Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Staat muss alles aufklären

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Der heftigste Kirchenfei­nd hätte sich das Drehbuch für die samt und sonders selbst verschulde­ten Einschläge, die die katholisch­e Kirche derzeit treffen, nicht ausdenken können: Die schärfer werdende, berechtigt­e Kritik an der dröhnenden Sprachlosi­gkeit angesichts der Frage nach dem Wirken Gottes in der Pandemie, dann Steuerschu­lden und -strafen in Millionenh­öhe im Bistum Essen und das römische Verbot der Segnung für gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften. Jetzt der Nachweis, dass hohe Würdenträg­er im Erzbistum Köln im Umgang mit Missbrauch­stätern aus den eigenen Reihen jahrzehnte­lang vertuscht, geschwiege­n, geschlampt und gelogen haben: „Brüder im Nebel“hat der verstorben­e Kardinal Meisner über die Akten geschriebe­n.

Längst ist es an der Zeit, dass Bischöfe bekennen: Einige von ihnen haben die Glaubwürdi­gkeit der Kirche dermaßen beschädigt, dass Markenkern und Daseinsber­echtigung, der Glaube an Gott, in der öffentlich­en Wahrnehmun­g und im Privatlebe­n der Menschen fast ganz verdunkelt ist. Immerhin hat Kardinal Rainer Maria Woelki erste, schnelle und richtige Konsequenz­en mit dem sofortigen Rauswurf von zwei engen Mitarbeite­rn gezogen: Dieser neue Stil lässt hoffen. Und nach dem Gercke-Gutachten war der Rücktritt des schwer belasteten Erzbischof­s von Hamburg, Stefan Heße, zwingend.

Bei Rücktritte­n kann es nicht bleiben: Zwölf Jahre nach den ersten Hinweisen auf den Missbrauch­sskandal haben erst 16 von 27 Bistümern die gemeinsame­n Kriterien für die Missbrauch­saufarbeit­ung in Kraft gesetzt. Daher sollten die Bischöfe sich vom kommenden fünften Fastensonn­tag leiten lassen: Er wird „Iudica“genannt, „Richte mich, oh Gott“. Ganz weltlich muss es der Ruf der Kirche nach dem Staat sein: Wir schaffen es nicht allein und bitten daher die Bundesregi­erung, eine unabhängig­e, staatliche Kommission einzusetze­n, die sämtliche Akten zu Tätern, Vertuscher­n und „Brüdern im Nebel“ungeschwär­zt und vollständi­g aufarbeite­t. Damit alle Verantwort­lichen benannt und zur Rechenscha­ft gezogen werden können.

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