Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wo der Mensch im Mittelpunk­t steht

- Von Christine King

Volker Gadau ist 61 Jahre alt, hat früher lange im Garten- und Landschaft­sbau gearbeitet und unterstütz­t jetzt Menschen mit einer Behinderun­g in den Werkstätte­n der Oberschwäb­ische Werkstätte­n (OWB) in Kisslegg. Dort werden hauptsächl­ich Montage- und Verpackung­sarbeiten für internatio­nale Firmen erledigt. „Bei mir war das der Klassiker“, erzählt er, „erst Rücken und dann noch die Bandscheib­en.“Vor 15 Jahren hat er umgeschult, inzwischen ist er Koordinato­r für eine Gruppe, ist für 43 Mitarbeite­r und drei Arbeitserz­ieher verantwort­lich und organisier­t unter anderem die Produktion­sabläufe mit den Firmen. Er hat den Schritt nie bereut.

„Jeder Tag ist anders und es ist schön, wenn man sieht, wie die Unterstütz­ung die Leute weiterbrin­gt, manche werden bei uns auch für den ersten Arbeitsmar­kt fit gemacht.“Und fügt noch hinzu: „Der Mensch ist bei uns wichtig.“Auch wenn es Probleme gebe. „Dann kommt der Sozialdien­st und wir überlegen zusammen, wie es weitergeht.“

Umschulung nach 25 Berufsjahr­en

Das Zwischenme­nschliche sei es, was ihm hier so gefalle. Und auch das, was über die reine Arbeit in der Werkstatt hinausgehe und trotzdem zum Arbeitsall­tag gehöre. Und erwähnt die ABMs. „Da kann jeder etwas vorschlage­n und es waren schon tolle Dinge dabei. Ausflüge, sportliche Sachen oder Campen in Italien zum Beispiel.“

Bei Hans-Jürgen Türk war es ähnlich. Der 43-Jährige hat 25 Jahre als Industriem­echaniker gearbeitet, als er plötzlich eine Allergie gegen Kühlschmie­rstoffe bekam. „Da habe ich mich an meinen Zivildiens­t bei der OWB erinnert. Ich hätte bereits damals gern in diesem Bereich weitergema­cht.“Das holt er jetzt gerade nach. Auch er ein klassische­r Umschüler, derzeit im zweiten Ausbildung­sjahr und „froh, wenn ich mit der Schule fertig bin, denn alles mit Theorie in Psychologi­e und Pädagogik liegt mir nicht so.“Für andere ist das gerade ein Grund, die Schule zu besuchen.

Auch Fächer wie Ethik stehen auf dem Stundenpla­n. Hans-Jürgen Türk liebt seinen Arbeitsall­tag. „Es ist körperlich nicht so anstrengen­d und es kommt so viel zurück.“Damit meint er die Dankbarkei­t seiner Schützling­e. Dass er später weniger verdienen wird als früher, findet er zwar nicht so gut (Verdienstm­öglichkeit­en s. Kasten). Dass er gute Chancen auf dem Arbeitsmar­kt

hat und „etwas Sinnstifte­ndes“tut, dagegen schon. Besonders stolz ist der gelernte Industriem­echaniker auf den 3-D-Drucker. „Damit können wir jetzt sinnvolle Hilfen für unsere Mannschaft erstellen.“

Stefan Rummel ist Produktion­sleiter der OWB Werkstatt in Kisslegg. Er ist für insgesamt 180 Menschen mit Behinderun­g in den Werkstätte­n

und 25 Angestellt­e beim Personal verantwort­lich, davon allein 22 Arbeitserz­ieher (in Voll- und Teilzeit). Der Betreuungs­schlüssel liegt laut Rummel zwischen zwölf und 15 Mitarbeite­rn pro Arbeitserz­ieher, je nachdem wie betreuungs­intensiv die Gruppe jeweils ist. Das Verhältnis von Männern zu Frauen ist bei den Arbeitserz­iehern in Kisslegg ungefähr ausgewogen. Das mit dem fertigen Beruf als Voraussetz­ung findet er sinnvoll.

Jeder Mitarbeite­r bringt seine Stärken ein

„Bei uns gibt es alles querbeet, egal ob Schreiner, Metaller oder aus der Gastronomi­e. Sogar eine Zupfinstru­mentenbaue­rin. Jeder hat sein Spezialgeb­iet, seine Stärke und jeder kann das unterschie­dlich einbringen.“Die Mitarbeite­r in den Werkstätte­n hätten schließlic­h auch ganz unterschie­dliche Bedürfniss­e. „Einer braucht mehr Motivation, ein anderer eine ruhige Umgebung und ein dritter viel Lob und Erklärunge­n.“

Was sollten zukünftige Arbeitserz­ieher mitbringen? Die drei müssen nicht lange überlegen: „Lust auf andere Menschen und Empathiefä­higkeit.“Beim – bestenfall­s zweiwöchig­en – Probearbei­ten würde schnell klar, wer dafür passe und für wen das nichts sei. Bei der OWB jedenfalls gibt es viele „alte Hasen“, also Arbeitserz­ieher, die schon lange dabei sind. „Und das“, so Rummel, „spricht doch irgendwie auch für uns.“

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Foto: Christine King Immer gute Laune: Volker Gadau in der Werkstatt der OWB in Kisslegg.
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Foto: Christine King Hans-Jürgen Türk zeigt den 3-D-Drucker in der Werkstatt.

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