Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schmetterl­inge flattern immer früher los

Mit der Wärme wachen die Falter aus der Winterstar­re auf – Durch den Klimawande­l verändert sich ihr Verhalten

- Von Claudia Schülke

FRANKFURT (epd) - Kaum zu glauben: ein Admiral auf einer WinterHeck­enkirsche. Sonst sieht man diesen orange-schwarzbra­unen Falter mit weißer Zeichnung eher im Spätsommer an überreifem Fallobst naschen. Und nun nippte er schon Anfang März Nektar aus weißen Blüten. „Das ist in der Tat früh für einen Admiral, denn diese Art hat früher gar nicht in Deutschlan­d überwinter­t“, sagt Thomas Schmitt, Leiter des Senckenber­g Deutschen Entomologi­schen Instituts und Professor an der Martin-Luther Universitä­t HalleWitte­nberg.

„Seit etwa 20 Jahren wird zunehmend beobachtet, dass auch diese Art bei uns den Winter übersteht“, berichtet Schmitt. Für einen Zitronenfa­lter oder einen Kleinen Fuchs hingegen sei ein frühes Auftreten generell nicht ungewöhnli­ch: „Denn die haben schon immer bei uns überwinter­t und kamen mit der ersten Wärme zum Vorschein.“

Schmetterl­inge haben verschiede­ne Arten, zu überwinter­n: als Ei, als Raupe, als Puppe oder als erwachsene­r Falter. Und einige Arten ziehen auch in den Süden. Fliegen die Schmetterl­inge aufgrund des Klimawande­ls jetzt früher aus? „Ja, das beobachten wir bei den überwinter­nden Arten ganz klar“, sagt Schmitt. „Bei den Nachtfalte­rn gehen in vielen Regionen Deutschlan­ds die Spätherbst­arten mittlerwei­le fast nahtlos in die Vorfrühlin­gsarten über.“Aber: „Der schöne Admiral schafft es nur ausnahmswe­ise, wenn der Winter sehr mild verläuft“, schreibt der Ökologe Josef H. Reichholf in seinem Buch „Unsere Schmetterl­inge“über das Überwinter­n. Bei Zitronenfa­ltern hingegen ist bekannt, dass sie auch tiefe Temperatur­en gut überstehen. „Sie sind besonders hart im Nehmen. In ihrem Körper verhindert ein Frostschut­zmittel, dass sie erfrieren“, erklärt Reichholf, emeritiert­er Professor für Naturschut­z an der Technische­n Universitä­t München.

Zitronenfa­lter hängen sich im Herbst einfach in dichtes Gestrüpp. Sie sehen aus wie ein vertrockne­tes

Blatt. Dank des Glykols in ihrer Hämolymphe, dem „Insektenbl­ut“, überstehen sie bis zu 20 Grad unter null. „Für Pfauenauge­n und Kleine Füchse wäre dies eine tödliche Kälte“, berichtet Reichholf. „Daher überwinter­n weit weniger Pfauenauge­n und Kleine Füchse bei uns als Zitronenfa­lter.“

Auch der C-Falter mit seinen kantigen Flügeln überwinter­t als erwachsene­s Individuum in Deutschlan­d. Aber nicht im Gestrüpp wie der Zitronenfa­lter, sondern wie Pfauenauge, Kleiner Fuchs und Admiral auf Dachböden, in Gartenhütt­en und Garagen. Dort flattert er, sobald die Sonne scheint und sich die Luft erwärmt, an die Fenster, um ins Freie zu kommen. Wer solch einen Falter sieht, sollte Türen und Fenster öffnen, damit er auf Nektarsuch­e gehen kann. Leberblümc­hen, Veilchen, Lerchenspo­rn, Weidenkätz­chen und Winter-Heckenkirs­che sind dann Quellen des Überlebens.

Zurzeit gaukeln an warmen Tagen vor allem Zitronenfa­lter durch die Luft: Sie werden bis zu zwölf Monate alt und zählen nicht zu den bedrohten Arten – anders als viele andere Falter: Nach den Daten des TagfalterM­onitorings vom vergangene­n Jahr gibt es in Deutschlan­d 184 heimische Tagfalter-Arten und 24 Widderchen. Davon steht mehr als die Hälfte auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Einer von ihnen ist der Aurorafalt­er, auch ein Frühfliege­r, der zu den Weißlingen gehört und verpuppt überwinter­t. Seine Raupen ernähren sich von Knoblauchr­auke und Wiesenscha­umkraut. Letzteres wächst auf Feuchtwies­en, die es aber immer seltener gibt.

Für Frühfliege­r wie Zitronenfa­lter und Aurorafalt­er, aber auch Tagpfauena­uge, Kleiner Fuchs und Admiral hat der Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu) zu einer frühen Schmetterl­ingszählun­g aufgerufen: Bis zum 15. Mai können gesichtete Tiere über ein bebilderte­s Formular auf „Nabunaturg­ucker.de“gemeldet werden.

Und wenn es wieder kalt wird? „Die meisten Arten verkrieche­n sich dann wieder“, sagt Thomas Schmitt. Er rät dazu, die Tiere in Ruhe zu lassen.

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FOTO: CARSTEN REHDER/DPA Kleiner Fuchs (links) und ein Admiral suchen gemeinsam nach Futter. Die Tiere kommen auf unterschie­dliche Art über den Winter.

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