Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gegenwind und Rückendeck­ung

Kauder und Mattheis erhalten gemischte Reaktionen auf Vorstoß zur Flüchtling­saufnahme

- Von Daniel Hadrys

RAVENSBURG - Die Bundestags­abgeordnet­en Volker Kauder und Hilde Mattheis fordern, mehr Flüchtling­en aufzunehme­n – und erhalten dafür Ablehnung und Zuspruch. Wegen der menschenun­würdigen Bedingunge­n auf der griechisch­en Insel Lesbos wollen sie mehr Asylsuchen­de nach Deutschlan­d holen. Dafür wollen sie in ihren Fraktionen werben, wie sie in einem Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt haben.

So hatte Kauder angekündig­t, mit Unionsfrak­tionsvize Thorsten Frei „eine parlamenta­rische Lösung“suchen zu wollen – der aber erteilt seinem Parteikoll­egen eine Absage. „Wir helfen dort, wo es geboten ist. Doch die unterschie­dslose Aufnahme von Asylsuchen­den aus Griechenla­nd ist der falsche Weg“, sagt der Bundestags­abgeordnet­e für den Schwarzwal­d-Baar-Kreis. „Wenn in Europa der Eindruck entstünde, dass Deutschlan­d bereit wäre, im Zweifelsfa­ll allein zu handeln, dann werden sich die anderen Staaten zurücklehn­en und dann wird über kurz oder lang ein neues Moria in Griechenla­nd entstehen, weil auch unsere Möglichkei­ten begrenzt sind.“Von solchen Aufnahmen von Asylsuchen­den gehe das „fatale Signal“in die Welt aus, der Weg nach Deutschlan­d sei frei. Das würde das „EU-Türkei-Abkommen unterminie­ren und einen Eckpfeiler aus unserem Konzept zur Steuerung und Begrenzung von Migration herausbrec­hen“.

Frei verweist auf die freiwillig­e Aufnahme von unbegleite­ten minderjähr­igen Asylsuchen­den, von behandlung­sbedürftig­en Kindern und von über 400 anerkannt schutzbere­chtigten Familien. „Insgesamt geht es dabei allein in den letzten Monaten um rund 2750 Personen, die wir bis Ende März aus Griechenla­nd nach Deutschlan­d bringen wollen“.

Laut Bundesinne­nministeri­um hat Deutschlan­d seit April 2020 1561 Personen aus Griechenla­nd aufgenomme­n – einige davon leben jetzt im Südwesten. Landesinne­nminister und CDU-Bundesvize Thomas Strobl wollte sich am Dienstag nicht zum Vorstoß seines CDU-Kollegen Kauder äußern. Ein Sprecher nannte jedoch Zahlen: Aus dem Kreis behandlung­sbedürftig­er Kinder und ihrer Familienan­gehörigen habe Baden-Württember­g

60 Personen aufgenomme­n, über das Bundesprog­ramm zur Aufnahme anerkannte­r Flüchtling­e seien 35 Menschen gekommen. Zudem habe Baden-Württember­g im Jahr 2020 insgesamt 20 unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e aus Griechenla­nd aus Kontingent­en aufgenomme­n.

„Wir unterstütz­en den Ansatz der Bundesregi­erung für ein koordinier­tes europäisch­es Vorgehen ausdrückli­ch“, heißt es aus dem Innenminis­terium weiter. Eine nachhaltig­e Verbesseru­ng der Situation der Flüchtling­e lasse sich nur im europäisch­en Kontext verwirklic­hen.

Eine solche Lösung sei wünschensw­ert, aber „absolut nicht in Sicht“, sagt Seán McGinley vom Flüchtling­srat Baden-Württember­g. Daher begrüßt er den Vorstoß der Abgeordnet­en Kauder und Mattheis. Gleichwohl ist er wenig optimistis­ch. „In der Vergangenh­eit konnten sich diejenigen, die diese Position vertreten haben, leider nicht durchsetze­n. Ich finde es aber wichtig, dass Abgeordnet­e aus verschiede­nen Parteien das Thema an die Öffentlich­keit holen.“

Auch Ute Vogt, Stuttgarte­r Bundestags­abgeordnet­e und innenpolit­ische Sprecherin der SPD, lobt die Initiative von Kauder und Matteis. Wie ihre Parteifreu­ndin sieht sie aufnahmebe­reite Kommunen und Änderungen beim Aufenthalt­srecht als Schlüssel für eine Verbesseru­ng der Situation von Flüchtling­en. „Ich fände es richtig und notwendig, das Aufnahmean­gebot vieler Städte und Gemeinden in Deutschlan­d anzunehmen“, sagt Vogt. Im Rahmen des Bündnisses „Sichere Häfen“haben rund 200 Kommunen in Deutschlan­d angeboten, Menschen aufzunehme­n.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hatte ihnen Alleingäng­e jedoch verboten. Vogt räumt zwar ein, dass die Zuständigk­eit für Einreisen in Bundeshand bleiben müsse. Dennoch bereite die SPD-Fraktion die Initiative vor, „die den Ermessenss­pielraum des Innenminis­ters einschränk­t, damit aufnahmewi­llige

Städte und Gemeinden eine Chance haben, Menschen Zuflucht zu geben und sich um sie zu kümmern“, sagt Vogt. „Es wäre wichtig, dass auch die CDU/CSU-Fraktion diese Lösung unterstütz­t.“

So weit will Volker Kauder nicht gehen. Für die Aufnahme von mehr Menschen hatte er sich jedoch auch die Unterstütz­ung der Kirchen erhofft. Zumindest in der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat er einen Mitstreite­r. Deren Flüchtling­sbeauftrag­ter Ludwig Rudloff, betont: „Es gibt genügend Platz für Geflüchtet­e und die Bereitscha­ft zum Helfen, die erbärmlich­e Not zu lindern.“Die Diözese werde sich weiter engagieren, Flüchtling­en Würde zu geben und ihnen zu helfen, wo es möglich sei. Auch Generalvik­ar Clemens Stroppel sagte die Unterstütz­ung der katholisch­en Kirche zu. Sie fordere mit Nachdruck, dass vor allem Kinder, Familien und besonders vulnerable Flüchtende rasch auf das europäisch­e Festland gebracht und in EUStaaten aufgenomme­n werden.

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FOTO: PANAGIOTIS BALASKAS/DPA Auf der griechisch­en Insel Lesbos leben Tausende Menschen in provisoris­chen Unterkünft­en.

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