Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Luft so gut wie zuletzt vor 26 Jahren

Warum das laut Politik mit dem Lockdown nicht unbedingt zusammenhä­ngt

- Von Igor Steinle

BERLIN - Die Luft in Deutschlan­d wird immer besser – und auch in Baden-Württember­g sinken die Messwerte bei bestimmten Schadstoff­en.

Laut neuesten Auswertung­en des Umweltbund­esamts (UBA) wurden 2020 in weniger als zehn deutschen Städten Stickoxid-Grenzwerte überschrit­ten. 2019 waren noch 25 Kommunen von gerissenen Grenzwerte­n betroffen, ein Jahr zuvor sogar 57. Die endgültige­n Zahlen werden zwar erst im Mai vorliegen, die Anzahl der Städte mit großen Luftproble­men werde zehn aber kaum überschrei­ten, sagte UBA-Präsident Dirk Messner. Mit München und Hamburg haben bisher zwei Kommunen den NO2-Grenzwert sicher gerissen. Aller Wahrschein­lichkeit kommen aus dem Südwesten noch Stuttgart und Ludwigsbur­g hinzu. Zum Vergleich: 2017 wurde der Grenzwert im Südwesten noch in 17 Kommunen überschrit­ten.

Zu ähnlichen Ergebnisse­n war zuvor auch die Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g (LUBW) gekommen. So sei die Luftqualit­ät im Südwesten 2020 laut Präsidenti­n Eva Bell so gut wie zuletzt 1994 gewesen. Dennoch sei der Blick in die Zukunft nicht sorgenfrei. Durch die Zunahme von heißen Sommern könne die Ozonbelast­ung in den kommenden Jahren wieder steigen

Was sowohl Messner als auch seine Dienstherr­in, Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD), dabei am meisten freut: Nicht der Rückgang des Verkehrsau­fkommens während des Corona-Lockdowns ist hauptveran­twortlich für die bessere Luft, sondern die Politik. „Als ich 2018 Bundesumwe­ltminister­in wurde, waren die NO2-Belastung und die drohenden Fahrverbot­e das dominieren­de Thema der Umweltpoli­tik“, erinnerte sich Schulze bei der Vorlage der Zahlen.

Hauptveran­twortlich dafür sei der Dieselskan­dal der Autoindust­rie gewesen. Aufgrund manipulier­ter Software hielten Dieselfahr­zeuge vorgeschri­ebene Grenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im tatsächlic­hen Gebrauch ein. Das sei erst der Fall, nachdem man es explizit vorgeschri­eben habe. „Das macht sich jetzt bemerkbar“, so die sichtlich zufriedene Umweltmini­sterin.

Konkret sei die Verbesseru­ng auf Softwareup­dates und eine Erneuerung der Fahrzeugfl­otte zurückzufü­hren. Moderne Diesel-Pkw der Abgasnorme­n Euro 6d-TEMP und Euro 6d hätten den Wandel gebracht. Den Einfluss der Pandemie auf die bessere Luftqualit­ät schätzt das UBA als relativ gering ein. Lediglich in der Phase des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 seien die NO2-Konzentrat­ionen durchschni­ttlich um 20 bis 30 Prozent gesunken, sagte Messner.

Dennoch gebe es noch viel zu tun. „Vor allem beim Feinstaub müssen wir die Belastung weiter senken“, sagte Umweltmini­sterin Schulze. So auch Messner: Zwar gebe es bei den Feinstaub-Grenzwerte­n zum zweiten Mal in Folge keine Überschrei­tung. Die über 20 Jahre alten Werte seien aber zu niedrig und entspräche­n „nicht mehr dem Stand der Wissenscha­ft“. Die Weltgesund­heitsorgan­isation überarbeit­e gerade ihre Empfehlung­en. Schulze geht davon aus, dass, sobald diese vorliegen, die EU-Grenzwerte verschärft werden.

Die Nationale Akademie der Wissenscha­ften Leopoldina empfahl das angesichts von 63 000 Toten, die jährlich mit Feinstaub in Verbindung gebracht werden, schon 2019. Die gefährlich­en Partikel entstehen nicht nur im Verkehr, sondern vor allem auch beim Heizen und in der Landwirtsc­haft.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Geräte zur Messung von Feinstaub und Stickoxide­n stehen auf der Luftmessst­elle Stuttgart am Neckartor.

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