Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Umbau im Zentralmuseum
Historie der Donauschwaben soll noch frischer und jünger in die Gegenwart geholt werden
ULM - Die Donau soll bald nicht nur durch ihr Flussbett fließen – sondern auch durch das Museum: Ein blauer Pfad am Boden, schlängelnd wie ein Strom mit Wellen und Kehren, soll durch einen Rundgang führen, der vom Fluss und seiner Geschichte erzählt. Echte Donaukiesel, gefischt aus dem Strom, können Besucher bunt bemalen – und um die nächste Ecke ragt der Bug einer Zille, einer „Ulmer Schachtel“, aus der Wand. 2000 feierte das Donauschwäbische Zentralmuseum (DZM) in den Gemäuern der Oberen Donaubastion in Ulm seine Eröffnung. Das Haus erzählt die Geschichte der deutschen und europäischen Auswanderer, die ab Ende des 17. Jahrhunderts, oft von Ulmer Ufern aus, in eine neue Heimat aufbrachen – per Schiff, hinaus in die südöstlichen Donauländer. Doch jetzt, zwei Jahrzehnte nach der Eröffnung, will sich das DZM einen frischen Anstich geben. Mit neuem Konzept und neuen Geschichten.
„Das Museum nutzt die Chance und baut um“, erklärt Iris Mann – Ulms Kulturbürgermeisterin und zugleich Mitglied im Stiftungsvorstand des DZM. Pinsel, Hammer, Leitern, Kabel: Die Arbeiten haben auch schon begonnen – eine Modernisierung, die mitten in die Pandemie fällt. Gegen jede Krisenstimmung möchte sich das Museum in der Bastion einen zweiten Schwerpunkt aufbauen, um auch neues Publikum anzulocken: Touristen, Familien und vor allem junge Menschen aus der Region, sie sollen hier eintauchen können in die Natur- und Kulturgeschichte der Donau.
Neben dem Flussrundgang bleibt die Dauerausstellung zur donauschwäbischen Migrationsgeschichte als Kern bestehen, sie wird aber ebenfalls aufgefrischt. Museums-Direktor
Christian Glass wagt damit einen Spagat: Den Leitlinien des Museums treu bleiben, dem donauschwäbischen Erbe eine Heimat geben – und zugleich Flussgeschichten in die Gegenwart holen. Denn eines steht für den Museumschef fest: „Dass wir in Ulm noch nicht so bekannt sind, wie wir sein sollten.“Stadt, Land und Bund investieren 1,65 Millionen in diese Modernisierung.
Zwei Wege sollen die Besucher bald durch das Haus leiten, das zeigen die Entwürfe des Studios „It’s about“aus Berlin. Der Donauschwabenrundgang trägt das Motto „Aufbruch und Begegnung“: Eine interaktive Medienstation soll Migrationsschicksale greifbar und fühlbar machen, Wege, die manche Donauschwaben bis in die USA geführt haben. In einem Zeitzeugen-Kino kommen wiederum Donauschwaben aus dem heutigen Osteuropa, von Ungarn bis Bulgarien, zu Wort. Ein digitaler Medienguide soll diese Eindrücke und Lebensgeschichten im Museum begleiten.
Diesen Pfad ergänzt ein Donaurundgang: 22 Erzählungen aus dem Donauraum berichten von serbischen Flussgeistern, Wiener Kaffeehäusern,
oder auch von einer mysteriösen Donauinsel, die einst dem osmanischen Reich gehörte. Reisetagebücher geleiten über die Donau bis nach Belgrad, bis an den Rand des Orients, und an Orte „jenseits der Donaudampfschifffahrtsrouten“, das verspricht Glass. Eine „Graphic Novel“, ein kunstvoller Comic, erzählt von der Flucht eines Jungen – Flussgeschichte soll hier lebendig werden, gerade für junges Publikum.
Unter dem Titel „Baustelle Donau“möchte das Museum der Frage auf den Grund gehen, wie Menschen sich den mächtigen Fluss zurechtbetten und welche Rolle das Wasser als Handelsweg spielt. Spielerisch wiederum: An einer Forschungsstation sollen Besucher die Wasserqualität der Donau prüfen können und Bachflohkrebse unter die Lupe nehmen. Ein Spiel, in dem man die „Ulmer Schachtel“über Donauwellen und Stromschnellen schippern kann, soll Kindern Unterhaltung bieten. Gespannt darf man auch sein, was es mit dem „Donausaurier“auf sich hat – einem gigantischen Stör, der bis zu sechs Meter in die Länge wächst. Das Museum will aufklären, Glass beruhigt aber schon vorab: „Der ist nie bis nach Ulm gekommen.“Die Zuversicht scheint groß: „Wir rechnen künftig mit mehr Besuchern“, erklärt Glass. Dafür werde das Museum auch die Öffnungszeiten ausdehnen. Eine Stiftung privaten Rechts leitet das Museum, gestützt durch die Stadt Ulm, das Land Baden-Württemberg und den Bund. Der Auftrag, dem sich das Museum verschrieben hat, ist schließlich auch fest im Bundesvertriebenengesetz verankert: das Erbe pflegen und vermitteln. Sogenannte Landsmannschaften aus den Donauländern haben diese Erinnerung über Jahre wachgehalten, heutige Nachfahren und Vertreter der Donauschwaben. Doch diese Generation, die sich so stark engagiert hat, trete nun auch ganz langsam, Jahr für Jahr, ab, sagt Glass.
Zeiten wandeln sich. Die Funktion des Museums als Kontaktpunkt zwischen kulturellen Zentren, Institutionen und anderen Museen Europas verändert sich. So kam in der jüngsten Kulturausschuss-Sitzung der Stadt Ulm die Frage auf, wie das Museum mit den Problemen in manchen schwankenden, krisengebeutelten Demokratien unter den Donauländern umgeht. Doch: Solche Debatten und der aktuelle politische Bezug stünden im DZM nicht im Vordergrund, erklärte Iris Mann. Einrichtungen wie das Donaubüro könnten sich mit Kritik und aktuellen Hintergrund wiederum freier befassen.
Am 18. November sollte das frisch modernisierte DZM eröffnen, doch dieser Termin ist inzwischen etwas unwahrscheinlich. Teile der Ausschreibung für die Neugestaltung musste das Museum noch einmal neu auflegen. So erklärt Glass: „Der Termin ist wohl nicht haltbar.“Er rechnet mit einer Verzögerung von etwa drei Monaten bis Februar 2022. Trotzdem sagt der Direktor: „Wir sind auf der Zielgeraden.“