Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Licht und Schatten
Was das neue Lobbyregister im Kampf gegen Korruption bringt
BERLIN - Welche Folgen haben neue Gesetze und Verordnungen auf den Alltag der Bürger, auf Geschäftsmodelle von Unternehmen oder ganzen Wirtschaftszweigen? Weder Politiker noch die Spitzenbeamten in den Ministerien übersehen mitunter die Effekte ihrer geplanten Gesetzgebung. Das schafft eine Grauzone: Einerseits braucht die Politik die Beratung durch fachkundige Interessenvertreter der von Gesetzen konkret Betroffenen. Andererseits sieht sie sich auch gezieltem Druck und Beeinflussung dieser Interessenvertreter, also den Lobbyisten, ausgesetzt.
Die Koalition hat sich auf Schritte verständigt, diese Grauzone zumindest etwas besser auszuleuchten. Der Bundestag hat am Donnerstag die Einführung eines Lobbyregisters beschlossen. Lange hatte sich die Union gegen ein solches Register gewehrt. Die Regelung sieht vor, dass sich Interessenvertreter in einem öffentlichen, beim Bundestagspräsidenten geführten Verzeichnis registrieren müssen.
Die Pflicht zur Registrierung besteht dann, wenn die Lobbytätigkeit „regelmäßig betrieben wird“, „auf Dauer angelegt ist“, „geschäftsmäßig für Dritte betrieben wird“oder „innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 50 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte aufgenommen wurden“, heißt es in dem Gesetz. Anzugeben sind neben persönlichen Daten die Firma, für die der Vertreter tätig ist, Zuwendungen durch die öffentliche Hand oder auch Zuschüsse oder Schenkungen Dritter mit Angabe des Namens oder der Firma der Geber sowie die jährlichen Aufwendungen für die Lobbyarbeit.
Damit soll sichergestellt werden, dass bekannt ist, wer im Berliner Politikbetrieb als Beeinflusser unterwegs ist. Wobei nicht nur die Interessenvertretung gegenüber den Abgeordneten des Bundestags gemeint ist, sondern auch die der Bundesregierung bis zur Ebene der Unterabteilungsleiter in Ministerien.
Im Vergleich zum bisherigen undurchsichtigen Lobbywesen ist das ein Fortschritt. Allerdings gibt es auch Grenzen der Transparenz. So enthält das neue Gesetz eine ganze Reihe von Ausnahmen von der Registrierungspflicht. Nicht eintragen muss sich, wer sich im Rahmen der Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Mandats an die Bundesregierung oder Abgeordnete wendet. Auch Vertreter von Arbeitgeberoder Arbeitnehmerverbänden, von
Kirchen oder Religionsverbänden, kommunaler Spitzenverbände oder Personen „soweit sie Rechtsberatung für einen Dritten oder sich selbst“betreiben, also Anwälte, müssen sich nicht registrieren.
Wer sich als Lobbyist nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig ins Register einträgt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Sie kann mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro belegt werden. Zugleich akzeptieren die Lobbyisten durch ihren Eintrag einen Verhaltenskodex, der noch von Bundesregierung und Bundestag „unter Beteiligung der Zivilgesellschaft“vorgelegt werden soll.
Nicht ins Gesetz hat es der sogenannte „exekutive Fußabdruck“geschafft. Der würde deutlich machen, welche Lobbyisten bei der Erarbeitung eines konkreten Gesetzes mit welcher Stellungnahme tatsächlich Einfluss genommen haben.
Die SPD bedauert das. Der Fußabdruck wäre ein wichtiger Beitrag zur Schaffung von Transparenz im Bereich der Gesetzgebung gewesen, sagte ihr Verhandlungsführer Matthias Bartke. „Die Union hat ihn verhindert“, sagte er. Selbst nach den jüngsten Skandalen gelte für die Union wohl noch der Grundsatz: „Zu viel Transparenz ist unerwünscht“, sagte Bartke. Auch die Nichtregierungsorganisation Transparency International zeigt sich unzufrieden. Ihr DeutschlandChef Hartmut Bäumer glaubt, dass Außenstehende „auch in Zukunft keine Transparenz über die konkrete Lobbyarbeit bekommen werden oder höchstens eine sehr dünne“. Er kritisiert vor allem, dass auch durch die Registrierung noch nicht klar werde, welcher Lobbyist bei der Erarbeitung von Gesetzen seinen Einfluss geltend gemacht habe.
Das Lobbyregister ist nicht die einzige Baustelle in Sachen Transparenz. Union und SPD wollen auch das Abgeordnetengesetz ändern.
Hier gestalten sich die Verhandlungen allerdings schwierig. In einem Punkt aber sind sich beide Seiten inzwischen einig: Die Abgeordnetenbestechung soll juristisch zu einem „Verbrechen“hochgestuft und damit mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden.
Sonst aber wird noch um vieles gerungen. Beide Seiten haben Eckpunkte vorgelegt. So will die SPD die Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten – und zwar auf den Euro genau. Auch der zeitliche Umfang von Nebentätigkeiten soll genau angegeben werden. Die Spitze der Unionsfraktion will Bundestagsabgeordneten verbieten, „entgeltliche Tätigkeit als Interessenvertreter für einen Dritten gegenüber der Bundesregierung oder im Bundestag“durchzuführen. Sie will aber die genaue Offenlegung der Nebeneinkünfte erst ab einer Summe von 100 000 Euro. Niemand rechnet mit einer raschen Einigung.