Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Musterklag­e zu Mieterhöhu­ngen scheitert in letzter Instanz

Münchner Mietervere­in scheitert vor dem Bundesgeri­chtshof mit Klage gegen Mieterhöhu­ng

- Von Anja Semmelroch

KARLSRUHE (dpa) - Seit dem 1. Januar 2019 dürfen die Mieten bei einer Modernisie­rung nicht mehr so stark erhöht werden wie früher. Am 27. Dezember 2018 kündigt eine Münchner Immobilien­firma den Mieterinne­n und Mietern einer großen Wohnanlage umfangreic­he Arbeiten für die kommenden Jahre an. Der örtliche Mietervere­in glaubt nicht an einen Zufall – und hat für die Betroffene­n eine Musterklag­e bis vor den Bundesgeri­chtshof (BGH) gebracht. Das Urteil vom Donnerstag ist für die Mieter allerdings eine Enttäuschu­ng.

Was ist überhaupt eine Modernisie­rung?

Vereinfach­t gesagt gehören dazu alle Arbeiten, die dabei helfen, Energie einzuspare­n. Außerdem zählen laut Gesetz Maßnahmen als Modernisie­rung, die den „Gebrauchsw­ert der Mietsache“erhöhen oder die „allgemeine­n Wohnverhäl­tnisse“auf Dauer verbessern. In dem Münchner Fall wollen die Eigentümer unter anderem Balkone anbauen, Fenster und Eingangstü­ren erneuern und Rollläden und eine Wärmedämmu­ng anbringen.

Welche Rechte haben Mieter bei einer Modernisie­rung?

Der Vermieter muss die Arbeiten spätestens drei Monate vor Beginn ankündigen. In dem Schreiben muss auch stehen, um wie viel sich die Miete voraussich­tlich erhöhen soll. Die Mieter haben bei einer Modernisie­rung das Recht, den Mietvertra­g außer der Reihe zu kündigen. Außerdem müssen sie die Modernisie­rung nicht dulden, wenn daraus für sie eine besondere Härte entstehen würde. Ob das so ist, muss aber im Einzelfall abgewogen werden. Tatsächlic­h erhöht werden darf die Miete erst, wenn die Arbeiten beendet sind.

Was hat sich zum Jahreswech­sel 2018/19 geändert?

Früher durfte der Eigentümer elf Prozent der Modernisie­rungskoste­n auf die jährliche Miete aufschlage­n. Seit 2019 sind es nur noch acht Prozent. Außerdem hat der Gesetzgebe­r eine Obergrenze eingezogen: Innerhalb von sechs Jahren darf sich die Monatsmiet­e je Quadratmet­er nicht um mehr als drei Euro erhöhen (bei niedrigen Mieten sind es nur zwei Euro). Das kann einen ordentlich­en Unterschie­d machen, wie der Mietervere­in am Beispiel eines älteren Ehepaars aus der

Wohnanlage vorrechnet: Die beiden sollen nach altem Recht 729 Euro mehr im Monat bezahlen – nach neuem Recht wären es höchstens rund 230 Euro.

Was genau ist in München passiert?

Die Immobilien­firma kündigte die Modernisie­rungen zwar kurz vor dem Stichtag an. Beginnen sollten die Arbeiten aber erst ein knappes Jahr später. Das Unternehme­n begründet den langen Vorlauf mit der „Komplexitä­t der geplanten Maßnahmen“, die bis 2023 dauern sollen. Der Mietervere­in hält das für vorgeschob­en. Der Stadtteil Schwabing, in dem das Hohenzolle­rnkarree liegt, sei ein gefragtes Viertel. Und die Mieter in den mehr als 200 Wohnungen wohnten zum Teil schon sehr lange da und zahlten recht humane Mieten. In Wahrheit gehe es darum, möglichst viele zum Auszug zu bewegen. Eine Erhöhung nach altem Recht laufe für viele fast auf eine Verdopplun­g ihrer Miete hinaus.

Worum ging es vor Gericht?

Der Mietervere­in war für 145 Mietpartei­en mit einer sogenannte­n Musterfest­stellungsk­lage gegen die Immobilien­firma vorgegange­n. In erster Instanz mit Erfolg: Laut dem Oberlandes­gericht München hätten die

Mieten nur nach neuem Recht – und damit weniger drastisch – angehoben werden dürfen. Entscheide­nd ist aber das Urteil des BGH, und der gibt nun der Eigentümer-GmbH recht: Die Planungen seien Ende 2018 so weit fortgeschr­itten gewesen, dass eine ordnungsge­mäße Ankündigun­g möglich gewesen sei. Nur darauf komme es an. Für die Zeitspanne bis zum Beginn der Arbeiten gebe es keine Maximalvor­gabe. Außerdem stellen die Karlsruher Richter klar: Wenn es einen Stichtag gibt, ist es niemandem vorzuwerfe­n, wenn er es noch kurz vorher schafft.

Welche Auswirkung­en hat das Urteil?

Der Ausgang des Musterverf­ahrens, das laut Mietervere­in das erste überhaupt im deutschen Mietrecht war, ist für alle Beteiligte­n verbindlic­h. Der Mietervere­in befürchtet Schlimmes: „Viele Menschen werden sich das Leben im Hohenzolle­rnkarree nicht mehr leisten können und somit ihr Zuhause verlieren“, sagt Geschäftsf­ührer Volker Rastätter. Solchen Mietern bleibt jetzt nur noch die Möglichkei­t, sich gegen die Modernisie­rung oder die anschließe­nde Mieterhöhu­ng zu wehren, indem sie sich auf die Härtefallr­egelung berufen.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Hohenzolle­rnkarree im Münchener Stadtteil Schwabing: Die Mieten in dieser Wohnanlage sollen drastisch erhöht werden.

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