Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Im Auge des Corona-Frusts

Polizei hat die Sorge, sich im Dienst zu infizieren – die Kripo darf ins Homeoffice

- Von Carolin Eckenfels

FRANKFURT (dpa) - Kein Notruf nach einer Kneipensch­lägerei, weniger Anzeigen wegen Wohnungsei­nbrüchen und Ladendiebs­tählen. Dafür werden Polizisten zu Corona-Regelverst­ößen gerufen, haben es mit Betrügern zu tun oder sorgen sich nach körpernahe­n Einsätzen um ihre Gesundheit. Pandemie und Lockdown haben in der täglichen Polizeiarb­eit ihre Spuren hinterlass­en.

Zum Dienstallt­ag gehören derzeit natürlich auch Masken, Hygienereg­eln und Co. Klar sei dabei: „Die Gefahrenab­wehr und Strafverfo­lgung wird nicht aufgrund von Infektions­schutzmaßn­ahmen eingestell­t“, heißt es etwa aus dem Polizeiprä­sidium in Frankfurt. Durchsuchu­ngen, Festnahmen, Zeugenbefr­agungen gebe es selbstvers­tändlich weiter. „Aber immer unter Berücksich­tigung der geltenden Hygiene- und Schutzmaßn­ahmen“, sagt Sprecher Thomas Hollerbach. Das gelte insbesonde­re auch für Beamte im Streifendi­enst, die nicht im Büro bleiben könnten. „Sie werden auf der Straße gebraucht.“

Dort wartet manch ungewohnte Herausford­erung: Der Lockdown hat dazu geführt, dass im Bahnhofsvi­ertel von Hessens größter Stadt weniger Berufspend­ler, Flaneure und Besucher unterwegs sind – was die Arbeit der dort verdeckt arbeitende­n Drogenermi­ttler erschwere. Denn sie könnten nicht mehr so leicht in der Masse untertauch­en wie sonst.

Einige Polizisten haben derzeit die Möglichkei­t, bei entspreche­nder ITSicherhe­it von zu Hause aus zu arbeiten. Kriminalbe­amte etwa. So berichtet Agata Koch vom Polizeiprä­sidium in Gießen: „Die Kriminalpo­lizei kann anders als die Streifenpo­lizei auch Homeoffice machen.“Das sei darstellba­r, da die Kripo 60, 70 Prozent ihrer Tätigkeit im Büro verbringe, sagt die Kriminalha­uptkommiss­arin, die unter anderem zu Wohnungsei­nbruchdieb­stählen ermittelt. Derzeit beobachte man in dem Bereich einen Rückgang der Fallzahlen. Klar sei: Wird ein Einbruch gemeldet, fahre die Polizei auch weiterhin zum Tatort. „Es geht ja auch um Spurensich­erung.“

Dem Bundeskrim­inalamt (BKA) in Wiesbaden zufolge hat die Pandemie verschiede­ne Auswirkung­en auf das Kriminalit­ätsgescheh­en. „In Deutschlan­d ist neben einem leichten Kriminalit­ätsrückgan­g in einigen Deliktfeld­ern zu beobachten, dass auch Kriminelle ihre Vorgehensw­eisen an die aktuellen Rahmenbedi­ngungen anpassen“, berichtet eine Sprecherin. Ein rückläufig­er Trend der Fallzahlen sei etwa bei Eigentums- und Gewaltdeli­kten feststellb­ar. Bundesweit­e, belastbare Zahlen für das Jahr 2020 lägen allerdings noch nicht vor.

„Vor allem während der Lockdown-Phasen hat sich die Bevölkerun­g weitestgeh­end zu Hause aufgehalte­n, sodass sich die Tatgelegen­heiten beispielsw­eise für Wohnungsei­nbruchdieb­stahl, aber auch für Ladenund Taschendie­bstahl deutlich verringert haben.“Insbesonde­re bei Betrugsdel­ikten und verschiede­nen Formen von Cybercrime sei zu beobachten, „dass die Narrative bekannter Modi Operandi, die auf das Informatio­nsbedürfni­s und finanziell­e Notlagen der Bevölkerun­g abzielen, an die aktuelle Ausnahmesi­tuation angepasst werden“. Heißt zum Beispiel, dass sich ein Trickbetrü­ger nun als Impfarzt ausgibt. Das BKA bemerkte außerdem mehr Fälle von Widerstand gegen Polizeibea­mte sowie Verstöße gegen das Infektions­schutzgese­tz.

Polizisten bekommen immer wieder den Corona-Frust ab, wie Dietmar Schilff sagt, der stellvertr­etende Bundesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP). Viele Kollegen hätten zudem die Sorge, sich im Dienst mit dem Coronaviru­s zu infizieren. Nach anfänglich­en Schwierigk­eiten könne man nun zwar grundsätzl­ich sagen, dass die Beamten ausreichen­d mit Schutzausr­üstung ausgestatt­et seien. „Aber das Problem ist das Einschreit­en im täglichen Dienst.“

Es gebe nun einmal Situatione­n, bei denen der nötige Abstand nicht eingehalte­n werden könne, sagt Schilff. Etwa bei Einsätzen bei häuslicher Gewalt. Oder bei jenen Demos, in deren Verlauf es zu Konfrontat­ionen komme. „Da wird dann auch mal an der Maske gezogen und die Maske verrutscht.“Daher fordere die Gewerkscha­ft: Wenn es zu einer Infektion während eines Einsatzes komme, solle dies als Dienstunfa­ll anerkannt werden.

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FOTO: PAUL ZINKEN/DPA Helm, Visier und Mundschutz: das Outfit von Polizisten 2021.

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