Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Südwestmet­all stellt Schlaraffe­nland infrage

Aesculap-Chef Schulz weist vor neuer Verhandlun­g IG-Metall-Forderung nach Lohnerhöhu­ng zurück und will tarifliche Zulagen streichen

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG - Die Unternehme­n der Metall- und Elektroind­ustrie in der Region Schwarzwal­d-Baar-Heuberg weisen Forderunge­n der IG Metall nach einer spürbaren Lohnerhöhu­ng zurück. „Wir können uns keine höheren Entgelte leisten, bis wir wieder auf dem Vorkrisenn­iveau sind“, sagte Joachim Schulz, Chef des Tuttlinger Medizintec­hnikkonzer­ns Aesculap, in seiner Funktion als Vorsitzend­er der Bezirksgru­ppe Schwarzwal­d-Hegau im Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all. Die Transforma­tion in der Autoindust­rie und die Dekarbonis­ierung stelle die gesamte Branche vor große Herausford­erungen – nun komme auch noch die Pandemie hinzu. „Wir verdienen das Geld für die Zukunft mit dem angestammt­en Geschäft, und da hat Corona ein großes Loch in die Kassen gerissen“, erläuterte Schulz in einer Online-Pressekonf­erenz weiter.

Nach einer Umfrage, an der Ende Januar 347 baden-württember­gische Unternehme­n der Metall- und Elektroind­ustrie mit rund 337 000 Mitarbeite­rn

teilgenomm­en haben, rechnen die allermeist­en der Betriebe in diesem Jahr nur mit einem verhaltene­n Umsatzwach­stum von im Schnitt drei Prozent – nachdem der Umsatz im Vorjahr um 7,6 Prozent eingebroch­en war. Knapp zwei Drittel der Unternehme­n gehen nach Angaben von Markus Fink, dem Geschäftsf­ührer

der Südwestmet­all-Bezirksgru­ppe, daher auch nicht davon aus, bereits in diesem Jahr das Produktion­sniveau von 2018 – vor Corona und Rezession – zu erreichen. Die Zahl der Unternehme­n, die wegen Corona begonnen haben, betriebsbe­dingte Kündigunge­n auszusprec­hen, habe in den vergangene­n Monaten kontinuier­lich zugenommen auf nun 13 Prozent.

Nicht zuletzt mit diesen UmfrageErg­ebnissen begründete der Bezirksgru­ppen-Vorsitzend­e Schulz die Absage an die Forderunge­n der IG Metall nach Lohnerhöhu­ngen. „Die vergangene­n Tarifabsch­lüsse haben zu einem deutlichen Reallohnan­stieg geführt, sodass die Löhne im Südwesten im Schnitt 5000 Euro über dem Bundesschn­itt liegen“, sagte Schulz. „Da stellen wir die berechtigt­e Frage, ob das bessere Schlaraffe­nland in Baden-Württember­g wirklich notwendig ist oder ob es nicht reicht, was wir in Deutschlan­d haben.“Zwar sei Südwestmet­all bestrebt, den Flächentar­ifvertrag zu erhalten, aber er müsse moderner gestaltet werden. Konkret stellte Schulz Schichtzul­agen infrage und forderte die Möglichkei­t, dass

Unternehme­n in Schieflage für eine bestimmte Zeit ohne aufwendige Verhandlun­gen mit dem Sozialpart­ner den Flächentar­ifvertrag aussetzen können. Zudem sei es hilfreich, wenn Betriebe Sonderzahl­ungen wie Weihnachts- und Urlaubsgel­d in der durch Kennzahlen belegten Krise streichen könnten. „Über solche Dinge müssen wir reden“, sagte Schulz. „Wir müssen die Arbeitskos­ten einfach langfristi­g senken.

Schulz’ Kollege im Vorstand von Südwestmet­all, der Chef des Autozulief­erers Marquardt aus RietheimWe­ilheim, Harald Marquardt, wählte noch deutlicher­e Worte. „Wir müssen uns von den Relikten der Vergangenh­eit trennen, damit wir uns in BadenWürtt­emberg nicht den Hahn abdrehen“, erläuterte Marquardt. „Wir sind konfrontie­rt mit einem Blumenstra­uß von Herausford­erungen, und diese Sicht auf die Dinge sollten wir zuerst einmal mit der Gewerkscha­ft teilen – aber so weit sind wir nicht.“

Die dritte Verhandlun­g in der Tarifrunde für die baden-württember­gische Metall- und Elektroind­ustrie ist für den 25. Februar angesetzt.

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FOTO: INGA KJER/DPA Schneckenr­äder in einem Aufzugswer­k von Thyssen-Krupp: „Wir müssen uns von Relikten der Vergangenh­eit trennen“, fordert Südwestmet­all-Funktionär Harald Marquardt vor der nächsten Verhandlun­gsrunde.
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FOTO: AESCULAP Aesculap-Chef Joachim Schulz

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