Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Im Auge des Corona-Frusts
Polizei hat die Sorge, sich im Dienst zu infizieren – die Kripo darf ins Homeoffice
FRANKFURT (dpa) - Kein Notruf nach einer Kneipenschlägerei, weniger Anzeigen wegen Wohnungseinbrüchen und Ladendiebstählen. Dafür werden Polizisten zu Corona-Regelverstößen gerufen, haben es mit Betrügern zu tun oder sorgen sich nach körpernahen Einsätzen um ihre Gesundheit. Pandemie und Lockdown haben in der täglichen Polizeiarbeit ihre Spuren hinterlassen.
Zum Dienstalltag gehören derzeit natürlich auch Masken, Hygieneregeln und Co. Klar sei dabei: „Die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wird nicht aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen eingestellt“, heißt es etwa aus dem Polizeipräsidium in Frankfurt. Durchsuchungen, Festnahmen, Zeugenbefragungen gebe es selbstverständlich weiter. „Aber immer unter Berücksichtigung der geltenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen“, sagt Sprecher Thomas Hollerbach. Das gelte insbesondere auch für Beamte im Streifendienst, die nicht im Büro bleiben könnten. „Sie werden auf der Straße gebraucht.“
Dort wartet manch ungewohnte Herausforderung: Der Lockdown hat dazu geführt, dass im Bahnhofsviertel von Hessens größter Stadt weniger Berufspendler, Flaneure und Besucher unterwegs sind – was die Arbeit der dort verdeckt arbeitenden Drogenermittler erschwere. Denn sie könnten nicht mehr so leicht in der Masse untertauchen wie sonst.
Einige Polizisten haben derzeit die Möglichkeit, bei entsprechender ITSicherheit von zu Hause aus zu arbeiten. Kriminalbeamte etwa. So berichtet Agata Koch vom Polizeipräsidium in Gießen: „Die Kriminalpolizei kann anders als die Streifenpolizei auch Homeoffice machen.“Das sei darstellbar, da die Kripo 60, 70 Prozent ihrer Tätigkeit im Büro verbringe, sagt die Kriminalhauptkommissarin, die unter anderem zu Wohnungseinbruchdiebstählen ermittelt. Derzeit beobachte man in dem Bereich einen Rückgang der Fallzahlen. Klar sei: Wird ein Einbruch gemeldet, fahre die Polizei auch weiterhin zum Tatort. „Es geht ja auch um Spurensicherung.“
Dem Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden zufolge hat die Pandemie verschiedene Auswirkungen auf das Kriminalitätsgeschehen. „In Deutschland ist neben einem leichten Kriminalitätsrückgang in einigen Deliktfeldern zu beobachten, dass auch Kriminelle ihre Vorgehensweisen an die aktuellen Rahmenbedingungen anpassen“, berichtet eine Sprecherin. Ein rückläufiger Trend der Fallzahlen sei etwa bei Eigentums- und Gewaltdelikten feststellbar. Bundesweite, belastbare Zahlen für das Jahr 2020 lägen allerdings noch nicht vor.
„Vor allem während der Lockdown-Phasen hat sich die Bevölkerung weitestgehend zu Hause aufgehalten, sodass sich die Tatgelegenheiten beispielsweise für Wohnungseinbruchdiebstahl, aber auch für Ladenund Taschendiebstahl deutlich verringert haben.“Insbesondere bei Betrugsdelikten und verschiedenen Formen von Cybercrime sei zu beobachten, „dass die Narrative bekannter Modi Operandi, die auf das Informationsbedürfnis und finanzielle Notlagen der Bevölkerung abzielen, an die aktuelle Ausnahmesituation angepasst werden“. Heißt zum Beispiel, dass sich ein Trickbetrüger nun als Impfarzt ausgibt. Das BKA bemerkte außerdem mehr Fälle von Widerstand gegen Polizeibeamte sowie Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz.
Polizisten bekommen immer wieder den Corona-Frust ab, wie Dietmar Schilff sagt, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Viele Kollegen hätten zudem die Sorge, sich im Dienst mit dem Coronavirus zu infizieren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten könne man nun zwar grundsätzlich sagen, dass die Beamten ausreichend mit Schutzausrüstung ausgestattet seien. „Aber das Problem ist das Einschreiten im täglichen Dienst.“
Es gebe nun einmal Situationen, bei denen der nötige Abstand nicht eingehalten werden könne, sagt Schilff. Etwa bei Einsätzen bei häuslicher Gewalt. Oder bei jenen Demos, in deren Verlauf es zu Konfrontationen komme. „Da wird dann auch mal an der Maske gezogen und die Maske verrutscht.“Daher fordere die Gewerkschaft: Wenn es zu einer Infektion während eines Einsatzes komme, solle dies als Dienstunfall anerkannt werden.