Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Streit vor dem Sturm
In Bayern öffnen am Montag die Baumärkte – Die Unternehmen erwarten Scharen württembergischer Heimwerker
ISNY/LINDAU - Im Lindauer ObiMarkt herrscht Ausnahmestimmung. Der Markt wappnet sich für einen Sturm. „Bei dem Kundenandrang, den wir am Montag aus Baden-Württemberg erwarten, müssen wir schauen, dass wir die Zugangsbeschränkung zum Markt durchgesetzt kriegen“, sagt Geschäftsführer Christian Weissinger.
Der Grund für das befürchtete Chaos durch Heimwerker aus Oberschwaben: Von Montag an öffnen im Freistaat die Baumärkte, im Gegensatz zum benachbarten Baden-Württemberg, wo nur die Gartencenter aufmachen dürfen. Den Obi-Markt in Lindau dürften dann auch die Friedrichshafener, Wangener oder Ravensburger ansteuern, die dringend Nachschub für ihre Frühjahrsprojekte am Haus benötigen.
„Wir beschränken die Zahl der Kunden im Markt mit den Einkaufswagen. Pro Wagen maximal zwei Personen“, sagt Weissinger. Dazu kämen natürlich die Abstandskonzepte, Einbahnstraßen und alle weiteren Maßnahmen, die auch schon im November in Kraft gewesen seien, bevor die Baumärkte hätten schließen müssen. Beim Umsetzen der Maßnahmen setzt Weissinger auf seine Mitarbeiter. „Die sind gut geschult und kennen das schon“, sagt er.
Im Hornbach-Markt Neu-Ulm will man dagegen auf Security setzen, um dem Andrang aus der im Nachbarland liegenden Großstadt Ulm zu begegnen. Hornbach sorgt sich, dass zu viele Menschen kommen und sich nicht an die Hygieneregeln halten. Selbst der Google-Eintrag des NeuUlmer Marktes ist mit entsprechenden Hinweisen versehen.
„Wir hoffen wirklich, dass die Leute nicht in Gruppen kommen, sondern einzeln“, richtet HornbachSprecher Florian Preuß einen Appell an die Kunden. Schlangen vor den Märkten seien von Montag an in Bayern
durchaus denkbar. Schlangen vor den Baumärkten sind ein bekanntes Bild, allerdings kennt man das bislang umgekehrt: Im März und April des vergangenen Jahres hatten in Baden-Württemberg die Baumärkte geöffnet, während sie in Bayern geschlossen waren. Dieses Mal sind die Märkte auf der westlichen Seite der Grenze die Leidtragenden.
„Immerhin können wir unser Gartencenter jetzt aufmachen“, sagt Markus Söffing. Er ist der Marktleiter des Obi-Markts im württembergischen Isny. Für die Kunden sei es natürlich wesentlich unkomplizierter nach Bayern zu fahren, wenn sie Produkte aus dem Baumarktsortiment brauchen. Söffing sagt: „Wer etwa einen Sichtschutz kauft, braucht ja auch Schrauben oder einen Akkuschrauber.“In Bayern bekomme man das von Montag an wieder alles im Markt. Wer in Isny einkaufen wolle, der müsse Schrauben und Akkuschrauber im Voraus zum Abholen bestellen.
Söffing ärgert sich über die badenwürttembergische Landesregierung, die nur die Öffnung des Gartencenters zulässt. Der persönliche Kontakt sei bei einem Friseurbesuch wesentlich länger und direkter als beim Gang durch die Baumarktreihen oder bei einer Beratung auf zwei Meter Abstand, kritisiert der Marktleiter.
Bei der baden-württembergischen Landesregierung hat das bayerische Vorpreschen großen Unmut ausgelöst. „Es ist absolut kontraproduktiv, wenn vom 1. März an in NeuUlm Baumärkte geöffnet, in Ulm aber geschlossen sind“, sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) der „Schwäbischen Zeitung“. Sie fordert eine Harmonisierung der Regeln.
Die baden-württembergische Regierung sei irritiert angesichts der Kehrtwende von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet der dpa. „Bisher war er immer der harte Hund, jetzt fängt er an, eine Sache nach der anderen Sache zu öffnen“, sagte Hoogvliet weiter. „Ich weiß nicht, was das soll.“Die Öffnung der
Blumenläden habe man unter Verweis auf verderbliche Ware noch nachvollziehen können, doch „Hammer und Farbe verderben nicht so schnell“.
Bayerns Staatskanzlei-Chef und Corona-Koordinator Florian Herrmann (CSU) verteidigte die Öffnung der Baumärkte als „lebensnahe Entscheidung“. Wenn die Gartenabteilungen geöffnet werden dürften, der Rest der Baumärkte aber nicht, werfe das Fragen auf. Und außerdem: „Baumarkt passt ja auch zu den Frühlingstagen.“Zudem sei die Öffnung der Baumärkte an Hygienekonzepte gebunden. Nur eine bestimmte Zahl von Kunden pro Quadratmeter Verkaufsfläche sei erlaubt.