Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Lohnt sich 5G schon?

Der neue Mobilfunks­tandard ist schnell – Der Netzausbau steht jedoch erst am Anfang

- Von Till Simon Nagel

BERLIN/BONN (dpa) - Das ging schnell: 35 Apps über mobile Daten aktualisie­rt in unter einer Minute. Das geht – mit 5G. Bis zu einem Gigabit pro Sekunde und extrem schnelle Reaktionsz­eiten verspricht die neue Funktechni­k. Immer mehr Antennen werden jede Woche aktiviert und die Mobilfunka­nbieter rühren die Werbetromm­el. Zwischen 20 und 40 Euro kosten die Einsteiger­tarife mit Schnellfah­rspur. Reine LTE-Tarife – auch ziemlich schnell – sind zum Teil deutlich billiger.

Die Frage also: Lohnt der Umstieg auf 5G?

„Ich bezeichne 5G momentan noch als Marketing“, sagt Thorsten Neuhetzki. Der Mobilfunke­xperte beim Technikmag­azin „inside digital“sieht in den nächsten ein bis zwei Jahren noch keinen großen Nutzen für private 5G-Tarife, weil der Netzausbau erst am Anfang steht.

5G ist nicht gleich 5G

Bislang gibt es nämlich erst wenige echte 5G-Antennen, sagt Neuhetzki. Ein Großteil dessen, was die Mobilfunka­nbieter momentan 5G nennen, läuft über 4G- und 3G-Antennen und die dahinter liegende Infrastruk­tur. Schnell ist die Verbindung trotzdem, nur eben noch weit davon entfernt, was 5G am Ende leisten kann. Hinzu kommt: Nicht jedes als 5G-fähig verkaufte Smartphone kommt mit der aktuellen Technik aus LTE-Ankerzelle und 5G-Turbo klar, sagt Neuhetzki. Sein Urteil: „Für den ganz normalen Privatkund­en sehe ich bisher wenig Mehrwert durch 5G.“Momentan sei den meisten Nutzern mit einem gut ausgebaute­n LTE-Netz besser gedient. Schaden könne 5G aber auch nicht. „Der große Vorteil ist: Im 5G-Netz ist man bislang recht alleine.“Und je weniger Nutzer, desto schneller surft der Einzelne.

Jetzt schon gute Gründe für 5G finden vor allem Menschen in den großen Städten. Hier ist das Netz teils schon gut ausgebaut, man profitiert von schnellen Downloads und Reaktionsz­eiten. „Bei Vodafone beStädte, kommt man manchmal in schlecht ausgebaute­n ländlichen Gebieten schon anständige­s 5G“, hat Neuhetzki festgestel­lt.

Karten zeigen 5G-Versorgung

Wie gut die 5G-Verbindung vor Ort ist, zeigen die Ausbaukart­en der drei Netzanbiet­er Telekom, Vodafone und Telefónica (O2). Aber hier lohnt der Blick ins Detail. Ob es 5G vor Ort gibt, kann man etwa auf der Netzausbau­karte der Telekom per Klick auf die eigene Adresse sehen. BerlinPren­zlauer Berg bekommt theoretisc­h etwa bis zu einem Gigabit pro Sekunde (MBit/s) per 5G, in der Praxis sind es eher 300 MBit/s. In der NRW-Mittelstad­t Erkrath gibt es an manchen Stellen „nur“75 MBit/s via 5G. Das ist deutlich langsamer, als ein gut ausgebaute­s LTE-Netz. Wenn man überhaupt 5G bekommt – die Deutschlan­dkarte hat noch ziemlich viele Lücken.

Am besten sieht es noch bei der Telekom aus. Hier werden etliche dichter besiedelte Gebiete und größere Verkehrswe­ge als versorgt ausgewiese­n. Doch je weiter man in die Karte zoomt, desto mehr weiße Flecken tauchen auf. Ähnlich ist es beim Mitbewerbe­r Vodafone: Netzabdeck­ung in Städten und viele weiße Flecken in der Fläche.

Telefónica ist noch nicht ganz so weit. Hier wird auf der Webseite das Ziel angegeben, bis Ende 2021 „große Teile von Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt“mit 5G zu versorgen. 1&1 Drillisch, der vierte Anbieter mit 5G-Lizenzen, wird noch mit dem Aufbau eines eigenen Netzes beginnen. Bis dahin wird die Mobilfunk-Infrastruk­tur von Telefónica genutzt. Und auch später sollen Kunden von 1&1 Drillisch an unversorgt­en Stellen ins Telefónica­Netz ausweichen.

Das Netz wächst

Fragt man bei der Bundesnetz­agentur (BNetzA) nach dem Ausbaustan­d, hört man, dass das deutsche 5G-Netz auf einem ganz guten Weg sei. Zumindest gemessen an der Ausbaugesc­hwindigkei­t vorheriger Standards wie UMTS (3G) und LTE (4G) gehe es bei 5G schon deutlich schneller.

Parallel geht auch der Ausbau des LTE-Netzes weiter. Welche Technik die Netzanbiet­er für den Ausbau und das Erfüllen der BNetzA-Auflagen nutzen, bleibt dabei ihnen überlassen. Bis Ende 2022 müssen sie nach Angaben der BNetzA zum Beispiel die Hauptverke­hrswege in Deutschlan­d und 98 Prozent der Haushalte mit einer Bandbreite von 100 Megabit pro Sekunde (100 MBit/s) versorgen.

Ende 2024 sollen alle übrigen Bundesstra­ßen mit mindestens 100 MBit/s sowie alle Landes- und Staatsstra­ßen, die Seehäfen und wichtigste­n Wasserstra­ßen und alle übrigen Schienenwe­ge mit mindestens 50 MBit/s versorgt werden. Das kann mit LTE geschehen oder eben mit 5G-Technik.

 ?? FOTO: TILL SIMON NAGEL/DPA ?? Ziemlich flott, aber nicht wirklich schneller als ein gutes LTE-Netz: Mit 280 Megabit pro Sekunde ist die 5G-Antenne im Herzen von Berlin-Prenzlauer Berg allerdings schnell genug für so ziemlich alles, was man mit einem Smartphone so anstellen kann.
FOTO: TILL SIMON NAGEL/DPA Ziemlich flott, aber nicht wirklich schneller als ein gutes LTE-Netz: Mit 280 Megabit pro Sekunde ist die 5G-Antenne im Herzen von Berlin-Prenzlauer Berg allerdings schnell genug für so ziemlich alles, was man mit einem Smartphone so anstellen kann.

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