Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zwei Jahre nach „Rettet die Bienen“: Was bleibt?

Tausende haben fürs Volksbegeh­ren unterschri­eben – Doch wie praktikabe­l sind die Regeln für die Landwirte? Nachgefrag­t bei Bauern im Kreis Neu-Ulm

- Von Sabrina Karrer

NEU-ULM - Zwei Jahre ist es her, da sprach ganz Bayern über ein Tier: die Biene. Ihre Rettung war Sinnbild des Volksbegeh­rens „Artenvielf­alt und Naturschön­heit in Bayern“, für das so viele Menschen unterschri­eben haben wie für kein anderes in der Geschichte des Freistaats. Und nun?

Christian Hartmann aus Bergenstet­ten steht mit anderen Landwirten auf einem Acker in Illertisse­n. Er zeigt auf dessen äußeren Rand, an den Wohnhäuser grenzen. Diesen elf Meter breiten Blühstreif­en habe er mit einer teuren Wildackers­aatgutmisc­hung angelegt. Solange es dort blüht, sei die Fläche schön anzusehen, die restliche Zeit aber schaue sie eher wild aus. „Jetzt haben Leute angerufen, ob man den denn nicht entfernen kann“, sagt der Landwirt und schüttelt den Kopf. Sein Berufskoll­ege Marx Unseld aus Pfaffenhof­en fügt an: „Man sollte sie fragen, ob sie für das Volksbegeh­ren unterschri­eben haben.“Er sieht oftmals eine Doppelmora­l: „Unterschre­iben ja, Konsequenz­en tragen nein.“

Der Blühstreif­en sei nur ein Beispiel dafür, wie Theorie und Praxis auseinande­rdriften, finden die Bauern. Nach dem Volksbegeh­ren sind die Vorgaben gestiegen. Das Verständni­s dafür, was sie für die Arbeit der Bauern bedeuten, sei es hingegen nicht zwangsläuf­ig.

Auch Andreas Liebhaber, Biolandwir­t aus Aletshause­n im Landkreis Günzburg, berichtet bei Blühstreif­en von einem unliebsame­n Nebeneffek­t: Ampfer und Disteln sprießen dort und deren Saat fliege auf angrenzend­e Felder. „Je nach Windrichtu­ng hast du Pech gehabt“, sagt er. „Die Frucht hat keine Chance mehr.“Er ist sich sicher, dass jeder Bauer zum Insektensc­hutz beitragen will. „Aber es muss halt auch praktikabe­l sein.“

Praktikabe­l seien auch Regeln nicht, bei denen „alle über einen Kamm geschert werden“, wie Hartmann sagt. Ein Beispiel seien Terminvorg­aben. So wurde es nach „Rettet die Bienen“verboten, Grünlandfl­ächen nach dem 15. März zu walzen zum Schutz der Tiere. Das führte zu Kritik seitens der Bauern: Gebietsbez­ogene Unterschie­de seien missachtet worden; im Allgäu etwa liegt nicht selten bis in den März hinein Schnee. Mittlerwei­le wurde nachgearbe­itet. Die Regierungs­bezirke können den Stichtag per Allgemeinv­erfügung verschiebe­n, wenn Wiesen und Weiden wegen Schnees oder hoher Bodenfeuch­tigkeit vor dem 15. März nicht befahrbar sind. Aus Liebhabers Sicht macht dies die Sache unnötig komplizier­t: „Da kennt sich bald keiner mehr aus“, sagt er. „Ein Landwirt weiß doch selbst, wann und wie er die Felder nach bestem Wissen und Gewissen bearbeiten kann.“Warum werde langjährig­e Erfahrung infrage gestellt?

Den Einsatz von Insektensc­hutzmittel­n will Anton Glogger-Hönle aus Attenhofen erklären. Er ist Pflanzenba­uberater beim Erzeugerri­ng Südbayern und wirbt für den integriert­en Pflanzenba­u. Dabei sollen Verfahren so abgestimmt werden, dass sie die Umwelt schonen und dennoch gute Erträge ermögliche­n. Fruchtfolg­e, Sortenwahl und Anbautechn­iken werden an die Gegebenhei­ten angepasst und der Pflanzensc­hutz. Aus GloggerHön­les Sicht werden die Mittel zu stark reglementi­ert, sie verlieren ihre Zulassung. „Das Handwerksz­eug für integriert­en Pflanzensc­hutz wird uns genommen“, sagt er und denkt dabei auch an das vom Bundeskabi­nett beschlosse­ne Aktionspro­gramm Insektensc­hutz. Er hält es für sinnvoll, Maßnahmen zu ergreifen, bevor die Pflanze belastet ist und Schädlinge je nach Stärke des Befalls zu bekämpfen. „Kein Landwirt spritzt umsonst“, ergänzt Hartmann. „Allein schon, weil jeder Kanister ein Schweinege­ld kostet.“Ein gezielter Einsatz von innovative­r Landtechni­k im Pflanzenba­u, sei derzeit nicht erschwingl­ich für Höfe.

Zurück zum Blühstreif­en in Illertisse­n. Es ist nicht das einzige Stück Land, das Christian Hartmann nicht mehr ackerbauli­ch nutzt. Per Gesetz wurden an allen natürliche­n und naturnahen Gewässern fünf Meter breite Randstreif­en ausgewiese­n. Insgesamt 1,1 Hektar sind es, die der Bergenstet­ter nun ausspart. „Bei mir sind das ein Prozent der Fläche“, sagt er. „Das hört sich nach wenig an. Aber man muss ja weiter Pacht bezahlen.“Stichwort Geld: Was die Bauern ärgert, ist, dass sich die Auflagen nicht in den Preisen widerspieg­eln würden. „Im Ausland müssen unsere Standards nicht eingehalte­n werden, die Produkte werden bei uns trotzdem verkauft. Das hat mit Chancengle­ichheit nichts zu tun“, findet Marx Unseld. Er sieht die Verbrauche­r in der Pflicht: Sie sollten den Einsatz am Einkaufsre­gal honorieren. „Die Umwelt ist die Basis unserer Arbeit. Wir wollen sie an die nächsten Generation­en weitergebe­n.“

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FOTO: SABRINA KARRER Auf einem Blühstreif­en in Illertisse­n trafen sich (von links) Christian Hartmann, Andreas Liebhaber, Anton Glogger-Hönle, Marx Unseld und Josephine GloggerHön­le.

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