Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die dritte Welle stoppen
Öffnen, oder doch lieber nicht – Im Kampf gegen die Corona-Mutante driften die Bundesländer weiter auseinander
BERLIN - Nach der verpatzten Ministerpräsidentenkonferenz ist unklar, mit welchen Maßnahmen Bund und Länder die dritte Corona-Infektionswelle brechen wollen. Die geplante Osterruhe ist einer Empfehlung gewichen, in dieser Zeit zwischenmenschliche Kontakte so gut es geht zu vermeiden. Dem Ruf nach Lockerungen begegnete Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Aufforderung an die Kommunen, bei Öffnungen kreativer zu werden. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Welche Kommunen planen Lockerungen?
In Baden-Württemberg haben mehrere Städte angekündigt, dem Beispiel Tübingens folgen zu wollen. Dort läuft bis zum 4. April ein Modellversuch zu Lockerungen. Einwohner und Besucher können sich kostenlos einem Corona-Test unterziehen und bei Vorlage eines negativen Ergebnisses in Läden oder zum Friseur gehen sowie Theater oder Museen besuchen (siehe auch Seite 2). Ähnliches planen Kommunen unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schlewig-Holstein. In Berlin hat es bereits Kultur- und Sportveranstaltungen gegeben, bei denen nur getestetes Publikum in den Konzertsaal beziehungsweise in die Sporthalle gelassen wurde. Laut den Organisatoren verlief alles weitgehend unproblematisch. In Rostock ist ein Drittliga-Fußballspiel vor getesteten Zuschauern geplant. Die Kanzlerin sagte am Donnerstag im Bundestag, es sei „keinem Bürgermeister und keinem Landrat verwehrt, das zu tun, was in Tübingen oder Rostock gemacht wird“.
Das Saarland will Lockerungen einführen. Was ist da vorgesehen?
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) kündigte an, dass in seinem Bundesland vom 6. April an die Außengastronomie geöffnet wird. Außerdem wird unter Auflagen das Fußballspielen im Freien erlaubt, und es darf drinnen wieder kontaktfreier Sport ausgeübt werden. Auch Fitnessstudios dürfen wieder öffnen. Theater, Kinos und Konzerthäuser dürfen wieder Besucher hereinlassen – Voraussetzung sind negative Tests und die Möglichkeit der Kontaktnachverfolgung.
„Es muss uns nach einem Jahr Corona-Pandemie mehr einfallen als nur zu schließen und zu beschränken“, betonte Hans. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verfolgt den Plan, in Kommunen mit einer Inzidenztrate von unter 100 noch vor Ostern die Außengastronomie zu öffnen. Schleswig-Holstein will damit direkt nach Ostern folgen. Für Mecklenburg-Vorpommern hat Regierungschefin Manuela Schwesig in Aussicht gestellt, dass nach Ostern als Modellversuch erste Hotels und Pensionen öffnen könnten.
Sind solche Probeläufe riskant?
Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, sieht die Öffnungsversuche kritisch. „Wir können den Anstieg nicht stoppen, es sei denn mit einem neuen Lockdown für das Land“, sagte er. „Andere Werkzeuge“zur Eindämmung der dritten Welle stünden nicht zur Verfügung. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach machte deutlich, dass er wenig von Öffnungen in Handel und Gastronomie in Kombination mit einer Vielzahl von Tests halte. „Die Zahlen werden weiter steigen“, sagte er. Seine Begründung: „Die Tests für Schulen und Betriebe fehlen noch, weil der Aufbau dauert.“Deshalb sei die Lage noch nicht beherrschbar. Wirksam wären laut Lauterbach Ausgangssperren bei einer Inzidenz von 100. „Kommen werden sie später sonst ohnehin“, betonte Lauterbach, weil die Infektionswelle diesmal – anders als vor einem Jahr – nicht vom Wetter gestoppt werde. Nun gelte es, „das Tempo aus der Verbreitung der britischen Mutante herauszunehmen“. Da helfe nur ein harter Lockdown. „Anders haben das die anderen auch nicht geschafft. Es gibt keinen dritten Weg.“
Gibt es auch andere Stimmen?
Ja. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, wehrt sich gegen die Perspektive eines noch viel länger währenden Lockdowns. „Der monatelange Jojo-Dauerlockdown zermürbt die Menschen. Er darf nicht unsere einzige Antwort auf die dritte Welle sein“, sagte er . Die nun vorgesehenen Versuche seien Schritte, die langsam, aber sicher die „Rückkehr in die gesellschaftliche Normalität“ermöglichten.