Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wo der Mensch im Mittelpunkt steht
Volker Gadau ist 61 Jahre alt, hat früher lange im Garten- und Landschaftsbau gearbeitet und unterstützt jetzt Menschen mit einer Behinderung in den Werkstätten der Oberschwäbische Werkstätten (OWB) in Kisslegg. Dort werden hauptsächlich Montage- und Verpackungsarbeiten für internationale Firmen erledigt. „Bei mir war das der Klassiker“, erzählt er, „erst Rücken und dann noch die Bandscheiben.“Vor 15 Jahren hat er umgeschult, inzwischen ist er Koordinator für eine Gruppe, ist für 43 Mitarbeiter und drei Arbeitserzieher verantwortlich und organisiert unter anderem die Produktionsabläufe mit den Firmen. Er hat den Schritt nie bereut.
„Jeder Tag ist anders und es ist schön, wenn man sieht, wie die Unterstützung die Leute weiterbringt, manche werden bei uns auch für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht.“Und fügt noch hinzu: „Der Mensch ist bei uns wichtig.“Auch wenn es Probleme gebe. „Dann kommt der Sozialdienst und wir überlegen zusammen, wie es weitergeht.“
Umschulung nach 25 Berufsjahren
Das Zwischenmenschliche sei es, was ihm hier so gefalle. Und auch das, was über die reine Arbeit in der Werkstatt hinausgehe und trotzdem zum Arbeitsalltag gehöre. Und erwähnt die ABMs. „Da kann jeder etwas vorschlagen und es waren schon tolle Dinge dabei. Ausflüge, sportliche Sachen oder Campen in Italien zum Beispiel.“
Bei Hans-Jürgen Türk war es ähnlich. Der 43-Jährige hat 25 Jahre als Industriemechaniker gearbeitet, als er plötzlich eine Allergie gegen Kühlschmierstoffe bekam. „Da habe ich mich an meinen Zivildienst bei der OWB erinnert. Ich hätte bereits damals gern in diesem Bereich weitergemacht.“Das holt er jetzt gerade nach. Auch er ein klassischer Umschüler, derzeit im zweiten Ausbildungsjahr und „froh, wenn ich mit der Schule fertig bin, denn alles mit Theorie in Psychologie und Pädagogik liegt mir nicht so.“Für andere ist das gerade ein Grund, die Schule zu besuchen.
Auch Fächer wie Ethik stehen auf dem Stundenplan. Hans-Jürgen Türk liebt seinen Arbeitsalltag. „Es ist körperlich nicht so anstrengend und es kommt so viel zurück.“Damit meint er die Dankbarkeit seiner Schützlinge. Dass er später weniger verdienen wird als früher, findet er zwar nicht so gut (Verdienstmöglichkeiten s. Kasten). Dass er gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt
hat und „etwas Sinnstiftendes“tut, dagegen schon. Besonders stolz ist der gelernte Industriemechaniker auf den 3-D-Drucker. „Damit können wir jetzt sinnvolle Hilfen für unsere Mannschaft erstellen.“
Stefan Rummel ist Produktionsleiter der OWB Werkstatt in Kisslegg. Er ist für insgesamt 180 Menschen mit Behinderung in den Werkstätten
und 25 Angestellte beim Personal verantwortlich, davon allein 22 Arbeitserzieher (in Voll- und Teilzeit). Der Betreuungsschlüssel liegt laut Rummel zwischen zwölf und 15 Mitarbeitern pro Arbeitserzieher, je nachdem wie betreuungsintensiv die Gruppe jeweils ist. Das Verhältnis von Männern zu Frauen ist bei den Arbeitserziehern in Kisslegg ungefähr ausgewogen. Das mit dem fertigen Beruf als Voraussetzung findet er sinnvoll.
Jeder Mitarbeiter bringt seine Stärken ein
„Bei uns gibt es alles querbeet, egal ob Schreiner, Metaller oder aus der Gastronomie. Sogar eine Zupfinstrumentenbauerin. Jeder hat sein Spezialgebiet, seine Stärke und jeder kann das unterschiedlich einbringen.“Die Mitarbeiter in den Werkstätten hätten schließlich auch ganz unterschiedliche Bedürfnisse. „Einer braucht mehr Motivation, ein anderer eine ruhige Umgebung und ein dritter viel Lob und Erklärungen.“
Was sollten zukünftige Arbeitserzieher mitbringen? Die drei müssen nicht lange überlegen: „Lust auf andere Menschen und Empathiefähigkeit.“Beim – bestenfalls zweiwöchigen – Probearbeiten würde schnell klar, wer dafür passe und für wen das nichts sei. Bei der OWB jedenfalls gibt es viele „alte Hasen“, also Arbeitserzieher, die schon lange dabei sind. „Und das“, so Rummel, „spricht doch irgendwie auch für uns.“