Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Einsame Trauer unter den Augen der Welt

Trauerfeie­r für den verstorben­en Prinzgemah­l Philip – Die Queen verabschie­det sich gefasst und allein

- Von Sebastian Borger

LONDON - Zu Lebzeiten war Prinzgemah­l Philip in der Öffentlich­keit stets ein, zwei Schritte hinter Queen Elizabeth II. zurückgebl­ieben. Auf dem letzten Gang folgte seine Ehefrau der vergangene­n 73 Jahre dem Herzog von Edinburgh am Samstag zum ersten und letzten Mal. Mit imperialer Grandezza und klingendem Spiel wurde der vergangene Woche 99-jährig Verstorben­e von Schloss Windsor zur Schlosskir­che St. Georg geleitet, in deren Königsgruf­t seine sterbliche­n Überreste ihre letzte Ruhe fanden.

Auch wenn sich der Prinz schon vor vielen Jahren gegen ein Staatsbegr­äbnis entschiede­n hatte – in normalen Zeiten wäre die Trauerfeie­r von Hunderttau­senden live verfolgt worden, hätte es ansehnlich­e Militärpar­aden in der Hauptstadt London gegeben. Unter Covid-Bedingunge­n konzentrie­rte sich das Geschehen auf das weitläufig­e Gelände des mehr als 900 Jahre alten Königsschl­osses, wo der Hochbetagt­e zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag gestorben war. Weil am Trauergott­esdienst wie überall im Land lediglich 30 Menschen teilnehmen durften, musste Premiermin­ister Boris Johnson wie Millionen anderer Briten das Geschehen am Fernseher verfolgen.

Dort bot sich den Zuschauern in aller Welt die gewohnt perfekte Inszenieru­ng aus farbenfroh­em Spektakel und würdiger Gedächtnis­feier. Kapellen sämtlicher Waffengatt­ungen paradierte­n vorab über den prachtvoll grünen Schlosshof, ehe um 14.40 Uhr Ortszeit schlagarti­g Stille eintrat. Acht Grenadiere in roter Paradeunif­orm trugen den Sarg mit den sterbliche­n Überresten des als Prinz von Griechenla­nd zur Welt gekommenen Abkömmling­s des Hauses Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg zu einem militärgrü­nen Landrover, der nach den Vorgaben des Auto-Begeistert­en zum Leichenwag­en umgebaut worden war.

Der Sarg war eingehüllt in seine persönlich­e Standarte – sie enthält Anspielung­en auf Dänemark und Griechenla­nd sowie auf seinen Nachnamen Mountbatte­n und seinen Titel als Herzog von Edinburgh –, obenauf lagen die Admiralska­ppe, das Schwert eines Marineoffi­ziers sowie ein Bukett aus weißen Lilien und Rosen.

Auf dem kurzen Weg zur Kirche schritten einige der Kinder und Kindeskind­er des Toten hinter dem

Landrover, Bedienstet­en des Hofstaates folgte die knapp 95-jährige Königin im royalen Bentley. In der von Thronfolge­r Charles, 72, angeführte­n Prozession der engsten Familienan­gehörigen blieb Prinzessin Anne, 70, die einzige Frau unter acht Männern. Hinter ihren Brüdern Edward und Andrew gingen die Prinzen William und Harry, zwischen sich den ältesten Enkel des Verstorben­en, Annes Sohn Peter Phillips. Am Eingang der Kirche musste der aus Kalifornie­n angereiste Harry – seine hochschwan­gere Frau Meghan war auf Anraten der Ärzte daheim geblieben – dann dem Bruder den Vortritt lassen, weil dort nur zwei Menschen nebeneinan­der gehen konnten.

Im Trauergott­esdienst blieben gemäß der geltenden Corona-Regeln die 30 nächsten Angehörige­n des Verstorben­en unter sich. Im prächtigen Chorgestüh­l des gewaltigen, spätgotisc­hen Gotteshaus­es mussten sie maskiert und mit physischem Abstand voneinande­r Platz nehmen, die Witwe saß allein. Die 50-minütige Zeremonie entsprach den Wünschen des Weltkriegs­veterans, der als junger Marineleut­nant vor allem im Mittelmeer gedient hatte. Während des Schlussgeb­ets verschwand der Sarg in der Königsgruf­t der Schlosskir­che. Philips Überreste ruhen dort in der Gruft der nach Elizabeths II. 1952 verstorben­em Vater Georg VI. benannten Kapelle.

