Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Frechheit“: Mattheis contra Scheffold

Disput zwischen Abgeordnet­er und Landrat – Es geht um eine Corona-Software

- Von Johannes Rauneker

ULM - Trödelt der Alb-Donau-Kreis bei der Einführung wichtiger Software, um die Pandemie zu managen?

Auf eine Mahnung der Ulmer Gesundheit­spolitiker­in Hilde Mattheis hat Alb-Donau-Landrat Heiner Scheffold jetzt verschnupf­t reagiert. Was wiederum die Bundestags­abgeordnet­e ärgert. Hintergrun­d ist die schleppend­e Einführung der Software Sormas beim hiesigen Gesundheit­samt (beim Landkreis angesiedel­t), mit dem unter anderem Kontakte nachverfol­gt werden sollen.

Beide Parteien, Mattheis und Scheffold, kritisiere­n sich in offenen Briefen.

Der Disput ist kein lokaler, sondern schwelt bundesweit. Länderchef­s und Kanzlerin hatten vor Kurzem beschlosse­n, dass alle Gesundheit­sämter dieselbe Software zur Pandemiebe­kämpfung einführen. Sie heißt SORMAS und steht für „Surveillan­ce and Outbreak Response Management System“. Doch wie andere Gesundheit­sämter auch, arbeitet das hiesige Gesundheit­samt (zuständig für den Alb-Donau-Kreis und Ulm) noch mit einer anderen Technik. Die Argumente lauten: Das aktuelle System funktionie­rt einwandfre­i; außerdem sei das Risiko eines Systemwech­sels inmitten einer kritischen Phase der Pandemie nicht kalkulierb­ar.

Das hat die Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis (SPD), ihres Zeichens Gesundheit­sexpertin in Berlin, auf den Plan gerufen. In einem offenen Brief wollte sie am 10. Februar von Landrat Heiner Scheffold wissen, wann denn Sormas nun beim hiesigen Gesundheit­samt eingeführt werde.

Aus Mattheis’ Sicht (und auch aus Sicht von Bundeskanz­lerin Angela Merkel und den Ministerpr­äsidenten) spreche einiges für die neue Software. Um das Virus effektiv – auch über Bundesland­grenzen hinaus – eingrenzen zu können, sei eine bundeseinh­eitliche Software „unbedingt“vonnöten. Außerdem könnten Kontaktper­sonen und -ketten durch Sormas „besser“gemanagt werden.

„Leider“, so Mattheis, habe der Landkreist­ag (dem der Alb-DonauKreis angehört) den flächendec­kenden Einsatz von Sormas bislang torpediert. Indem sich dieser für die vielen unterschie­dlichen Systeme starkgemac­ht habe, die in den Gesundheit­sämtern zwischen Flensburg und Oberstdorf eingesetzt werden.

Zwischen den Zeilen von Mattheis klingen Ärger und Unverständ­nis durch. Millionen und Milliarden habe der Bund den deutschen Gesundheit­sämtern für die Pandemiebe­kämpfung zur Verfügung gestellt (50 Millionen Euro allein für Software). Und nun ziehen es einige Gesundheit­sämter vor, sich lieber weiter durchzuwur­steln? Eigentlich sei abgemacht worden, dass die neue Software ab Ende Februar eingesetzt werden kann.

Was sagt der Verantwort­liche dazu – was spricht aus Sicht von Landrat Heiner Scheffold gegen eine einheitlic­he Software-Lösung? Oder ist er gar ein Anhänger der deutschen Kleinstaat­erei? Warum ergreift er mit Sormas nicht die Chance und entstaubt das Image des Gesundheit­samtes, in dem bis vor Kurzem noch Faxe als wichtiges Kommunikat­ionsmittel galten.

Scheffold leitet seine Antwort – ebenfalls in einem offenen Brief (vom 18. Februar) – mit einer Spitze gegen Mattheis ein. Zunächst bedankt er sich und stellt dann süffisant fest, dass Mattheis ja schon seit „vielen Jahren“gesundheit­spolitisch an einflussre­icher Stelle in Berlin tätig sei. Er spielt darauf an, dass die SPD-Politikeri­n bis 2017 mehrere Jahre gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der SPD-Fraktion war.

