Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Lösungen für Welternährung
Mit einer Anbaumethode räumt ein Zwillingspaar aus Ulm derzeit Preise ab
ULM/ELCHINGEN - Auf vier Quadratmetern so viel Pflanzen anbauen wie sonst auf 1000, wenn man die Produktion auf ein ganzes Jahr hochrechnet. Und das bei 95 Prozent weniger Wasserverbrauch. Die Zwillinge Philip und Sascha Rose präsentieren ihr Projekt Roko-Farming mit Eckdaten, die für Aufsehen sorgen. Nun zogen sie in das Finale des Gründungswettbewerbs „Start-up BW Elevator Pitch“ein.
Die zwei 30-Jährigen, einer Bio, der andere Wirtschaftsingenieur, haben eine Idee, die weltweit für Furore sorgt, mit ihrem Erfindergeist bereichert. Vertical Farming Landwirtschaft in der Senkrechten auf schwäbische Art. Auf einem Fließband ziehen die Brüder Salat, Basilikum und Co.
Derzeit bauen die in Ulm lebenden und in Heidenheim aufgewachsenen Brüder in einer Halle in Elchingen ihre nunmehr vierte und größte Pilotanlage. Auf einer vier Quadratmeter großen Grundfläche können auf der Anlage mit drei Ebenen 650 Pflanzen in einem geschlossenen System kultiviert werden. Grundsätzlich, so Philip Rose, entspreche die Leistungsfähigkeit der kleinen Anlage der Jahresproduktion eines 1000-Quadratmeter-Ackers.
Die weltweit größte vertikale Farm steht derzeit nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft in den USA im Bundesstaat New Jersey. Dort kultiviert das Unternehmen AeroFarms in einer ehemaligen Stahlfabrik Gemüse in zwölf Etagen übereinander 6500 Quadratmetern über 900 Tonnen Gemüse pro Jahr. Sowohl in den USA als auch in Ulm wachsen die Pflanzen nicht in normaler Erde, sondern in einer Flüssigkeit. Das Bewässerungssystem hört auf den komplizierten Namen Aeroponik. Sei aber ganz einfach, wie Rose erklärt: „Die Wurzeln werden einfach mit einer Nährstofflösung besprüht, diese versprühte Nährstofflösung ist dann das Aerosol. Und die Wurzeln hängen im Prinzip in der Luft.“
Den Unterschied in Elchingen macht aber die Fließbandtechnik: Die Pflanzen werden auf einem Rohrsystem im Kreis gefahren und können so nacheinander geerntet werden und das Ganze vertikal. „Wir sind leidenschaftliche Gärtner“, sagt Philip Rose. Nach einer Doku im Fernsehen über „Vertical Farming“kam ihm die Idee, das ganze zu automatisieren. Im Wohnzimmer des Bruders bauten sie dann eine erste Anlage auf. Und das funktionierte. Im vergangenen Jahr nahmen sie am Berblinger-Innovationswettbewerb teil und gewannen neben Ruhm und Ehre auch 15 000 Euro zur Realisierung ihres Projekts. Durch eine Crowd-Funding-Kampagne kamen dann zusätzliche 7000 Euro Startkapital rein. Die Resonanz auf eine vollkommen neue Art und Weise der Nahrungsmittelproduktion sei dann so groß gewesen, dass die Zwillinge in der „kontinuierlichen Pflanzenproduktionsanlage“auch eine Möglichkeit des Lebensunterhalts sahen.
Die Brüder heben sich mit ihrer Fließbandtechnik ab vom Mainstream des „Vertical Farmings“. Vertikale Landwirtschaft verbreitet sich auf der ganzen Welt. Doch die rollende Variante sei „durchaus ein Alleinstellungsmerkmal“des Zwei-MannUnternehmens. Seit Anfang des Jahres
ist das Unternehmen in einer Halle in Elchingen beheimatet. Die Anlage mit vier Quadratmetern Grundfläche soll im April in Betrieb gehen. „Salate funktionieren super gut“, sagt Philip Rose. Doch auch Kräuter wie Basilikum und Rosmarin seien sehr gut geeignet.
Die Pflanzen aus der Fließbandanlage würden prima schmecken und auch länger halten als die Ware aus dem Supermarkt. Und das natürlich ganz ohne Pestizide. Eine seiner Fließband-Basilikums-Pflanzen habe Philip Rose vor drei Monaten geerntet. Noch immer erfreue sich der Basilikum bester Gesundheit. Bei Topf-Kräutern aus dem Supermarkt ist das selten der Fall. Philip Rose erklärt sich diese Widerstandsfähigkeit mit der keim- und organismenarmen Aufzucht in einer Anlage unter optimalen Bedingungen. „Wir arbeiten nicht steril“, sagt Rose. Doch auf eine Abschirmung der Pflanzen vor schädlichen Einflüssen werde geachtet. Die Zwillinge sehen ihre Anlagen in der Zukunft in städtischen Gärtnereien oder auch durchaus in Kantinen oder Großrestaurants.
„Wir sind auf der Suche nach Pilotkunden.“Diese könnten auch Städte sein, die so ihre Einrichtungen beliefern könnten und zeitgleich ein Zeichen für Grün in der Stadt setzen wollen. Ein Hindernis sei aber bislang der Strompreis. Bei 25 Cent für eine Kilowattstunde Strom sei es noch schwierig, so eine Anlage mit künstlicher Beleuchtung in Deutschland wirtschaftlich zu betreiben. Interessanter wäre es durch eine Förderung, wenn der Strom dadurch nur acht oder neun Cent pro Kilowattstunde kosten würde. Betreiben ließen sich die Anlagen für mehrere Produkte, also Salate und Kräuter gleichzeitig. „Wir streben an, dass man auch kalorienhaltige Pflanzen wie Weizen oder Soja so kultivieren kann.“Denn nur mit Salaten könne man die Welt auch nicht ernähren. Die Patentanmeldung läuft. Auf dem Fließband in Elchingen laufen Versuche mit Kartoffeln. Versuche, die eines Tages nicht mehr und nicht weniger Antworten auf das Problem der wachsenden Weltbevölkerung bei schwindenden Ressourcen liefern soll.