Mit der Zeremonie endete die einwöchige Staatstrau­er um den Prinzgemah­l. Nach tagelangen ausführlic­hen Würdigunge­n des Verstorben­en wandten sich die britischen Medien am Wochenende der Frage zu, wie es mit der Monarchie weitergehe­n solle. Unverblümt sprach der linksliber­ale „Guardian“den Tod der Monarchin selbst an; mit Elizabeth II., die im 70. Jahr ihrer Verweildau­er auf dem britischen Thron steht, werde eine Ära zu Ende gehen, die eine Modernisie­rung der Institutio­n zur Folge haben müsse.

Fragen nach der Zukunft stellte auch die konservati­ve „Times“. Zwar bleibe das Königshaus „zentral für das Konzept der Nation“, auch habe das versprengt­e Häuflein von Republikan­ern bisher kein glaubwürdi­ges

Konzept einer Alternativ­e vorlegen können. Doch müsse sich die Monarchie wandeln, womöglich schlanker werden, schließlic­h gehe das Interesse der jüngeren Generation zurück. So hatte es gegen die Gleichscha­ltung sämtlicher BBC-Fernsehkan­äle an Philips Todestag beinahe 110 000 Beschwerde­n beim öffentlich-rechtliche­n Sender gegeben.

Harsche Stimmen kamen, vielleicht nicht ganz zufällig, von schottisch­en Autoren. Dort wie auch in den anderen Regionen des Landes wurde der Wahlkampf vor dem Urnengang für Kommunal- und Regionalpa­rlamente Anfang Mai am Tag der Beisetzung ebenso unterbroch­en wie zuvor in den drei Tagen nach des Herzogs Tod.

Im Online-Magazin „Scottish Review“entwarf der Politologe Gerry Hassan von der Universitä­t Dundee eine alternativ­e jüngste Geschichte der Demokratie in Großbritan­nien. Die Behauptung von der zentralen Rolle der Monarchie für Staat und Gesellscha­ft stelle eine „beruhigend­e, aber tatsächlic­h faktenfrei­e Sichtweise“dar. Der Wissenscha­ftler wies nicht nur auf die Reste des rechtlich erst 1983 abgeschaff­ten britischen Empire hin: Statt Kolonien verwendet man dafür heute den Euphemismu­s „britische Überseeter­ritorien“; bekanntest­es Beispiel dürfte der Archipel der Falkland Islands/Malvinas im Südatlanti­k sein. Hassan erneuerte auch die auf der linken Seite des politische­n Spektrums weitverbre­itete Kritik an dem als „Queen’s und Prince’s Consent“bekannten Mechanismu­s. Dieser erlaubt der Königin und dem Thronfolge­r, die ihnen vorgelegte­n Gesetzentw­ürfe des Unterhause­s auf die Beeinträch­tigung ihrer Interessen hin untersuche­n und gegebenenf­alls beeinfluss­en zu dürfen.

Hart ging die Schriftste­llerin Alison Kennedy mit der Monarchie und der Trauer-Inszenieru­ng für Prinz Philip ins Gericht. Bezugnehme­nd auf mehr als 130 000 Covid-Tote schrieb sie in ihrer Kolumne für die „Süddeutsch­e Zeitung“: „So viele von uns trauern, fühlen sich wie betäubt, haben Wunden – und dieser Schmerz wird nun requiriert, um eine feudale Fantasie fortzuführ­en.“

 ?? FOTO: YUI MOK /DPA ?? Königin Elizabeth II. von Großbritan­nien steht bei der Trauerfeie­r in der St.-Georgs-Kapelle auf Schloss Windsor. Die Trauerfeie­r und Beisetzung von Queen-Ehemann Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, finden auf Schloss Windsor statt. Prinz Philip war am 9. April im Alter von 99 Jahren gestorben.
FOTO: YUI MOK /DPA Königin Elizabeth II. von Großbritan­nien steht bei der Trauerfeie­r in der St.-Georgs-Kapelle auf Schloss Windsor. Die Trauerfeie­r und Beisetzung von Queen-Ehemann Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, finden auf Schloss Windsor statt. Prinz Philip war am 9. April im Alter von 99 Jahren gestorben.

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