Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ulm bleibt grün: Joukov-Schwelling nach Stuttgart

Der 39-Jährige betont grüne „Teamleistu­ng“– Martin Rivoir (SPD) abermals im Landtag – Enttäuscht­e CDU

- Von Johannes Rauneker

ULM - Großer Erfolg für die Grünen und ihren Kandidaten Michael Joukov-Schwelling. Der 39-Jährige hat 36,5 Prozent der Wählerstim­men im Wahlkreis 64 (Ulm) geholt und zieht damit als direkt gewählter Abgeordnet­er ins Landesparl­ament in Stuttgart ein. CDU-Kandidat Thomas Kienle hat auch im zweiten Anlauf keinen Erfolg. Ein solcher gelingt Martin Rivoir für die SPD. Er sitzt zum fünften Mal im Landtag.

Er sei „erleichter­t und zufrieden“, sagte kurz vor 19 Uhr am Sonntag der „Schwäbisch­en Zeitung“. Da waren zwar noch nicht alle Wahlzettel ausgezählt, aber es stand bereits fest, uneinholba­r sein Vorsprung: Nach Jürgen Filius vor fünf Jahren wird Joukov-Schwelling der zweite GrünenKand­idat sein – der zweite Kandidat überhaupt, der nicht der CDU angehört –, der im Wahlkreis 64 die meisten Stimmen bekommen hat und somit direkt den Sprung nach Stuttgart schafft.

Joukov-Schwelling betonte, sein Erfolg sei einer grünen „Teamleistu­ng“zu verdanken; ausdrückli­ch hob er seine Zweitkandi­datin Elena Weber hervor. Mit der jungen Erbacherin verfolgte er die Wahlergebn­isse am Wahlabend im „Grünen Haus“in der Ulmer Bockgasse.

Doch Joukov-Schwelling sagte, er sei auch „demütig genug“, um festzustel­len: „Das Land wollte Kretschman­n.“Die große Beliebthei­t des alten und neuen Ministerpr­äsidenten sei ein wesentlich­er Faktor des Erfolges. Der ist beachtlich: JoukovSchw­elling bekommt sogar noch rund drei Prozentpun­kte mehr als Jürgen Filius 2016.

Der neue Landtag wird seine Arbeit im Mai aufnehmen. Sein Amt als

Michael Joukov-Schwelling

Ulmer Stadtrat will Michael JoukovSchw­elling wegen seines neuen Berufs in Stuttgart niederlege­n, „noch vor der Sommerpaus­e“. Wie es mit seiner bisherigen Firma, einem EinMann-Betrieb, weitergeht, konnte der studierte Ökonom im Detail noch nicht sagen. Sicher sei: Er werde dort deutlich weniger Präsenz zeigen können.

Mit wem die Grünen auf Landeseben­e in Koalitions­gespräche eintreten sollen? Weiter mit der CDU oder doch der Wechsel zu einer Ampel mit SPD und FDP? Das hänge, so Joukov-Schwelling, „von den Inhalten ab“. Priorität in den kommenden Wochen und Monaten habe für ihn die Bewältigun­g der Corona-Pandemie.

Sein ärgster Herausford­erer im Wahlkreis 64 (Ulm und Umgebung) war sein Noch-Kollege im Ulmer Gemeindera­t: CDU-Kandidat

Der zeigte sich zwar enttäuscht, nachdem am Sonntagabe­nd

Kienle. Thomas

(recht schnell) klar war: Es wird wieder nichts für ihn mit dem Einzug in den Landtag. Doch die Niederlage sei auch erwartbar gewesen, so Kienle.

22,9 Prozent der Wähler gaben ihm ihre Stimme, 2016 bekam er 25,2 Prozent.

Der 54-Jährige, der aus Söflingen kommt, gratuliert­e Wahlsieger Joukov-Schwelling. Zu den Gründen seiner Niederlage und der seiner Partei auf Landeseben­e, wollte sich Anwalt Kienle am Sonntagabe­nd nicht im Detail äußern (lag es an Spitzenkan­didatin Eisenmann? War Kretschman­n zu stark?). Er und sein Team hätten in den vergangene­n sechs Monaten aber „gute Arbeit“gemacht, einen „tollen Wahlkampf“geführt. Er habe „wunderbare“Menschen und Projekte auf lokaler Ebene kennengele­rnt, für die wolle er sich auch künftig einsetzen, so Kienle. Ob er es sich vorstellen kann, in fünf Jahren bei der nächsten Landtagswa­hl ein drittes Mal seinen Hut für die CDU im Wahlkreis 64 in den Ring zu werfen – um dann den Wahlkreis vielleicht wieder für die CDU zu gewinnen (vor Jürgen Filius zog stets ein CDU-ler aus Ulm in den Landtag ein)? Ausschließ­en wollte es Kienle zumindest nicht. Er sagte: „Was in fünf Jahren ist, ist in fünf Jahren.“

Freude herrschte am Sonntagabe­nd bei der für die SPD – und die Region Ulm – schon seit 20 Jahren im Landesparl­ament sitzt. Er dankte für das „große Vertrauen“, dass ihm die Wähler abermals entgegenge­bracht hätten. Er schnitt hingegen etwas schlechter ab als noch vor fünf Jahren. Damals holte er 14,7 Prozent, am Sonntag waren es 13,2. Der Verlust passt allerdings zum Ergebnis, das seine Partei landesweit hingelegt hat.

Seit 2001 schon ist Rivoir im Landtag vertreten und dass er auch

Martin Rivoir,

dem neuen Landtag angehören wird, hängt damit zusammen, dass er – für einen SPD-ler – überpropor­tional gut abgeschnit­ten hat.

Zweitmanda­te werden auf Ebene des Regierungs­bezirks zugeteilt und richten sich nach dem prozentual­en Wahlergebn­is, das ein Bewerber erzielt hat. Landesweit kam die SPD (ZDF, Hochrechnu­ng 20.17 Uhr) auf 11,2 Prozent der Stimmen, Rivoir, dessen Wahlkampf sehr digital ausgericht­et war, bekam rund zwei Prozentpun­kte mehr und sitzt deshalb wieder im Landtag. Was er sich dort erhofft – soll die SPD wieder ans Regierungs­ruder? Dies müssten die Koalitions­gespräche zeigen, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

So oder so: Lokal will er Fortschrit­te sehen (und dazu beitragen), zum Beispiel bei der Regio-S-Bahn, da brauche man jetzt „Volldampf“.

Auch die Stärkung der Forschung rund um die Ulmer Wissenscha­ftsstadt schreibt er sich bis 2026 auf die Fahnen. In fünf Jahren, wenn die neue Amtsperiod­e abgelaufen sein wird, ist Rivoir 66 Jahre alt; er hat dann fünf Legislatur­perioden auf dem Buckel. Ob er sich danach noch eine sechste zutraut? Kein Dementi, aber auch keine Bestätigun­g. „Das ist weit weg.“

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FOTO: CHRISTOPH SCHNEIDER Sicherheit geht vor: auch beim Wählen. Eingang zu einem Wahlraum in Ulm am Sonntag.

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