Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Südwestmetall stellt Schlaraffenland infrage
Aesculap-Chef Schulz weist vor neuer Verhandlung IG-Metall-Forderung nach Lohnerhöhung zurück und will tarifliche Zulagen streichen
RAVENSBURG - Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg weisen Forderungen der IG Metall nach einer spürbaren Lohnerhöhung zurück. „Wir können uns keine höheren Entgelte leisten, bis wir wieder auf dem Vorkrisenniveau sind“, sagte Joachim Schulz, Chef des Tuttlinger Medizintechnikkonzerns Aesculap, in seiner Funktion als Vorsitzender der Bezirksgruppe Schwarzwald-Hegau im Arbeitgeberverband Südwestmetall. Die Transformation in der Autoindustrie und die Dekarbonisierung stelle die gesamte Branche vor große Herausforderungen – nun komme auch noch die Pandemie hinzu. „Wir verdienen das Geld für die Zukunft mit dem angestammten Geschäft, und da hat Corona ein großes Loch in die Kassen gerissen“, erläuterte Schulz in einer Online-Pressekonferenz weiter.
Nach einer Umfrage, an der Ende Januar 347 baden-württembergische Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie mit rund 337 000 Mitarbeitern
teilgenommen haben, rechnen die allermeisten der Betriebe in diesem Jahr nur mit einem verhaltenen Umsatzwachstum von im Schnitt drei Prozent – nachdem der Umsatz im Vorjahr um 7,6 Prozent eingebrochen war. Knapp zwei Drittel der Unternehmen gehen nach Angaben von Markus Fink, dem Geschäftsführer
der Südwestmetall-Bezirksgruppe, daher auch nicht davon aus, bereits in diesem Jahr das Produktionsniveau von 2018 – vor Corona und Rezession – zu erreichen. Die Zahl der Unternehmen, die wegen Corona begonnen haben, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, habe in den vergangenen Monaten kontinuierlich zugenommen auf nun 13 Prozent.
Nicht zuletzt mit diesen UmfrageErgebnissen begründete der Bezirksgruppen-Vorsitzende Schulz die Absage an die Forderungen der IG Metall nach Lohnerhöhungen. „Die vergangenen Tarifabschlüsse haben zu einem deutlichen Reallohnanstieg geführt, sodass die Löhne im Südwesten im Schnitt 5000 Euro über dem Bundesschnitt liegen“, sagte Schulz. „Da stellen wir die berechtigte Frage, ob das bessere Schlaraffenland in Baden-Württemberg wirklich notwendig ist oder ob es nicht reicht, was wir in Deutschland haben.“Zwar sei Südwestmetall bestrebt, den Flächentarifvertrag zu erhalten, aber er müsse moderner gestaltet werden. Konkret stellte Schulz Schichtzulagen infrage und forderte die Möglichkeit, dass
Unternehmen in Schieflage für eine bestimmte Zeit ohne aufwendige Verhandlungen mit dem Sozialpartner den Flächentarifvertrag aussetzen können. Zudem sei es hilfreich, wenn Betriebe Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld in der durch Kennzahlen belegten Krise streichen könnten. „Über solche Dinge müssen wir reden“, sagte Schulz. „Wir müssen die Arbeitskosten einfach langfristig senken.
Schulz’ Kollege im Vorstand von Südwestmetall, der Chef des Autozulieferers Marquardt aus RietheimWeilheim, Harald Marquardt, wählte noch deutlichere Worte. „Wir müssen uns von den Relikten der Vergangenheit trennen, damit wir uns in BadenWürttemberg nicht den Hahn abdrehen“, erläuterte Marquardt. „Wir sind konfrontiert mit einem Blumenstrauß von Herausforderungen, und diese Sicht auf die Dinge sollten wir zuerst einmal mit der Gewerkschaft teilen – aber so weit sind wir nicht.“
Die dritte Verhandlung in der Tarifrunde für die baden-württembergische Metall- und Elektroindustrie ist für den 25. Februar angesetzt.