Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Nach dem Leid sprießt die Hoffnung
Witwe des verstorbenen Sali Krasniqi soll Visum erhalten und wieder einreisen dürfen
RIEDLINGEN/UNLINGEN - Emrach Gashs Stimme klingt besorgt und zuversichtlich zugleich: „Für mich steht an erster Stelle, dass meine Mutter so schnell wie möglich aus dem Kosovo zurückkehrt. Es ist eine tolle Sache, dass meine Mutter nach dem Willen des Landratsamts nun bald wieder nach Deutschland einreisen soll. Aber wie kommt sie hierher? Wer hilft mir mit der Angelegenheit?“
Emrach Gash aus Unlingen hat am Dienstag einen von Landrat Heiko Schmid unterzeichneten Brief erhalten: Darin steht, die Einreisesperre nach Deutschland für seine 64-jährige Mutter Mire Gash sei aufgehoben worden. Zugleich habe das Landratsamt um eine Aufenthaltserlaubnis für seine Mutter beim Regierungspräsidium Tübingen gebeten. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir alles in unserer Macht stehende tun, damit Ihre Mutter schnellstmöglich wieder zurück nach Deutschland kommen und bleiben darf“, schreibt der Landrat.
Dabei ist die untere Ausländerbehörde des Landratsamts nicht ganz unbeteiligt an der Abschiebung von Mire Gash und ihrem Mann Sali Krasniqi, Emrachs Vater, am 12. Oktober 2020 in den Kosovo. Beide lebten fast 29 Jahre in der Region Riedlingen und habe hier sechs Kinder und 17 Enkel. Nach Beschluss der Behörden holte die Polizei das alte Ehepaar plötzlich ab und brachte es außer Landes – ohne Rücksicht auf deren Krankheiten. Angekommen im Kosovo, in dem die Coronapandemie grassiert, lebten Sali Krasniqi und seine Frau Mire unter menschenunwürdigen Bedingungen und ohne ausreichende medizinische Betreuung.
Infolgedessen starb Sali Krasniqi, der in Deutschland mehrmals am Herzen operiert wurde und regelmäßige medizinische Betreuung benötigte, in der Nacht zum 12. März im Kosovo. Dort wurde er unwürdig beerdigt. Zahlreiche ehrenamtlich Engagierte in Flüchtlingsverbänden kämpften für die Rückkehr des Ehepaars, rund 40 000 Menschen unterzeichneten eine Online-Petition zur sofortigen Rückholung von Sali Krasniqi und Mire Gash (SZ berichtete).
Nach dem Leid und tragischen Ereignissen der vergangenen Monate könnte es nun konkret Hoffnung geben: Eine Sprecherin des Regierungspräsidiums Tübingen sagte der SZ gestern, die Behörde habe die Bitte um Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Mire Gash aus dem Landratsamt Biberach schriftlich erhalten. Diese werde nun geprüft, eine Entscheidung könne innerhalb von Tagen oder Wochen fallen. Dagmar Rüdenburg, Vorsitzende des Interkulturellen Forums für Flüchtlingsarbeit in Biberach, sagt dieser Zeitung: „Wir sind sehr froh und erleichtert, dass eine Einreise von Mire Gash in Aussicht gestellt wird. Aber es ist noch nicht geklärt, wann sie kommt. Allerdings haben wir jemanden, der Mire Gash im Kosovo abholen könnte.“Vermutlich werde Mire Gash erst einmal drei Monate hier bleiben dürfen. Dagmar Rüdenburg meint, die Folge verschiedener Aktionen habe den Druck auf die Behörden erhöht, die Mutter von Emrach Gash wieder nach Oberschwaben einreisen zu lassen: Dazu gehöre die öffentliche Trauerfeier für Sali Krasniqi in Biberach am vergangenen Sonntag und auch die Online-Petition.
Walter Schlecht vom „Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung“, der das Schicksal des Ehepaars früh öffentlich gemacht hat und die Familie unterstützt hat, dass Eltern von Emrach langfristig in Deutschland bleiben dürfen, freut sich ebenfalls über die Signale aus dem Landratsamt. „Das Beste wäre, wenn Mire Gash eine Aufenthaltsgenehmigung bekommt und sie hier Menschen hat, die ihr die Krankenversicherung zahlen.“Sie könnte bei ihren Kinder wohnen. Er ist außerdem der Meinung, dass das
Regierungspräsidium Karlsruhe, verantwortlich für die Abschiebung von Mire und Sali, unrechtmäßig gehandelt habe. Er sagt aber auch, dass im Vorfeld von Enscheidungen des Regierungspräsidiums über Abschiebungen auch die untere Ausländerbehörde um ihre Einschätzung gebeten werden .„Die Ausländerbehörden wussten um die Krankheit von Sali Krasniqi. Und ihnen lagen auch die Urkunden vor, dass sie serbische Staatsbürger waren.“Die deutsche Regierung habe die Verpflichtung, kranke Menschen zu schützen und hätten sie niemals ins Kosovo abschieben dürfen. Außerdem stehe noch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe aus, ob die Abschiebung von Mire Gash und ihrem Mann überhaupt rechtskonform gewesen sei. Die Familie Gash und ihr Anwalt hätten damals Klage gegen das Vorgehen der Ausländerbehörden erhoben.
„Es ist ein Wahnsinn, wie die Menschen dort leben“, erzählt Emrach Gash, der am vergangenem Freitag von einem Besuch bei seiner Mutter im Kosovo zurückgekehrt ist. „Meine Mutter ist vollkommen allein gelassen und wohnt in einem kalten, nassen Zimmer. Dort ist niemand, den sie kennt oder der ihr Halt gibt.“Sie brauche jetzt dringend ihr gewohntes soziales Umfeld in Riedlingen und Unlingen. „Außerdem ist sie lungenkrank und benötigt Medikamente.“Die unsäglichen Lebensbedingungen im Kosovo, die unhygienschen sowie mangelhaften Krankenhäuser dort seien ein Risiko für Mire.
„Meine Mutter ist kein Einzelfall. Es gibt viele, die nach einer Abschiebung aus Deutschland in einer solchen Situation sind. Ich frage mich, wie kann man einen Menschen, der hier verwurzelt war, ins Kosovo abschieben? Da haben Behörden doch einen gewissen Spielraum“, sagt Emrach Gash.