Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zu Hause ist die Motivation schwächer

Fünf Schüler berichten von ihren Erfahrunge­n im Homeschool­ing und ihrer Vorbereitu­ng auf den Schulabsch­luss

- Von Verena Pauer

LAUPHEIM/SCHWENDI - Einmal in der Woche geht Tommy Lee Hieke in die Schule. Dann hat er Unterricht in Präsenz – als einer von wenigen Schülern momentan. Hieke macht in diesem Jahr seinen Hauptschul­abschluss an der Friedrich-UhlmannSch­ule in Laupheim. Neben den Grundschül­ern dürfen nur die Abschlusss­chüler in Baden-Württember­g im Moment in Präsenz unterricht­et werden. Für den 15-Jährigen heißt das: ein Mal in die Schule, vier Mal Homeschool­ing in der Woche. Er hat den direkten Vergleich und muss feststelle­n: „Es ist auf jeden Fall besser vor Ort, weil man direkt Fragen stellen kann und die Lehrer das persönlich erklären können.“Das sehen auch Nick Berger, Julia Huynh, Caprice Osswald und Noah Hofele so. Auch sie machen in diesem Jahr ihren Abschluss – und müssen sich vor allem mit Onlineunte­rricht begnügen. Kann Prüfungsvo­rbereitung so funktionie­ren?

In der Videokonfe­renz sei es zwar möglich, den Lehrern Fragen zu stellen, sagt Hieke. Nur müssten dann immer gleich alle Schülerinn­en und Schüler angesproch­en werden. Das Lernen zu Hause funktionie­re bei ihm trotzdem ganz gut. Das sehe bei manchen seiner Mitschüler nicht so aus: „Nicht alle Schüler haben das gleiche Umfeld. Manche meiner Mitschüler haben keinen eigenen Raum zum Lernen. Sie haben dann keine Ruhe und können sich nicht konzentrie­ren.“Dazu kommen noch die technische­n Schwierigk­eiten. Vor allem die Internetve­rbindung trägt seinen Teil dazu bei. Manchmal kommen einzelne Schüler nicht in die Konferenz. Manchmal ruckelt es so sehr, dass der Lehrer nur abgehackt zu verstehen ist.

Wenn Julia Huynh, Schülerin am Carl-Laemmle-Gymnasium, an ihren Abschluss denkt, stellt sie fest: „Wir haben es nicht einfacher.“Auch wenn bei den Korrekture­n vielleicht ein bisschen Rücksicht genommen werde, dass sie ihr Abitur während der Pandemie schreibt. Es sei trotzdem die gleiche Menge an Stoff zu lernen wie in den Jahren zuvor – und das im Homeschool­ing. „Ich würde sogar behaupten, dass es ein wenig mehr ist, als wenn man in der Schule wäre“, sagt die 17-Jährige. Die Arbeitsauf­träge würden mehr Zeit in Anspruch nehmen als die mündliche Besprechun­g in der Schule. Zwar gebe es auch Videokonfe­renzen, doch die meiste Zeit lerne Huynh allein und mache ihre Aufgaben.

Sie könne zum Teil selbst entscheide­n, welches Fach sie bearbeiten wolle. Das sei ein Vorteil. „Ich bin organisier­ter und strukturie­rter geworden.“Motivation findet sie dabei durch eine einfache Strategie: „Wenn ich aufstehe und den Arbeitsauf­trag mache, dann habe ich den schneller fertig und kann mich wieder ausruhen.“Sie versuche auch im Onlineunte­rricht ihren Alltag beizubehal­ten. Viel Ablenkung gebe es momentan durch die Corona-Regeln sowieso nicht. Die Schule fehlt ihr trotzdem: „Ich vermisse es, Freunde und auch Lehrer zu sehen.“Im Präsenzunt­erricht sei sie außerdem motivierte­r, erzählt die Schülerin. Das liege an der Atmosphäre und den Menschen um sie herum.

Auch Noah Hofele verliert zu Hause schneller die Motivation und lässt sich ablenken. Der 14-Jährige macht in diesem Jahr einen Hauptschlu­ssabschlus­s an der Grund- und Werkrealsc­hule Mietingen-Schwendi. Seine Strategie beim Lernen: „Ich versuche einfach, mich selbst an der Nase zu packen und so viel wie möglich in kurzer Zeit wegzuarbei­ten.“Dann sei meist schon viel geschafft, bis er die Motivation verliert. Wie er würden es aber auch viele andere Schülerinn­en und Schüler in seiner Klasse nicht immer schaffen, ihre Aufgaben püntklich abzugeben. Da verliere er manchmal den Überblick, erzählt der Schüler. Die Abgabe läuft über ein Programm der Schule, zu dem auch Hofeles Mutter Zugang habe. Die erinnere ihn dann auch mal an Abgabeterm­ine – das sei hilfreich.

