Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Einen angepassten Impfstoff entwickeln“
Thomas Mertens zum Verdacht, Astra-Zeneca sei bei Südafrika-Mutante wirkungslos
RAVENSBURG - Die Mutationen des Coronavirus breiten sich immer weiter aus. Virologe Professor Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, ob die bislang zugelassenen Corona-Impfstoffe auch bei Mutationen aus Großbritannien, und Südafrika wirkungsvoll sind.
Die Europäische ArzneimittelAgentur (EMA) prüft den mRNAImpfstoff des Tübinger Herstellers Curevac. Was wissen wir über die Wirksamkeit dieses Impfstoffs?
Am 12. Februar 2021 wurde das sogenannte „rollende Zulassungsverfahren“bei der EMA begonnen. Das bedeutet, dass Curevac fortlaufend neue Studiendaten zur Prüfung einreichen kann. Der von Curevac entwickelte mRNA Impfstoff ähnelt denen von Biontech und Moderna. Curevac hat die bereits vorhandenen Untersuchungsergebnisse eingereicht, die vor der Anwendung am Menschen erzielt wurden. Die im Tierversuch ermittelte Schutzwirkung vor Infektion der Lunge war sehr gut. Es wurde mittlerweile eine Phase-I-Studie am Menschen durchgeführt. Diese diente vor allem dazu die richtige Dosis zu finden, erste Daten zur Sicherheit zu gewinnen und die Quantität und Qualität der Immunantwort im Labor zu bestimmen. Diese Daten wurden auch in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht und geben Anlass zur Hoffnung auf eine sehr gute Wirksamkeit und Sicherheit. Die auch für die Zulassung entscheidende PhaseIII-Studie läuft seit Mitte Dezember in vier europäischen Ländern, in Mexiko und fünf südamerikanischen Ländern. Ergebnisse sind noch nicht bekannt. Erst wenn diese Ergebnisse vorliegen, kann die Prüfung durch die EMA abgeschlossen werden. Realistisch halte ich eine Zulassung frühestens im zweiten Quartal 2021 für denkbar. Die Hoffnung auf gute Schutzwirkung vor Erkrankung ist berechtigt groß. Es wird bereits Impfstoff produziert. Die Lagerung ist für einige Wochen bei Kühlschranktemperatur möglich, was eine Verimpfung auch in Hausarztpraxen sehr erleichtern würde.
Wie lang kann solch ein Schnellprüfverfahren dauern?
Das „Schnellprüfverfahren“bezieht sich auf den Ablauf der Prüfung, aber nicht auf die erforderlichen Daten. Also hängt die Dauer auch hier vom Zeitpunkt der Einreichung der letzten Daten ab. Deren Prüfung kann dann in zwei bis vier Wochen abgeschlossen werden.
Welche möglichen Unterschiede beim Schutz vor Mutationen gibt es zwischen einem mRNA- und einem Vektorimpfstoff wie jenem von Astra-Zeneca?
Um den Schutz zu beurteilen, nutzt man zwei verschiedene Ansätze. Zunächst testet man im Labor antikörperhaltige Seren von Menschen, die sich im vergangenen Frühjahr mit Sars-CoV-2 infiziert hatten oder die geimpft worden sind, auf die Fähigkeit die neuen Mutanten zu neutralisieren. Zum Vergleich testet man diese Seren auch gegen das „alte“Virus aus dem vergangenen Frühjahr. Als drittes führt man den Test mit Seren durch, die von Menschen stammen, die sich mit neuen Varianten infiziert haben. Damit hat man alle wichtigen Informationen zum Vergleich.
Man hat herausgefunden, dass Seren von geimpften Menschen die neuen Varianten quantitativ schlechter neutralisieren können. Bei der „britischen Mutante“war dieser Unterschied nicht allzu groß. Die Mutante aus Südafrika – die sich leider derzeit in Tirol verbreitet – war der Verlust an Neutralisationskapazität bei Seren von Menschen, die mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff geimpft waren, deutlich größer. Über die Schutzwirkung der Impfung kann man damit aber noch nichts sicheres aussagen.
Der entscheidende Ansatz ist, genau zu ermitteln, ob geimpfte Menschen nach Infektion mit der Mutante noch erkranken. Leider besteht jetzt in Südafrika der Verdacht, dass tatsächlich der Astra-Zeneca-Impfstoff nicht mehr sicher vor Erkrankung schützt, wenn sich Menschen mit der Südafrika-Mutante infiziert haben. Die Daten zu diesem Befund sind noch nicht vollständig verfügbar, sollen aber umgehend veröffentlicht werden.
Bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass die drei zugelassenen Impfstoffe gegen die britische Mutante, die es auch bereits bei uns gibt, nicht mehr ausreichend wirksam sind. Astra-Zeneca hat bereits angekündigt, dass sie einen angepassten Impfstoff entwickeln wollen, der im Herbst zur Verfügung stehen soll. Auch Biontech und Moderna arbeiten an der „Aktualisierung“ihrer jeweiligen Impfstoffe. Dies ist bei mRNA-Impfstoffen technisch besonders leicht möglich.
Der eigentliche Unterschied zwischen der Wirksamkeit der verschiedenen Impfstoffe kann darin bestehen, dass sie unterschiedliche Antikörper und/oder unterschiedliche Mengen hervorrufen.