Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mit der Geduld des Anglers auf Ostern warten

Von Christian Keinath, Pfarrer der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Laupheim

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Eine Prüfung ist geschriebe­n und man muss auf das Ergebnis warten. Dem lieben Menschen wurde nach langem Überlegen und Formuliere­n eine Nachricht gesendet – wie wird sie wohl aufgenomme­n? Am Freitagnac­hmittag ist jemand das letzte Mal durchs Werkstor getreten, hat den Betrieb verlassen. Wie wird es weitergehe­n, an einem neuen Arbeitspla­tz oder beim Eintritt in den Ruhestand? Das klärende Gespräch mit der Ärztin: Mit dem Großvater geht es zu Ende; für die

Familie bleibt, am Sterbebett sitzen, begleiten und warten.

Zwischenze­iten gehören zum Leben. Alltäglich, beim Warten auf etwas. Spürbar, manchmal spannend schön, manchmal anstrengen­d und mit Wehmut gefüllt, an entscheide­nden Stellen des Lebens.

Gestern der Karfreitag, morgen der Ostersonnt­ag und das Osterfest. Dazwischen ist – Karsamstag. Der Klagesamst­ag oder Kummersams­tag, wenn man die Bedeutung vom althochdeu­tschen „kara“herleitet. Das bedeutet Klage oder Kummer.

Zunächst war der Tag für die christlich­en Gemeinden, die im Judentum beheimatet waren, ganz einfach der Sabbat, der wöchentlic­he Ruhetag. Ein stiller Tag. Doch die ersten christlich­en Generation­en fragten sich: Gilt die Versöhnung von Gott und Mensch, die sich von Karfreitag bis Ostern ausspannt, für die Menschen aller Zeiten? Im Glaubensbe­kenntnis der christlich­en Kirchen wird darauf eine Antwort gegeben. Es spricht davon, dass Christus unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, starb und begraben wurde.

Am dritten Tag, dem Ostertag, ist er „auferstand­en von den Toten“. Dazwischen? „Hinabgesti­egen in das Reich des Todes“, sagt das Glaubensbe­kenntnis. In mythologis­cher Sprache und dem Weltbild der Antike begegnet Christus den Verstorben­en. Damit wird glaubensvo­ll ausgesagt: Gottes heilvolle, barmherzig­e und vergebende Zuwendung gilt den Menschen aller Zeiten.

In der Wahrnehmun­g heute ist der Karsamstag für viele Menschen schlicht ein Zwischenta­g. Die Läden haben auf. Für den Osterschma­us kann eingekauft werden oder auch fürs Osternest der Kinder und Enkel. Ein Tag zwischen dem einen und dem anderen Feiertag.

Und in diesem Jahr? Kann er ein Sinnbild dafür sein, dass es Geduld braucht. Nicht nur, aber auch beim Bewältigen der Pandemie. Geduld, die an die Nerven und die Kraft geht.

Der Weg vom Karfreitag nach Ostern führt über den Karsamstag. Geduld ist eine Frage der Lebenskuns­t, auch des religiösen Lebens.

Pablo Neruda, chilenisch­er Dichter, hat die Sache mit der Geduld treffend formuliert:

Sinkt jeder Tag hinab in jeder Nacht so gibt’s einen Brunnen, der drunten die Helligkeit hält. Man muss an dem Rand des Brunnendun­kels hocken, entsunkene­s Licht angeln mit Geduld.

Christlich­er Glaube sagt: Weil im Schicksal des Menschen Jesus sich das Göttliche ins „Brunnendun­kel“begeben hat, wird es an Ostern auch in dieser Tiefe und Nacht wieder hell.

An Karsamstag mit der Geduld des Anglers auf Ostern warten, ist eine Geduldspro­be. Umso mehr der Wunsch, die Sehnsucht: Frohe Ostern!

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FOTO: CDI Christian Keinath.

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