Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Drei Brüder, eine Leidenschaft
In der Familie von Frank Kramer hat der Fußball schon immer eine große Rolle gespielt
MEMMINGEN - Vom Hühnerberg auf die „Alm“: Seit Anfang des Monats trainiert ein Memminger den Fußball-Bundesligisten Arminia Bielefeld: Frank Kramer. Der 48-Jährige hat damit eine weitere Sprosse auf seiner Karriereleiter erklommen (siehe auch Infokasten). Sein Start in Ostwestfalen darf als durchaus gelungen bezeichnet werden: In drei Spielen holten die Arminen vier Punkte.
Nachdem sich Arminia Bielefeld vom bisherigen Coach Uwe Neuhaus getrennt hatte, skizzierte Frank Kramer seine Vorstellungen auf der Internetseite des Vereins wie folgt: „Es gibt keine Neuhaus-Arminia und auch keine Kramer-Arminia. Es gibt eine Arminia – und für die müssen alle Spieler und Trainer alles geben. Es geht darum, unseren Fans Freude zu bereiten. Und wenn uns das gelingt, freue ich mich, ein Teil des Teams zu sein.“
Natürlich sei es so, betont Frank Kramer, dass man eine gewisse Richtung vorgeben müsse, aber am Ende entscheide auch, was die Spieler mitund einbrächten. „Wir wollen immer wieder aktiv zum Tor spielen, auch dann, wenn der Gegner mal nicht damit rechnet.“
Da die Arminia nach dem jüngsten Sieg von Mainz 05 auf einem Abstiegsplatz steht, wartet auf ihren Trainer aus Memmingen in der nächsten Zeit jede Menge Arbeit. Aus diesem Grund ist er momentan auch nicht für ein persönliches Gespräch zu erreichen.
Doch in der Maustadt freuen sich nun viele mit Frank Kramer, den Mitglieder der Fußballszene seit seiner Zeit im Nachwuchs des FC Memmingen (FCM) nur als „Gaggi“kennen. Nicht zuletzt seine beiden Brüder, Markus „Fuchs“Kramer (44) und Jürgen „Fuzzy“Kramer (52). Und selbstverständlich auch Mutter Rosmarie.
Wenn die Corona-Pandemie nicht wäre, würde die 75-Jährige derzeit – wie seit vielen, vielen Jahren – bei Heimspielen des FCM in der FußballRegionalliga im Kiosk am Grill stehen und Bockwürste verkaufen. „Rosi“Kramer macht aber kein großes Aufheben darum. Deswegen ergreift ihr Sohn Markus, Schatzmeister beim FCM, für sie das Wort: „Meine Mutter lebt den Kiosk. Sie ist in der Organisation und bei der Bestellung sehr aktiv. Bei Heimspielen ist sie im Holzkiosk immer noch am Grill aktiv. Gott sei Dank, denn die Ehrenamtlichen, die diesen Job ausüben wollen, wachsen leider nicht auf den Bäumen.“Deshalb sei er als Hauptverantwortlicher froh, so Markus Kramer, „dass wir ein tolles und engagiertes Kioskteam haben“.
Seine Mutter und seine beiden Brüder haben am Abend vor der offiziellen Ernennung erfahren, dass Frank Kramer neuer Trainer von Arminia Bielefeld wird. Markus Kramer sagt: „Bei solchen Dingen ruft er immer zuerst die Familie an, bevor es offiziell wird.“
„Solche Dinge“, von denen gibt es mittlerweile eine ganze Menge. Zum Beispiel: Bevor Frank Kramer dem Ruf auf die Bielefelder „Alm“folgte, war er Akademie-Leiter bei Red Bull Salzburg. Zuvor hatte der Memminger seit 2016 beim Deutschen Fußballbund (DFB) verschiedene Nachwuchsteams betreut. Zunächst die U19-Nationalmannschaft, zuletzt die U18. Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter der Nachwuchs-Nationalmannschaften des DFB, sagte in dieser Phase über Kramer: „Er verfügt über einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit jungen Spielern und weiß, welche Schritte notwendig sind, um sie erfolgreich an unsere ANationalmannschaften heranzuführen.“
Worauf er selber bei Spielern großen Wert legt, verriet Kramer einmal auf der Homepage des DFB: „Gehen sie mit Leistung voran? Reißen sie ihre Teamkollegen mit? Strecken sie den Kopf raus und prägen die Partie? Diese Typen wollen wir auf dem Platz sehen. Wir haben zuletzt auf DFBAuswahlebene gemerkt, dass wir diese absolute Gier auf Erfolge wieder stärker betonen und einfordern müssen. Der unbedingte Siegeswille ist ein Muss, wenn Du nach oben willst.“
Den Kramer-Brüdern Jürgen, Frank und Markus wurde diese Begeisterung für den Fußball in die Wiege gelegt. Ihr Vater ist Kurt Kramer, der in der Weihnachtszeit 2015 im Alter von 76 Jahren gestorben ist. Kurt Kramer ist Ehrenmitglied und Ehrenspielführer des Fußball-Regionalligisten FC Memmingen. In den Sechzigerund Siebzigerjahren hatte er als Führungsspieler und später als Spielertrainer maßgeblichen Anteil am großen sportlichen Erfolg der RotWeißen. Später trainierte er unter anderem nicht mit nach Ostwestfalen um. Kramers Sohn wird also weiterhin für die U13 der SpVgg Greuther Fürth stürmen.
Spieler: Als Fußballer spielte Kramer im Seniorenbereich von 1992 bis 2005 unter anderem für den FC Memmingen (FCM), Bayern München II, den 1. FC Nürnberg II, die SpVgg Greuther Fürth II und den 1. SC Feucht. Anfang der Neunzigerjahre spielte der gerade den A-Junioren entwachsene Kramer zusammen mit dem heutigen FCM-Trainer Esad Kahric im damaligen Bayernliga-Team des FCM.
Trainer: Kramer legte in der Reserve der SpVgg Greuther Fürth als Spielertrainer los, coachte dann auch den Nachwuchs des FCM, woran sich so mancher seiner ehemaligen Spieler noch heute dankbar erinnert.
Kurt Kramer war Hauptschullehrer in Memmingen und Schulleiter in Heimertingen. Die Förderung der Jugend lag ihm nicht nur beim Fußball, sondern auch in der Schule immer am Herzen. Und er war das Oberhaupt einer echten Fußballerfamilie, mit seiner Frau Rosmarie immer an seiner Seite. Seine drei Söhne Jürgen, Frank und Markus spielten von Kindesbeinen an beim FC Memmingen.
Wenn man diese Wurzeln kennt, erstaunt es einen nicht, dass Frank Kramer mal über seine mittlerweile seltenen Memmingen-Besuche gesagt hat: „Heimkommen ist immer schön“– dorthin, wo er für seine Freunde nach all den Jahren noch immer ganz einfach „der Gaggi“ist. die U19 der TSG Hoffenheim und schaffte anschließend den Sprung zu seinem ersten Profi-Engagement in Fürth. Die SpVgg führte er im Jahr nach dem Abstieg aus der Bundesliga in seiner ersten Saison gleich in die Aufstiegsrelegation. In Hoffenheim war er bereits 2012 als Interimstrainer in der Bundesliga aktiv. Außerdem coachte er auch schon Fortuna Düsseldorf in der 2. Bundesliga. Frank Kramer gilt als Kopfmensch, der nichts dem Zufall überlässt; als einer, der im Trainingslager abends lieber Fachliteratur liest als sich an der Bar ein Bierchen zu gönnen. Und doch ist er einer, der privat für jeden Spaß zu haben ist. (maj)