Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Tübingens Testmodell macht Schule
Dutzende Städte wollen das Corona-Konzept der Universitätsstadt übernehmen
STUTTGART (lsw) - Fast spürbar steigt der Druck auf das Land: Wann gibt es eine Hoffnung auf eine Corona-Öffnung, wann wird eine Strategie sichtbar? Einen Hoffnungsschimmer sehen Dutzende Kommunen nun im Tübinger Modell mit massiven Schnelltests. Sie haben sich bereits beim Land beworben als Modellregionen oder haben es noch vor. Ziel sei es, möglichst bald Perspektiven zu haben – nicht nur für die lockdownmüden Menschen, sondern auch für Hotels, Restaurants, Museen und die Kultur, hieß es am Donnerstag aus zahlreichen Rathäusern.
„Allein in den letzten drei Tagen hat sich eine dreistellige Zahl an Städten und Gemeinden bei mir gemeldet, die solche Modelle umsetzen wollen“, sagte der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, Steffen Jäger. Die Zahlen aus Tübingen zeigten, dass durch intensives Testen die Inzidenz tatsächlich eingedämmt werden könne. „Wir halten deshalb weiterhin an unserer Forderung fest, das Modell zeitnah landesweit zu ermöglichen.“
In Modellkommunen oder -regionen werden mit strengen Schutzmaßnahmen und Testkonzepten die Beschränkungen in einzelnen Bereichen gelockert. Beim Land beworben haben sich unter anderem der Kreis Calw als Modellregion sowie Neckarsulm, Ludwigsburg und Singen. Die Kommunen und Kreise berufen sich auf einen Beschluss der Bund-Länder-Konferenz. Dort war entschieden worden, dass die Länder im Rahmen von Modellprojekten einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens unter strengen Voraussetzungen öffnen können.
Allerdings muss eine solche Bewerbung nicht automatisch erfolgreich sein: Der Kreis Böblingen hat nach Angaben des Landratsamtes schon eine Absage des Staatsministeriums kassiert. Ein entsprechendes Modellvorhaben könne nur dort zugelassen werden, wo die Inzidenz unter 50 liege, zitierte Landrat Roland Bernhard (parteilos) aus der Begründung des Gesundheitsministeriums
Keine Bewerbung wird es aus Karlsruhe geben: Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) sprach am Donnerstag von einem „Wettlauf der Städte und Gemeinden“. Notwendig sei vielmehr eine landesweite und neue Corona-Strategie, die weniger die Inzidenzen in den Blick nehme, sondern Rahmenbedingungen für die Außengastronomie, die Bibliotheken oder auch die Kultur vorgebe.
In Tübingen läuft seit etwa eineinhalb Wochen und bis zum 4. April ein Modellprojekt zu mehr Öffnungsschritten in Corona-Zeiten. An neun Teststationen können die Menschen kostenlose Tests machen, das Ergebnis wird bescheinigt. Damit kann man in Läden, zum Friseur oder auch in Theater und Museen. In einer ersten Zwischenbilanz zeigte sich Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) trotz Unregelmäßigkeiten bei der Testauswertung zufrieden.
Das Pilotprojekt in Tübingen habe einen wesentlichen Impuls gegeben für weitere Initiativen auch über die Landesgrenzen hinaus, sagte ein Sprecher des Staatsministeriums. Erwartungsgemäß seien bereits viele Anfragen und auch Anträge für ein Modellvorhaben beim Gesundheitsministerium eingegangen. „Wir sind gerade auf allen Ebenen mit der kommunalen Seite über das Thema Modellprojekte im Gespräch“, sagte er weiter. „Wir sind offen für weitere Modellversuche“, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). „Allerdings muss natürlich alles vor dem Hintergrund der Infektionszahlen gespiegelt werden.“
In Bayern hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Modellkommunen zur Chefsache gemacht und den Start in acht Kommunen vom 12. April an erklärt.