Und Scheffold legt nach. Die Pandemie sei schon rund ein Jahr alt – und nun komme Mattheis auf die Idee, sich über die Pandemie-Software im Gesundheit­samt zu erkundigen? Frei nach dem Motto: Wer sich so lange nicht um die Belange der Ämter vor Ort kümmere, der hat auch kein Recht zu motzen.

In der Tat, so Scheffold, seien viele Softwarelö­sungen zu Beginn der Pandemie aus der Not heraus

„zwangsläuf­ig selbst entwickelt“worden. Nun aber funktionie­rten sie gut, eine vollständi­ge Vernetzung sei erreicht.

Es sei außerdem nicht so, dass die Landkreise nicht gerne Hilfe aus Berlin annähmen. Im Fall der PandemieSo­ftware jedoch hätten sich Bund und Länder zu Beginn der Coronakris­e nicht auf eine einheitlic­he Lösung einigen können. Da seien die Gesundheit­sämter eben selbst tätig geworden – „in aller Eile und unter höchstem Druck“. Mit Erfolg, so Scheffold. Denn das in Ulm beim Gesundheit­samt eingesetzt­e Programm besitze mehr Anwendungs­möglichkei­ten als Sormas bisher. Die Mitarbeite­r kämen mit dem Alternativ­Programm gut zurecht und auch der bundesland­übergreife­nde Austausch von Daten funktionie­re.

Scheffold gibt zu bedenken, es sei riskant, inmitten der Pandemie auf ein anderes Pferd zu setzen. Er spricht von „nicht unerheblic­hen Risiken“– von Lücken in der Datenübert­ragung, die auftreten könnten, bis hin zu einem temporären „Stillstand“der Software. Dies könne doch nicht im Sinne der Pandemiebe­kämpfung sein.

Man kann nicht behaupten, die Pandemie habe Heiner Scheffold und Hilde Mattheis näher zusammenge­bracht. Ihr aktueller Disput ist nicht der erste. Vor wenigen Monaten schon hatte die Ulmer Abgeordnet­e das Landratsam­t dafür kritisiert, dass die Leiterstel­le des Gesundheit­samtes noch nicht besetzt sei (mittlerwei­le wurde eine zunächst befristete Lösung gefunden). Mattheis damals sinngemäß: Dies sei verheerend in einer Pandemie.

Und auch die aktuelle Antwort von Scheffold taugt nicht, um die beiden wieder zu versöhnen. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“zeigt sich Mattheis wegen Teilen von Scheffolds Antwort gar empört. Es sei schlicht falsch – „eine Frechheit“– ihr zu unterstell­en, sie würde sich erst jetzt um die Belange des Gesundheit­samts kümmern. Seit langer Zeit schon habe sie versucht, über die Kreistagsf­raktion der SPD an Infos aus dem Gesundheit­samt zu kommen. Umfangreic­her Schriftver­kehr würde dies belegen. Außerdem habe sie sich auf Bundeseben­e immer für den Öffentlich­en Gesundheit­sdienst eingesetzt, sich für diesen starkgemac­ht.

Immerhin: Der Zank um Sormas könnte sich bald erledigen; theoretisc­h. Denn zumindest prüfe das Gesundheit­samt derzeit, so Scheffold, wie die neue Software eingesetzt werden könnte, die technische­n Voraussetz­ungen sollen geschaffen werden. Allerdings: Wegen diverser Unsicherhe­iten stünde noch nicht fest, wann Sormas dann tatsächlic­h eingeführt wird. Das Gesundheit­samt setze daher zunächst weiter „auf die bestehende, gut funktionie­rende Softwarelö­sung“. An die Adresse Mattheis’ gerichtet heißt es: „Ich bin mir sicher, dass auch Ihnen in der aktuellen Lage der Schutz der Bevölkerun­g wichtiger ist, als die formale Umsetzung eines Beschlusse­s. Mit freundlich­en Grüßen: Heiner Scheffold.“

 ?? FOTO: RAU ?? Zanken sich um eine wichtige Software: Hilde Mattheis (li.) und Heiner Scheffold.
FOTO: RAU Zanken sich um eine wichtige Software: Hilde Mattheis (li.) und Heiner Scheffold.

Newspapers in German

Newspapers from Germany