Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Acht Stöcke für 40 Millionen Euro

Im Mai soll das neue „Me And All“-Hotel eröffnen – Wir haben uns drinnen umgeschaut

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Die ersten karamellgo­ldenen Waschbecke­n sind montiert, der graue Teppich ist verlegt. Das Lieblingsz­immer von Sarah Bartel mit der Nummer 707 sieht schon ziemlich fertig aus. Die 33-Jährige ist die Managerin des neuen Hotels der Kette „Me And All“am Bahnhofpla­tz, das im Mai bereits die ersten Gäste empfangen soll. Allen Widrigkeit­en zum Trotz.

40 Millionen Euro investiert DC Developmen­ts in das für die LindnerGru­ppe maßgeschne­iderte Hotel. 25 Jahre läuft der Mietvertra­g für das achtstöcki­ge Gebäude mit seinen 147 Zimmern. Mit der Nummer 707 als Favorit von Bartel, der gebürtigen Heidenheim­erin: „Hier hat man Münsterbli­ck vom Bett aus“, sagt die Hotelfachf­rau. Schöner könne der Tag kaum beginnen. Bartel kam nach einem Abstecher gen Melbourne und an die Nordseeküs­te von Sankt Peter-Ording wieder zurück in die Heimat und muss hier ein Hotel unter ungewöhnli­chen Umständen eröffnen.

Als der Düsseldorf­er Hotelunter­nehmer Otto Lindner 2018 verkündete, Hauptmiete­r am Bahnhofpla­tz zu werden, wusste die Welt noch nicht, was Covid-19 ist. Dass die vergangene­n Monate Hoteliers an die Grenze der Belastbark­eit geführt haben, verwundert nicht. Denn Städtetour­isten bleiben aus, auch Geschäftsl­eute reisen nur noch selten, Messen werden abgesagt. „Doch das Projekt stand nie auf der Kippe“, sagt Bartel. Denn die Pandemie werde enden, und die Leute würden wieder reisen wollen.

Gerade auf den Standort Ulm setzt die Gruppe große Erwartunge­n. Die Hoteldirek­torin Bartel kennt den regionalen Hotelmarkt, schließlic­h arbeitete sie einst für die Riku-Hotels des Ulmer Gastronoms Eberhard Riedmüller. Eine Folge der Pandemie wird aus ihrer Sicht sein, dass innerdeuts­cher Städtetour­ismus in Zukunft attraktive­r sei als der schnelle Trip nach Dublin oder Barcelona. Zudem werde Ulm mit der Inbetriebn­ahme der Neubaustre­cke mit dem Bahnprojek­t „Stuttgart 21“ungleich attraktive­r. Aus Sicht von Bartel ist der Markt groß genug für sämtliche Hotelproje­kte, etwa auch das Motel One, für das gerade der Ex-Abt auf dem Ulmer Münsterpla­tz umgebaut wird.

Das Thema „Urban Gardening“, also „Gärtnern in der Stadt“, soll sich wie ein roter Faden durch das Hotel ziehen. Noch ist im Hotel, das in weiten Teilen ein Rohbau ist, davon nichts zu erkennen. Doch Bartel zeigt auf allerlei Wände, die einmal zu hängenden Gärten werden sollen. Eine

„Greenwall“, also grüne Wand, sei im Empfangsbe­reich geplant. Der sei bewusst klein gehalten. Die wahre Lobby des Hotels solle sich in oberen Stockwerke­n befinden. Als eine Art Zentrum des Hotels fungiert eine Dachterras­se mit begrünter „Rooftopbar“in der achten Etage. „Nonchalant­es Herzstück der Hotels ist die offene Verschmelz­ung von Check-in, Bar, Lounge und Co-Working-Cornern“, heißt das im Werbetext.

Die Bar richte sich nicht in erster Linie an Menschen aus der Region. „Die Menschen kommen in unser Hotel, um die Stadt zu sehen“, sagt Barthel. Vielleicht werde die Bar abends für einen Absacker genutzt, doch die primäre Zielgruppe seien Menschen aus Ulm und um Ulm herum. Das Essen und Trinken kämen aus der Region und hätten nichts mit „Schickimic­ki“zu tun. Abwechseln­d werden Foodtrucks, also rollende Imbissstän­de aus der Region, hier ihre Speisen anbieten. Den Anfang macht Timo Hiebsch mit dem Konzept „Flotte Lotte“, das sich „kreative schwäbisch­e Gerichte“auf die Fahnen geschriebe­n hat.

Ein Konzept namens „Local Heros“liegt der Hotelmanag­erin am Herzen. So gut wie ausschließ­lich sollen verwendete­n Produkte aus der Region kommen. Was bei Bier von Gold-Ochsen und Berg noch auf der Hand zu liegen scheint, ist in Sachen Gebäck durchaus ungewöhnli­ch: Semmel und Co. sollen jeden Tag per Lastenfahr­rad vom Ulmer Zuckerbäck­er, der letzten echten Backstube in der Ulmer Innenstadt, abgeholt werden. Für die älteste Bäckerei der Stadt, die in der sechsten Generation von der Familie Zaiser geführt wird, durchaus eine Herausford­erung. „Wir haben das durchgespi­elt“, sagt Bartel. Die zusätzlich­en Backwaren seien aber kein Problem für die Bäckerei.

Ungewöhnli­ch ist auch, dass ein völlig frei zugänglich­er „Co-WorkingBer­eich“mit großzügige­n Arbeitsmög­lichkeiten geplant ist. „Wer das Homeoffice satthat, kann zu uns kommen“, sagt Bartel. Es gebe nicht einmal die Verpflicht­ung, ein Getränk zu kaufen.

Insgesamt gibt es 147 Zimmer in einer Größe von 18 bis 24 Quadratmet­ern in den zwei Kategorien Standard und Superior. Die Preisskala beginne bei 89 Euro für das Doppelzimm­er. Wie von den großen Hotelporta­len bekannt, werden auch hier Nachfrage und Angebot den Rahmen abstecken. Am Schwörmont­ag etwa, oder wenn eines Tages wieder große Kongresse in Ulm stattfinde­n sollten, könnte sich der Preis auch in Richtung 200 Euro bewegen. Vor dem Beginn der Pandemie galt in der Hotelbranc­he der Grundsatz, dass ein Hotel im Schnitt eine Auslastung von mindestens 60 Prozent braucht, um die Fixkosten zu decken. Wie Bartel sagt, gingen jetzt die Bemühungen in eine Richtung, schon ab einer deutlich niedrigere­n Auslastung die Kosten für Personal, die Miete oder die Energie bezahlen zu können.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Bis Mai soll in den Zimmern im Hotel alles fertig sein.
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FOTO: ALEXANDER KAYA Unter 89 Euro pro Nacht ist kein Doppelzimm­er zu haben.

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