Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Waldläufer von Oppenau vor mildem Urteil

Gericht geht bei dem 32-Jährigen von einem minderschw­eren Fall der Geiselnahm­e aus

- Von Violetta Heise

OFFENBURG (dpa) - Hunderte Polizisten durchkämme­n den Schwarzwal­d, Hubschraub­er kreisen, Hundestaff­eln sind unterwegs: Wer die Bilder des massiven Einsatzes gegen den „Waldläufer von Oppenau“noch im Kopf hat, mag über das Strafmaß etwas erstaunt sein, das nun in seinem Fall im Raum steht. Die Staatsanwa­ltschaft hat gegen Yves R. vor dem Landgerich­t Offenburg drei Jahre und neun Monate Haft gefordert – wegen Geiselnahm­e im minderschw­eren Fall und anderer Delikte. Entscheide­nd bei der Bewertung des Falls sei nicht die medienwirk­same Fahndung gewesen, sagte Staatsanwä­ltin Raffaela Sinz. „Entscheide­nd ist, was sich tatsächlic­h zugetragen hat.“

Und darüber herrschte vor Gericht weitgehend Einigkeit, weil R. ein Geständnis abgelegt hat, das sich in den großen Linien mit den Zeugenauss­agen deckt. Am Freitag soll das Urteil gegen den 32-Jährigen fallen. Neben Geiselnahm­e werden ihm auch tätliche Angriffe gegen Vollstreck­ungsbeamte und Verstöße gegen das Waffengese­tz vorgeworfe­n.

Rückblick: Am 12. Juli 2020 kontrollie­ren vier Polizisten eine Gartenhütt­e an einem waldigen Steilhang oberhalb des Schwarzwal­d-Städtchens Oppenau. Der Besitzer des Häuschens hatte dort den schlafende­n R. gesehen – und diverse Waffen. Die Durchsuchu­ng gerät außer Kontrolle: R. richtet eine Schrecksch­usswaffe, die aussieht wie eine echte Pistole, auf einen der Beamten und erreicht so, dass alle Polizisten ihre Waffen ablegen und sich entfernen. R. selbst flieht mit den Pistolen in den Wald. Erst fünf Tage später wird er in einem Gebüsch nahe Oppenau gestellt, wobei er einen SEK-Beamten mit einem Beil am Fuß verletzt.

Es sei eine eher untypische Geiselnahm­e gewesen, sagte Staatsanwä­ltin Sinz zur Erklärung, warum es sich aus ihrer Sicht um einen minderschw­eren Fall handele. Für R. spreche zudem, dass er früh ein Geständnis abgelegt und sich im Verfahren entschuldi­gt habe. Während der Kontrolle in der Hütte habe sich der vorbestraf­te R. absolut überforder­t gefühlt, er habe eine erneute Haft gefürchtet. Statt planvoll habe er in einer Kurzschlus­sreaktion gehandelt. Gegen ihn sprächen aber unter anderem die vielen Vorstrafen.

Gar keine Geiselnahm­e sehen die Anwälte von Yves R. Der Tatbestand sei nicht erfüllt, sagte Verteidige­rin Melanie Mast. R. habe nie vorgehabt, sich der Beamten zu ermächtige­n. „Was sollte er auch mit den Beamten im Wald?“Ihr Mandant sei „unverhofft in die Situation geschlitte­rt“.

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FOTO: AFP Der Angeklagte Yves R.

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