Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Lösungen für Welternähr­ung

Mit einer Anbaumetho­de räumt ein Zwillingsp­aar aus Ulm derzeit Preise ab

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM/ELCHINGEN - Auf vier Quadratmet­ern so viel Pflanzen anbauen wie sonst auf 1000, wenn man die Produktion auf ein ganzes Jahr hochrechne­t. Und das bei 95 Prozent weniger Wasserverb­rauch. Die Zwillinge Philip und Sascha Rose präsentier­en ihr Projekt Roko-Farming mit Eckdaten, die für Aufsehen sorgen. Nun zogen sie in das Finale des Gründungsw­ettbewerbs „Start-up BW Elevator Pitch“ein.

Die zwei 30-Jährigen, einer Bio, der andere Wirtschaft­singenieur, haben eine Idee, die weltweit für Furore sorgt, mit ihrem Erfinderge­ist bereichert. Vertical Farming Landwirtsc­haft in der Senkrechte­n auf schwäbisch­e Art. Auf einem Fließband ziehen die Brüder Salat, Basilikum und Co.

Derzeit bauen die in Ulm lebenden und in Heidenheim aufgewachs­enen Brüder in einer Halle in Elchingen ihre nunmehr vierte und größte Pilotanlag­e. Auf einer vier Quadratmet­er großen Grundfläch­e können auf der Anlage mit drei Ebenen 650 Pflanzen in einem geschlosse­nen System kultiviert werden. Grundsätzl­ich, so Philip Rose, entspreche die Leistungsf­ähigkeit der kleinen Anlage der Jahresprod­uktion eines 1000-Quadratmet­er-Ackers.

Die weltweit größte vertikale Farm steht derzeit nach Angaben des Bundesinfo­rmationsze­ntrums Landwirtsc­haft in den USA im Bundesstaa­t New Jersey. Dort kultiviert das Unternehme­n AeroFarms in einer ehemaligen Stahlfabri­k Gemüse in zwölf Etagen übereinand­er 6500 Quadratmet­ern über 900 Tonnen Gemüse pro Jahr. Sowohl in den USA als auch in Ulm wachsen die Pflanzen nicht in normaler Erde, sondern in einer Flüssigkei­t. Das Bewässerun­gssystem hört auf den komplizier­ten Namen Aeroponik. Sei aber ganz einfach, wie Rose erklärt: „Die Wurzeln werden einfach mit einer Nährstoffl­ösung besprüht, diese versprühte Nährstoffl­ösung ist dann das Aerosol. Und die Wurzeln hängen im Prinzip in der Luft.“

Den Unterschie­d in Elchingen macht aber die Fließbandt­echnik: Die Pflanzen werden auf einem Rohrsystem im Kreis gefahren und können so nacheinand­er geerntet werden und das Ganze vertikal. „Wir sind leidenscha­ftliche Gärtner“, sagt Philip Rose. Nach einer Doku im Fernsehen über „Vertical Farming“kam ihm die Idee, das ganze zu automatisi­eren. Im Wohnzimmer des Bruders bauten sie dann eine erste Anlage auf. Und das funktionie­rte. Im vergangene­n Jahr nahmen sie am Berblinger-Innovation­swettbewer­b teil und gewannen neben Ruhm und Ehre auch 15 000 Euro zur Realisieru­ng ihres Projekts. Durch eine Crowd-Funding-Kampagne kamen dann zusätzlich­e 7000 Euro Startkapit­al rein. Die Resonanz auf eine vollkommen neue Art und Weise der Nahrungsmi­ttelproduk­tion sei dann so groß gewesen, dass die Zwillinge in der „kontinuier­lichen Pflanzenpr­oduktionsa­nlage“auch eine Möglichkei­t des Lebensunte­rhalts sahen.

Die Brüder heben sich mit ihrer Fließbandt­echnik ab vom Mainstream des „Vertical Farmings“. Vertikale Landwirtsc­haft verbreitet sich auf der ganzen Welt. Doch die rollende Variante sei „durchaus ein Alleinstel­lungsmerkm­al“des Zwei-MannUntern­ehmens. Seit Anfang des Jahres

ist das Unternehme­n in einer Halle in Elchingen beheimatet. Die Anlage mit vier Quadratmet­ern Grundfläch­e soll im April in Betrieb gehen. „Salate funktionie­ren super gut“, sagt Philip Rose. Doch auch Kräuter wie Basilikum und Rosmarin seien sehr gut geeignet.

Die Pflanzen aus der Fließbanda­nlage würden prima schmecken und auch länger halten als die Ware aus dem Supermarkt. Und das natürlich ganz ohne Pestizide. Eine seiner Fließband-Basilikums-Pflanzen habe Philip Rose vor drei Monaten geerntet. Noch immer erfreue sich der Basilikum bester Gesundheit. Bei Topf-Kräutern aus dem Supermarkt ist das selten der Fall. Philip Rose erklärt sich diese Widerstand­sfähigkeit mit der keim- und organismen­armen Aufzucht in einer Anlage unter optimalen Bedingunge­n. „Wir arbeiten nicht steril“, sagt Rose. Doch auf eine Abschirmun­g der Pflanzen vor schädliche­n Einflüssen werde geachtet. Die Zwillinge sehen ihre Anlagen in der Zukunft in städtische­n Gärtnereie­n oder auch durchaus in Kantinen oder Großrestau­rants.

„Wir sind auf der Suche nach Pilotkunde­n.“Diese könnten auch Städte sein, die so ihre Einrichtun­gen beliefern könnten und zeitgleich ein Zeichen für Grün in der Stadt setzen wollen. Ein Hindernis sei aber bislang der Strompreis. Bei 25 Cent für eine Kilowattst­unde Strom sei es noch schwierig, so eine Anlage mit künstliche­r Beleuchtun­g in Deutschlan­d wirtschaft­lich zu betreiben. Interessan­ter wäre es durch eine Förderung, wenn der Strom dadurch nur acht oder neun Cent pro Kilowattst­unde kosten würde. Betreiben ließen sich die Anlagen für mehrere Produkte, also Salate und Kräuter gleichzeit­ig. „Wir streben an, dass man auch kalorienha­ltige Pflanzen wie Weizen oder Soja so kultiviere­n kann.“Denn nur mit Salaten könne man die Welt auch nicht ernähren. Die Patentanme­ldung läuft. Auf dem Fließband in Elchingen laufen Versuche mit Kartoffeln. Versuche, die eines Tages nicht mehr und nicht weniger Antworten auf das Problem der wachsenden Weltbevölk­erung bei schwindend­en Ressourcen liefern soll.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Roko-Farming betreiben die Zwillinge Philip und Sascha (mit Brille) Rose.
FOTO: ALEXANDER KAYA Roko-Farming betreiben die Zwillinge Philip und Sascha (mit Brille) Rose.

Newspapers in German

Newspapers from Germany