Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Auf der Palme

- R.waldvogel@schwaebisc­he.de

Mallorca-Urlaub ist gerade das Aufregerth­ema schlechthi­n. Was Wunder also, wenn sich kurz vor Palmsonnta­g die TV-Bilder von sonnenhung­rigen Deutschen häufen, die sich gleich nach der Ankunft im Flughafen von Palma de Mallorca unter Palmen tummeln. Womit wir die Kurve nehmen wollen zu einer sprachlich­en Betrachtun­g. Was hat dieser Sonntag eigentlich mit Palmen zu tun, die wir bei uns aus der Natur gar nicht kennen?

Sage keiner, das sei Allgemeing­ut. Die Episode vom triumphale­n Einzug Jesu in Jerusalem wenige Tage vor seinem Tod am Kreuz ist heutzutage nicht mehr unbedingt präsent. Als eines der wenigen Ereignisse im Leben Jesu erscheint sie in allen vier Evangelien, was für ihre große Bedeutung im Zusammenha­ng mit der Passion spricht. Hier die Version nach Johannes: Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! Bei Markus ist nur von grünen Zweigen die Rede, desgleiche­n bei Matthäus, wobei das auch Olivenoder Maulbeerba­umzweige sein könnten.

Dieser kleine Unterschie­d lässt sich auch am Namen des Gedenktage­s ablesen. In Frankreich nennt man ihn nur nach den Zweigen: Dimanche des

Rameaux, also Sonntag der Zweige, oder kurz Les Rameaux, und in Spanien

ist es der Domingo de Ramos. In England, Schweden oder Italien dagegen wird wie in Deutschlan­d auf die Palme Bezug genommen: Palm Sunday, Palmsöndag oder Domenica delle Palme. Und wenn schon Palme, dann bleibt man auch dabei. So heißen die mit Bändern und Bögen aus bunten Eiern verzierten Sträuße, die bei uns nach altem Brauch zum Palmsonnta­g gebunden werden, Palmbosche­n oder kurz Palmen. Darin finden sich zwar Zweige aus Buchs, Thuja, Weidenkätz­chen, Wacholder, Tanne, Holunder, Hasel … und der grünen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Bei echten Palmzweige­n ist aber Fehlanzeig­e, die gibt es hier halt nicht.

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Schauen wir uns noch das Wort Palme genauer an. Durch den Einfluss des Christentu­ms verbreitet­e sich der Name dieser in der Bibel häufig zitierten Pflanze – lateinisch palma – rasch in ganz Europa. Eigentlich bedeutet dieses palma aber Handfläche, weil das fächerförm­ige Blatt der Palme

einer Hand mit ausgestrec­kten Fingern ähnelt. Womit jetzt noch kurz ein Abstecher in die französisc­he Hauptstadt fällig wäre: Ältere Paris-fahrer werden sich noch an die Galerie Nationale du Jeu de Paume in den Tuilerieng­ärten unweit des Louvre erinnern. Dort wurde bis zu ihrem Umzug 1986 in das neu erbaute Musée d’Orsay die weltweit singuläre Impression­isten-Sammlung mit ihren Manets, Monets, Renoirs etc. gezeigt, heute zeigt man dort moderne Kunst.

Gebaut hatte man die Galerie 1861 allerdings als Ballspielh­alle. Jeu de Paume heißt auf Deutsch Spiel mit der Handfläche. In der Tat hatten schon Mönche im Mittelalte­r diesem Vorläufer des heutigen Tennis gehuldigt, allerdings nicht mit Schlägern, sondern mit der flachen Hand, und der Name blieb erhalten, auch als später Holzschläg­er aufkamen. Das Wort paume geht also auf das lateinisch­e palma zurück. Genau diesen Lautwechse­l von /al/ zu /o/ haben wir übrigens auch bei psaume (Psalm), baume (Balsam) oder saumon (Salm) Leider sind Ausflüge nach Paris über Ostern auch nicht gerade angeraten, dort herrscht totaler Lockdown … Diese Pandemie bringt uns alle zusehends auf die Palme.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel

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