Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Sigmaringen oder Stuttgart?
CDU-Landrätin Stefanie Bürkle gilt als Kandidatin für ein Ministeramt
SIGMARINGEN - Geht sie, oder bleibt sie? Wenn die Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle (CDU) wollte, wäre für sie in der künftigen Landesregierung wohl ein Chefsessel in einem Ministerium reserviert. Das war auch vor fünf Jahren so. Fraglich ist, ob sie diesmal springt.
Nach zweieinhalb Wochen Sondierungsgesprächen stand es fest: Die Grünen wollen weiter mit der CDU Baden-Württemberg regieren. Am Karsamstag traten die Delegationen der alten und wohl auch neuen Regierungspartner im Stuttgarter Haus der Architekten mit dieser Botschaft vor die Kameras. Als die Verhandler dann die Ergebnisse der Sondierungsgespräche erklärten, stand Bürkle ganz außen. Doch eigentlich wäre ihr Platz im Zentrum, neben CDU-Landeschef Thomas Strobl, der passendere gewesen.
Bürkle und Strobl kennen und schätzen sich seit den gemeinsamen Zeiten bei der Jungen Union. Bürkles Freundschaft zum CDU-Landeschef bezeichnen Parteikollegen als „gewachsen und echt“. Nicht jede Parteifreundschaft ist immer auch eine tiefe persönliche. „Wenn ich bei der CDU bin, mach ich da durchaus Unterschiede“, sagt ein Parteimitglied mit Binnensicht. Wenig überraschend war deshalb die erneute Berufung der Sigmaringer Landrätin ins fünfköpfige Team der CDUChefverhandler. Schon den Koalitionsvertrag von 2016 hat sie maßgeblich mitverantwortet. Die Arbeitsgruppe „Haushalt und Finanzen, öffentlicher Dienst“verhandelt sie in den Koalitionsgesprächen nun federführend für die Union.
Egomanie und Eitelkeiten sind der 51-Jährigen weitgehend fremd. Vielleicht mit einer Ausnahme: Wenn es vor Corona bei öffentlichen Terminen am Büfett noch Häppchen gab, hielt sich die Landrätin vornehm zurück, weil sie penibel auf ihre Linie achtet. Neben der Vertrautheit zu Strobl – als der Landeschef Kultusministerin Susanne Eisenmann in einem Acht-Augen-Gespräch die Spitzenkandidatur anbot, saß Bürkle an seiner Seite – gilt Bürkles tiefe kommunale Verwurzelung als zweites Pfund. Diese Sicht bringt sie auch als Mitglied im CDU-Präsidium ein. Sie hat einen anderen Blick auf Themen als mancher Landespolitiker.
Fast auf den Tag genau vor sieben Jahren bewarb sich Bürkle auf die Position der Sigmaringer Landrätin. Ihr erster Eindruck, den sie bei ihrer Vorstellung hinterließ, bestätigte sich. „Ich meine dieser Landkreis passt zu mir und ich zu ihm“, sagte sie bei ihrer Bewerbung. Das Wahlergebnis, das sie wenige Wochen später erzielte, spricht Bände. Knapp 83 Prozent der Stimmen im Kreistag entfielen auf die gebürtige Biberacherin, obwohl es zwei Gegenkandidaten
und unter ihnen zumindest einen ernstzunehmenden gab.
Stefanie Bürkle ist im Herzen Oberschwabens aufgewachsen und hat in Biberach Abitur gemacht: Während sie in Tübingen Jura studierte, kam ihr erster von zwei Söhnen zur Welt – Philipp Bürkle ist mittlerweile Landesvorsitzender der Jungen Union. Stefanie Bürkle managte parallel ihr Studium und die Familie. Nach ihrem Referendariat und einem Intermezzo im Regierungspräsidium Tübingen arbeitete sie in diversen Positionen im Landratsamt Biberach, wo sie 2009 Stellvertreterin des Landrats wurde. Bürkles Ehemann Roland war als langjähriger Bürgermeister von Bad Wurzach im Kreis Ravensburg ebenfalls CDU-Kommunalpolitiker durch und durch.
