Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Rock ’n’ Roll ist ein Lebensgefühl“
Die Rock ’n’ Roll-Abteilung des TSV Laupheim wird 40 – Nicht nur einmal konnten die Landesmeisterschaften ausgetragen werden
Vor 40 Jahren gründete sich die Rock ’n’ RollAbteilung des TSV Laupheim.
noch gerne an.“In den vergangenen 40 Jahren habe sich aber viel verändert. Irgendwann hat sich die Abteilung den Namen „Sugar Baby Movers“gegeben. Welchen Hintergrund der Name hat, weiß Reißig nicht mehr. „Das wurde in den 90erJahren entschieden.“
Im Laufe der Zeit sei der Tanz außerdem immer mehr zum Sport geworden – vom Tänzerischen ins Akrobatische. Früher sei der Tanz noch freier gewesen. Heute habe sich das zunehmend professionalisiert. Reißig findet: „Die Freude am Rock ’n’ Roll war viel sichtbarer als heute.“Doch auch das Niveau sei gestiegen. Ein Paar, das in den 1980er- Jahren Weltmeister geworden ist, könne heute nur noch in der C-Klasse mithalten.
Die Veränderung fällt auch Tobias Werz auf. Er ist seit zehn Jahren Betreuer und Trainer der Rock ’n’ RollPaare. Tanzstil, Armbewegungen und Körperhaltung: all das sei heutzutage viel akkurater und perfektionierter. Doch auch reglementierter, vor allem bei Turnieren. Das beginne schon bei der Anmeldung der Paare für die Turniere, wo die Hürden höher geworden sind. Das mache es den Trainern nicht einfach.
Für ihn ist Rock ’n’ Roll trotzdem ein Lebensgefühl. Der Tanz fasziniert ihn. Mit 21 Jahren, als „relativer Späteinsteiger“, hat Werz als Tänzer begonnen. Bis heute ist der Rock ’n’ Roll ein Schwerpunkt in seinem Leben. Sein ganzes Privatleben hat der 51Jährige auf das Training und die Turniere ausgerichtet. Die Corona-Pandemie hat ihn aus diesem Alltag gerissen.
Denn: Training ist momentan nicht möglich. Seit November hat Werz die Tanzpaare nicht mehr gesehen. Eigentlich würde er sie zwei Mal wöchentlich im Training sehen, sie auf Turniere und Shows vorbereiten. Doch auch die finden seit einem Jahr nicht statt. Ein Ziel vor Augen zu haben, auf das sie trainieren könnten, sei jedoch wichtig, sagt Werz. Er hofft, dass es das bald wieder gibt. Eingewöhnungszeit wird es am Anfang im
Training bestimmt geben, ist sich Werz sicher. Denn online sei Training nicht möglich. Anders sieht es bei der Boogie-Woogie-Gruppe aus, die auch Teil der Abteilung ist. „Wir treffen uns online“, sagt Petra Stein, die zusammen mit ihrem Mann Peter die Gruppe leitet. Das funktioniere meist ganz gut, erzählt sie. „Man kann von außen einiges erklären“, sagt die Trainerin. „Aber der Kontakt fehlt uns immens.“Auch gebe es manchmal Übertragungsprobleme.
Seit 25 Jahren gehört die BoogieWoogie-Gruppe zur Rock ’n’ Roll-Abteilung. Auch sie hätte in diesem Jahr Jubiläum gefeiert. Die Laupheimer Boogie-Woogie-Gruppe ist vor allem eine Auftrittsgruppe. Ein Turnierpaar gibt es momentan nicht. Der Trainingsaufwand sei vielen zu hoch, sagt Stein. Tänzerinnen und Tänzer müssten ohnehin einiges investieren, um den Tanz zu erlernen. „Da macht man nicht zwei Kurse und dann kann man das“, betont Stein. Das mache es aber auch schwieriger, jüngere Leute für die Gruppe zu gewinnen. Für den Tanz sei wie beim Rock ’n’ Roll viel Durchhaltevermögen wichtig. Momentan hat die Gruppe lediglich ein Jugendpaar. „Die Jüngeren machen eher Rock ’n’ Roll“, sagt Stein. „Das ist akrobatischer.“
Doch auch dort gibt es Nachwuchsprobleme, sagt der Vorsitzende der Abteilung, Martin Brunotte. Ein wichtiger Grund: Die Jugendlichen ziehen zum Studieren aus Laupheim weg. Manche haben neben ihrem Job keine Zeit für den Tanz mehr. Die Abteilung sei zuletzt aber sogar gewachsen. Durch Anfängerkurse konnten einige Tänzer für Boogie Woogie gewonnen werden. Waren es 2015 noch 58 Aktive, stieg die Zahl der aktiven Mitglieder bis 2019 auf 74. Auch für 2020 hätten sich Interessierte gemeldet. Im April 2020 hätte ein Rock ’n’ Roll-Anfängerkurs starten sollen. Wegen der Pandemie musste er jedoch ausfallen. Neue Mitglieder gab es somit keine.
Das bremst in der Abteilung aber niemanden. Wettkampfpaare gibt es weiterhin. 2020 hätten ein Erwachsenenpaar und zwei Jugendpaare eigentlich eine Startberechtigung für Turniere gehabt, erzählt Brunotte. Turniere trug die Rock ’n’ Roll-Abteilung in den vergangenen Jahren ebenfalls immer wieder in Laupheim aus. Doch neben den Stadtmeisterschaften habe es lange kein großes Rock ’n’ Roll-Turnier mehr in der Stadt gegeben. Bis die Rock ’n’ Roller 2013 mit Unterstützung der VR-Bank den „VRCup“austrugen. „2016 haben wir dann aufgrund des Erfolgs die BadenWürttembergischen Landesmeisterschaften für Laupheim bekommen“, sagt Brunotte. „Und drei Jahre später wieder.“Das sei eines seiner Highlights gewesen. Auch weil mit Rock ’n’ Roll in Laupheim immer ein großes Publikum erreicht werden könne.
Um so schwerwiegender sei nun, dass sich die Abteilung momentan nicht bei Auftritten wie dem Heimatfest präsentieren könne. Denn auch dadurch werben die Rock ’n’ Roller normalerweise neue Tänzerinnen und Tänzer.
Trainer Werz hat mit Blick auf den Trainingsausfall und die Mitglieder eine weitere Sorge: „Vielleicht haben sie die Zeit mit einem anderen Hobby gefüllt.“Er wünscht sich, dass er „seine Paare“, wie er sie nennt, bald wieder regelmäßig zum Training sehen kann.
Ex-Trainer und Ehrenmitglied Reißig beobachtet genau, was in der von ihm mitgegründeten Abteilung vor sich geht. Die Abteilung sei sehr aktiv, sagt er. „Wenn man sie bei Auftritten sieht, ist das absolut toll.“Dass die Mitgliederzahlen zurückgegangen sind, weiß er. Große Sorgen macht er sich allerdings nicht: „Es gibt immer Wellen im Rock ’n’ Roll. Manchmal sind es mehr Paare, manchmal weniger – das hatten wir auch schon.“Doch er ist sich sicher, dass sich das wieder ändern wird, und prophezeit: „Eines Tages werden wieder mehr Paare kommen.“Dafür sorgen werden die Musik und der Tanz. „Das ist einfach faszinierend.“