Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Am Tropf der Wirte
Die geschlossene Gastronomie macht Familienbrauereien im Südwesten zu schaffen – Mehr Umsatz mit Flaschenbier
Das gleiche Bild bei der HirschBrauerei in Wurmlingen im Landkreis Tuttlingen. Geschäftsführer Hubert Hepfer sagt: „Wir haben zwar deutliche Zuwächse beim Verkauf von Flaschenbier, das kann unsere Verluste beim Fassbier für den Gastro-Sektor aber nicht ausgleichen.“38 Prozent weniger Bier in Fässern hat die Brauerei 2020 verkaufen können. Demgegenüber stieg der Verkauf von Flaschenbier an Privatpersonen in Supermärkten oder Getränkemärkten um mehr als 20 Prozent an. „Uns fehlt nicht nur das Geschäft in der Gastronomie“, sagt Hepfer. Es würden auch Feste wegfallen, für die Hirsch zum Beispiel Ausstattung vermiete. Getränkeautomaten in Firmen setzten durch Homeoffice auch weniger um. Noch habe auch die Hirschbrauerei aber kein Bier weggeschüttet.
Die gleiche Entwicklung beobachtet auch Michael Leibinger, Geschäftsführer der Ravensburger Brauerein Max Leibinger. „Wir haben etwa 23 Prozent weniger Bier abgegeben“, sagt er. Leibinger habe allerdings das Tourismusgeschäft am Bodensee geholfen. „Da ist viel saisonabhängig, und im vergangenen Sommer waren die Wirtschaften am See auf und haben auch gut verkauft“, erklärt Leibinger. Wie stark die Umsatzeinbußen eine Brauerei treffen, das komme immer auf den Anteil an, den die Brauerei im Gastrogeschäft mache, erklärt Leibinger. Seine Brauerei mache etwa ein Drittel des Geschäfts in diesem Sektor, davon sei im vergangenen Jahr ein Drittel weggebrochen. Leibinger hofft ebenfalls verhindern zu können, dass Bier im Abfluss landet. „Wir möchten aus dem ablaufenden Bier einen Bierbrand machen, so müssen wir es nicht einfach wegkippen“, sagt er.
Auch Leibinger und Hirsch nehmen Bier von den Gastronomen zurück. Hirsch-Geschäftsführer Hepfer sagt: „Wir sehen uns in der Pflicht die Gastro-Strukturen in der Region zu fördern.“Man wolle sich mit den Wirten an einen Tisch setzen und überlegen, wie man sich gegenseitig helfen könne.
Der baden-württembergische Brauerbund blickt auf die Entwicklung mit großer Sorge – vor allem die unsicheren Aussichten beunruhigen den Verband. Wann die Gasthöfe und Kneipen öffnen, ist unklar, ob Feste wie das Ravensburger Rutenfest, das Biberacher Schützenfest, der Tuttlinger Honberg-Sommer oder die Ulm Schwörwoche stattfinden, noch viel unklarer. „Für die kleinen Betriebe ist das Fassbier vor allem deshalb wichtig, weil hier die Gewinnmarge deutlich höher ist als beim Flaschenbier“, sagt Sprecher Denni Föll – und das verkaufen die Brauereien an die Gastronomie und auf Volksfesten. Wenn die Pandemie noch länger dauert, könnten also nach der Gastronomie auch die Familienbrauereien in erste Schwierigkeiten kommen.