Ihre kommunale Kompetenz, ihre menschliche Zugewandtheit und ihr scharfer Verstand zeichnen die Juristin aus: Sie durchdringt Themen und bringt sie auf den Punkt, während andere Landräte oder Rathauschefs das Graben in Akten mancherorts ihren Mitarbeitern überlassen. Statt Sitzungen nur zu moderieren, führt die 51-Jährige selbst in Themen ein, womit sie unter der Bürgermeister-Riege im Kreisparlament schnell punktete. Den jovialen Plauderstil ihres Vorgängers Dirk Gaerte ersetzte die Neu-Landrätin durch eine unaufgeregte Sacharbeit. „Ein Glücksfall mit drei Ausrufezeichen“, stellt ihr der CDU-Fraktionschef im Kreistag, Thomas Kugler, ein exzellentes Zeugnis aus – nicht völlig überraschend als CDU-Mann, aber doch ein außergewöhnlich deutliches Lob.
Was hinzu kommt: Bürkle wird ein kurzer Draht zu Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nachgesagt. Sie gehört einem Gremium an, das die Landesregierung in Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts berät. Zudem wohnen die Kretschmanns in ihrem Kreis: im Sigmaringer Ortsteil Laiz.
Bürkle weiß inhaltlich zu überzeugen. So gelang es ihr, zwei im Kreis Sigmaringen ausbaufähige Bundesstraßen in Berlin wieder in den Fokus zu rücken. Zudem sind die Weichen für die Elektrifizierung der von Sigmaringen nach Tübingen und Stuttgart führenden Bahnlinie gestellt. Ein weiterer Erfolg: das geplante Freilichtmuseum Keltenwelt, dass das Land mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag auf der Heuneburg bei Herbertingen errichtet und mindestens 25 Jahre lang betreiben wird.
Auf Karriereambitionen angesprochen, antwortet die Landrätin gebetsmühlenartig mit demselben Satz: „Ich bin mit Herzblut Landrätin.“Landrätin als Traumberuf: Das soll Bürkle schon zu Zeiten ihres juristischen Referendariats so formuliert haben. Ob sie dies bleiben wird? Der starke Mann in der Sigmaringer Kreis-CDU, Pfullendorfs Bürgermeister Thomas Kugler, gibt sich zuversichtlich: „Frau Bürkle weiß, was sie am Landkreis hat.“Der LandratsPosten als Sprungbrett in ein Landesministerium? Das kommunale Schwergewicht aus Pfullendorf will sich das nicht vorstellen.
Die Vorstellungskraft im politischen Stuttgart reicht deutlich weiter. Wenn Bürkle wollte, hätte sie einen Ministeriumsposten sicher, sagen Eingeweihte. Das liegt nicht nur an ihren Kompetenzen und Beziehungen, sondern auch an Rahmenbedingungen. Die Grünen sind mit 32,6 Prozent deutlich gestärkt aus der Landtagswahl hervorgegangen, die CDU stürzte derweil auf 24,1 Prozent ab. Von den bisher fünf Ministerien wird die CDU wohl eins abgeben müssen.
Dass CDU-Landeschef Thomas Strobl das Innenministerium behalten darf, gilt als sicher. Sehr wahrscheinlich scheint, dass Stimmenfänger und treuer Strobl-Unterstützer Peter Hauk Minister bleiben darf – ob dies auch weiterhin das Agrarressort sein wird, ist weniger klar. Bei vier Ministerposten und den beiden wohl gesetzten Männern muss Strobl für die zwei weiteren Ministerien Frauen benennen. Ein Gedankenspiel, das hierzu in Stuttgart kursiert: Die Juristin Bürkle wäre die Idealbesetzung als Justizministerin. Mit dem Argument der Geschlechterparität könnte Strobl den amtierenden Justizminister Guido Wolf gesichtswahrend ablösen. Ihn und Strobl verbindet nach dem damals von Wolf gewonnenen Duell um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahlen 2016 sehr wenig.
Im kommenden Jahr steht in Sigmaringen die nächste Landratswahl an. Viele Menschen im Kreis hoffen, dass die Landrätin um eine weitere Amtszeit verlängert. Ihre Wiederwahl wäre reine Formsache.