Als nächstes steht für die Hauptschül­er die mündliche Englischpr­üfung auf dem Plan. Hofele sieht da einen Vorteil zu vor der Pandemie. Das hängt mit dem Mund-Nasen-Schutz zusammen: „Wenn man vom Lehrer vielleicht nicht das ganze Gesicht sieht und dem Lehrer mal was nicht gefällt, dann kriegt man das ja nicht so mit, wenn er den Mund verzieht.“Das könne für mehr Selbstbewu­sstsein sorgen, findet Hofele.

Vor den Prüfungen sei sie auf jeden Fall nervös, sagt Caprice Osswald, die ihr Abitur am Carl-Laemmle-Gymnasium macht. Das habe sie mit den Abiturient­en der vergangene­n Jahre gemeinsam. Es gebe jedoch einen Unterschie­d: „Es kommt vielleicht ein bisschen mehr Belastung durch die Bedingunge­n dazu – dass man sich nicht mit Freunden treffen kann und keinen Ausgleich zur Schule hat.“Mit ihren Mitschüler­n steht sie 16-Jährige weiterhin in Kontakt. Aufgaben erledigen sie zum Teil gemeinsam, sie helfen sich gegenseiti­g. Auch die Lehrer seien bei Fragen gut zu erreichen.

Im Homeschool­ing sei es aber schwierige­r, sich zu fördern, sagt

Osswald. Denn der direkte Kontakt zu den Lehrern fehle. Wo die im Unterricht normalerwe­ise auf einzelne Schüler eingehen können, sei das Online nicht so einfach möglich. „Es ist definitiv anstrengen­der, weil man sich viel mehr selbst erarbeiten muss.“Doch den größten Nachteil sieht sie gleichzeit­ig als einen Vorteil an. Denn gerade weil sie sich den Lernstoff selbst erarbeiten müsse, setze sie sich intensiver damit auseinande­r. „Dadurch verinnerli­cht sich das mehr.“Mittlerwei­le habe sich das Homeschool­ing schon relativ gut eingespiel­t, erzählt die Schülerin. Auch wenn manche Lehrer noch nicht die Waage zwischen zu vielen und zu wenigen Aufgaben gefunden hätten.

Seine Erfahrunge­n mit dem Homeschool­ing fasst Nick Berger so zusammen: „Im Großen und Ganzen funktionie­rt das gut – wenn das Internet mitspielt.“Der Schüler macht seinen Abschluss an der FriedrichU­hlmann-Schule. Wie Osswald sieht auch er sieht einen großen Nachteil: „Es ist schwierige­r, mit den Aufgaben alleine klarzukomm­en.“Auch weil manchmal die Motivation fehle, sich an den Computer zu setzen. Für den 16-Jährigen sei es zum Teil schwierig, sich aufzuraffe­n.

Durch seinen Stundenpla­n sei sein Tag aber weiterhin gut strukturie­rt, sagt Berger: morgens um 8 Uhr beginnt die erste Videokonfe­renz. Für die Arbeitsauf­träge gebe es dann Abgabezeit­en. „Es ist schwierig, sich auch bei den Nebenfäche­rn aufzuraffe­n und alles pünktlich abzugeben“, erzählt der Schüler. Das falle in den Hauptfäche­rn leichter. In Hinblick auf die bevorstehe­nden Prüfungen begleitet Berger ein Gefühl von Angst und Unsicherhe­it. Dabei ist nicht der Lernstoff das Problem: „Man hofft, dass trotz der Pandemie alles gut geht, dass man alle Prüfungen schreiben kann.“

Wie die anderen lässt sich Berger aber nicht entmutigen. Für die Zeit nach dem Abschluss hat er bereits Pläne. Sein nächstes Ziel ist ein Abschluss an der Technische­n Realschule in Biberach. Auch Tommy Lee Hieke möchte einen Realschula­bschluss machen. Noah Hofele ist bereits dabei, sich auf einen Ausbildung­splatz als Zimmerer zu bewerben. Caprice Osswald und Julia Huynh möchten studieren. Die Zeit zwischen Schule und Studium allerdings haben sie noch nicht verplant. Beide überlegen, einige Praktika zu machen. Eigentlich würde Julia Huynh auch gerne Urlaub machen. Doch ob das nach dem Abschluss möglich sein wird, kann sie noch nicht sagen.

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FOTO: PRIVAT Bereiten sich zu Hause auf ihre Abschlussp­rüfungen vor: Nick Berger und Julia Huynh.
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FOTO: PRIVAT Einmal pro Woche geht Tommy Lee Hieke in die Schule. Sonst lernt er von zu Hause.
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FOTO: PRIVAT Hat eine neue Strategie beim Lernen entwickelt: Noah Hofele.
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FOTO: PRIVAT Caprice Osswald arbeitet sich zu Hause in den Lernstoff ein.

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