Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schmetterlinge flattern immer früher los
Mit der Wärme wachen die Falter aus der Winterstarre auf – Durch den Klimawandel verändert sich ihr Verhalten
FRANKFURT (epd) - Kaum zu glauben: ein Admiral auf einer WinterHeckenkirsche. Sonst sieht man diesen orange-schwarzbraunen Falter mit weißer Zeichnung eher im Spätsommer an überreifem Fallobst naschen. Und nun nippte er schon Anfang März Nektar aus weißen Blüten. „Das ist in der Tat früh für einen Admiral, denn diese Art hat früher gar nicht in Deutschland überwintert“, sagt Thomas Schmitt, Leiter des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts und Professor an der Martin-Luther Universität HalleWittenberg.
„Seit etwa 20 Jahren wird zunehmend beobachtet, dass auch diese Art bei uns den Winter übersteht“, berichtet Schmitt. Für einen Zitronenfalter oder einen Kleinen Fuchs hingegen sei ein frühes Auftreten generell nicht ungewöhnlich: „Denn die haben schon immer bei uns überwintert und kamen mit der ersten Wärme zum Vorschein.“
Schmetterlinge haben verschiedene Arten, zu überwintern: als Ei, als Raupe, als Puppe oder als erwachsener Falter. Und einige Arten ziehen auch in den Süden. Fliegen die Schmetterlinge aufgrund des Klimawandels jetzt früher aus? „Ja, das beobachten wir bei den überwinternden Arten ganz klar“, sagt Schmitt. „Bei den Nachtfaltern gehen in vielen Regionen Deutschlands die Spätherbstarten mittlerweile fast nahtlos in die Vorfrühlingsarten über.“Aber: „Der schöne Admiral schafft es nur ausnahmsweise, wenn der Winter sehr mild verläuft“, schreibt der Ökologe Josef H. Reichholf in seinem Buch „Unsere Schmetterlinge“über das Überwintern. Bei Zitronenfaltern hingegen ist bekannt, dass sie auch tiefe Temperaturen gut überstehen. „Sie sind besonders hart im Nehmen. In ihrem Körper verhindert ein Frostschutzmittel, dass sie erfrieren“, erklärt Reichholf, emeritierter Professor für Naturschutz an der Technischen Universität München.
Zitronenfalter hängen sich im Herbst einfach in dichtes Gestrüpp. Sie sehen aus wie ein vertrocknetes
Blatt. Dank des Glykols in ihrer Hämolymphe, dem „Insektenblut“, überstehen sie bis zu 20 Grad unter null. „Für Pfauenaugen und Kleine Füchse wäre dies eine tödliche Kälte“, berichtet Reichholf. „Daher überwintern weit weniger Pfauenaugen und Kleine Füchse bei uns als Zitronenfalter.“
Auch der C-Falter mit seinen kantigen Flügeln überwintert als erwachsenes Individuum in Deutschland. Aber nicht im Gestrüpp wie der Zitronenfalter, sondern wie Pfauenauge, Kleiner Fuchs und Admiral auf Dachböden, in Gartenhütten und Garagen. Dort flattert er, sobald die Sonne scheint und sich die Luft erwärmt, an die Fenster, um ins Freie zu kommen. Wer solch einen Falter sieht, sollte Türen und Fenster öffnen, damit er auf Nektarsuche gehen kann. Leberblümchen, Veilchen, Lerchensporn, Weidenkätzchen und Winter-Heckenkirsche sind dann Quellen des Überlebens.
Zurzeit gaukeln an warmen Tagen vor allem Zitronenfalter durch die Luft: Sie werden bis zu zwölf Monate alt und zählen nicht zu den bedrohten Arten – anders als viele andere Falter: Nach den Daten des TagfalterMonitorings vom vergangenen Jahr gibt es in Deutschland 184 heimische Tagfalter-Arten und 24 Widderchen. Davon steht mehr als die Hälfte auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Einer von ihnen ist der Aurorafalter, auch ein Frühflieger, der zu den Weißlingen gehört und verpuppt überwintert. Seine Raupen ernähren sich von Knoblauchrauke und Wiesenschaumkraut. Letzteres wächst auf Feuchtwiesen, die es aber immer seltener gibt.
Für Frühflieger wie Zitronenfalter und Aurorafalter, aber auch Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs und Admiral hat der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zu einer frühen Schmetterlingszählung aufgerufen: Bis zum 15. Mai können gesichtete Tiere über ein bebildertes Formular auf „Nabunaturgucker.de“gemeldet werden.
Und wenn es wieder kalt wird? „Die meisten Arten verkriechen sich dann wieder“, sagt Thomas Schmitt. Er rät dazu, die Tiere in Ruhe zu lassen.