau vorerst gestoppt. „Allein der Landkreis Ravensburg wartet aktuell auf rund 150 Millionen Euro vom Land“, sagt etwa Oliver Spieß, Bürgermeister in Fronreute und Vorsitzender des Zweckverbands Breitbandausbau Ravensburg. Manche Kommunen haben auch ohne Förderzusage des Landes mit der Planung begonnen. Andere, vor allem die, in denen es um größere Summen geht, warten lieber auf das Geld des Landes, erklärt Spieß und rechnet vor: „In Bad Wurzach zum Beispiel belaufen sich die Kosten in Summe auf 57 Millionen Euro. Der Anteil des Landes beträgt also rund 22 Millionen Euro. Bei so einem großen Projekt betragen allein die Planungskosten fünf Millionen Euro. Viele Kommunen wollen nicht riskieren, am Ende doch auf einem Teil der Kosten sitzen zu bleiben.“
Spieß geht davon aus, dass das Land von der Menge an Anträgen überrascht wurde. „Das Förderprogramm ist attraktiv, der Breitbandausbau ist den Kommunen extrem wichtig. Für uns war klar, dass es da um große Dimensionen geht. Aber das Land hat das aus meiner Sicht einfach unterschätzt“, sagt er.
Heftigere Kritik kommt von der FDP. „Die Landesregierung hat von Beginn der Legislaturperiode an keine Ahnung gehabt, welche Finanzmittel für den Breitbandausbau wirklich zur Verfügung gestellt werden“, schimpft etwa der Sprecher für Digitalisierung der FDP-Fraktion, Daniel Karrais.
Wie steuert das Land nach?
Innenminister Strobl hätte gerne 500 Millionen Euro nachgeschoben, um alle Anträge zur Schließung der weißen Flecken in dieser Legislaturperiode bewilligen zu können. Doch offenbar sitzt das Geld angesichts neuer Schulden nicht mehr so locker. „Mit der Corona-Krise haben sich die Rahmenbedingungen geändert“, heißt es aus dem Innenministerium. Immerhin 48,5 Millionen Euro hat das Land im vergangenen Jahr zusätzlich bereitgestellt. Davon profitierten unter anderem die Städte Sigmaringen, Ehingen und Bad Schussenried. Im laufenden Jahr sollen nochmal 52 Millionen dazukommen. Dass Kommunen den Breitbandausbau nicht vorantreiben können, weil sie auf Landesmittel warten, glaubt man im Innenministerium ohnehin nicht. „Grundsätzlich ist zu sagen, dass nach derzeitiger Einschätzung noch keine Auswirkungen auf den Fortschritt des Breitbandausbaus im Land zu erwarten sind“, sagt eine Sprecherin. Dies hänge auch damit zusammen, dass sich aktuell zahlreiche bereits bewilligte Ausbauprojekte am Anfang oder mitten in der Umsetzung befinden und damit erforderliche Tiefbaukapazitäten binden. Spieß vom Zweckverband Breitbandausbau Ravensburg widerspricht jedoch: „Nach unserer Einschätzung hätte der Tiefbau genügend freie Kapazitäten.“
Wie geht es weiter?
Mindestens 1,5 Milliarden Euro werden Schätzungen des Innenministeriums zufolge für den vollständigen FTTB-Ausbau in Baden-Württemberg noch benötigt. Nach der Landtagswahl wird das Aufgabe der neuen Landesregierung sein. In ihren Wahlprogrammen kündigen alle Parteien an, den Breitbandausbau voranzutreiben. Die CDU verspricht, die erforderlichen 1,5 Milliarden bereitzustellen. Die SPD gibt an, bis 2030 alle Regionen und Bürger im Land mit schnellem Internet von mindestens 100 Mbit pro Sekunde auszustatten. Die FDP verspricht gar „eine neue Definition des schnellen Internets“zu schaffen. Die Grünen wollen für eine „flächendeckende exzellente Breitbandinfrastruktur“sorgen. Die AfD fordert den landesweiten Breitbandausbau mit Glasfaser in jedes Haus. „Kein Dorf darf digital abgehängt werden“, schreibt auch die Linke.