Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Auftreten statt austreten
Warum Biberacher Frauen für Veränderungen in der katholischen Kirche kämpfen
BIBERACH - Sie sind Theologinnen, Kirchengemeinderätinnen, Aktive im Katholischen Frauenbund, Kommunionhelferinnen oder Lektorinnen in Gottesdiensten. Sie sind gläubig, sie fühlen sich in der katholischen Kirchen zuhause. Aber sie sind am Ende ihrer Geduld.
Manche sind sogar richtig wütend. Aber sie hoffen weiter, dass sich die katholische Kirche verändern kann. Dafür setzen sich die Frauen unter dem Begriff Maria 2.0 in Biberach ein.
Der Anschlag der sieben Thesen im Februar hat der Bewegung landesweit einige Aufmerksamkeit beschert. In Anlehnung an Martin Luther hefteten sie ihre Forderungen an deutsche Kirchentüren. Auch in Biberach traten Frauen so in Erscheinung.
Ausgehend von einem FlashmobGottesdienst vor den Pforten der Dreifaltigkeitskirche 2019, treffen sich die Frauen einmal monatlich zum Donnerstagsgebet in Sankt Josef, je nach Wetter auch im Freien. 20 bis 30 Frauen kommen so regelmäßig zusammen. Im Gebet wollen sie die Veränderung der Kirche begleiten. Maria 2.0 möchte ein Ende des Pflichtzölibats für Priester, den Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern, also zu Diakonat, Priesteramt und Bischofsstuhl, und die bedingungslose Aufklärung von Missbrauchsfällen in der Kirche.
Zu Maria 2.0 gehören Frauen aus dem Biberacher Katholischen Frauenbund, gewählte Kirchengemeinderätinnen und Theologinnen. Thekla Braun, ehemalige Kirchengemeinderätin, stört sich an der monarchischen Hierarchie der Kirche. Ehrenamtlich Verantwortliche würden in ihrem Mitspracherecht beschnitten, schildert sie ihre Erfahrung. Dabei sieht die Kirchengemeindeordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart – und damit hebt sie sich von anderen Diözesen ab – die partizipative Leitung der Gemeinden vor. Priester und gewählte Spitze des Kirchengemeinderats haben die gleiche Verantwortung, Entscheidungen müssen gemeinsam getroffen werden. Der Pfarrer könne lediglich intervenieren, wenn Beschlüsse dem Kirchenrecht oder Grundgesetz widersprechen, erklärt die Theologin Rita Völkle. In der Praxis sehe das aber oft anders aus.
„Die Kirche ist eine ZweiständeGesellschaft“, so empfindet es die 72-Jährige, „Männer sagen, was Frauen tun sollen.“Die Kurie maße sich auch an, über Schwule und Lesben zu urteilen. „Es ist kein göttliches Recht, was die Kirche da tut. Die Ebenbildlichkeit Gottes des Menschen schließt eine Diskriminierung aus“, ist Völkle überzeugt. „An Christus müssen wir uns halten, er hat Frauen nicht ausgeschlossen, ganz im Gegenteil“, sagt die pensionierte Religionslehrerin.
Vor über 40 Jahren habe sie sich schon gefragt, „Trete ich aus?“, „Nein, ich trete auf“, habe sie entschieden und Theologie studiert, um Religionslehrerin zu werden. Nun, nach so vielen Jahren, in denen sich in der Kirche nichts im Sinne der Frauen getan hat, stehe sie wieder vor der Frage, „Trete ich aus?“. Nein, denn sie empfindet die Kirche persönlich als ihre Heimat, und will „mit Liebe und Lust in dieser Frauensache mitmischen“. Auch wenn sie die Veränderung nicht mehr erleben werde. Dabei hat Papst Johannes XXIII. ja schon Ende der 1960er-Jahre gemahnt, dass die Reform der Kirche nicht ohne die Frauenfrage möglich sei. Und die Deutsche Bischofskonferenz hat in den 1970er-Jahren das
Diakonat der Frau befürwortet. Geschehen ist seither aber nichts.
„Wir wollen ja in der Kirche bleiben, wenn man uns Raum gibt“, verdeutlicht Andrea Kerriou vom Vorstand des Frauenbunds, und mahnt, „unsere Kinder und Enkel sind längst weg“. Die 69-Jährige stammt aus einem katholischen Elternhaus und begann sich mit der Geburt ihrer Tochter in ihrer Kirchengemeinde zu engagieren. Persönlich hat sie stets viel Zuspruch und Rückendeckung von ihrem örtlichen Pfarrer bekommen, das ist ihr wichtig zu sagen. Kritik bekommen engagierte Frauen vom konservativen Flügel unter den Katholiken. Manche Frauen empfinden auch den Titel der Bewegung Maria 2.0 anmaßend an der Gottesmutter, berichtet Kerriou.
Birgit Hahn hat sich erst durch ihr Engagement im Biberacher Frauenbund, dessen Vorsitzende sie heute ist, mit der kirchlichen Frauenthematik beschäftigt. „Hätten wir heute das Frauenwahlrecht, wenn die Frauen vor einem Jahrhundert nicht laut geworden wären?“Die 56-Jährige glaubt, „wenn man nur bittet, bekommt man nichts“. Persönlich erschüttert ist sie vom Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen. „Pfarrer waren für mich doch immer Vorbilder.“Je mehr sie über Kirche nachdenke, desto mehr „zweifle ich, ob wir noch zusammenpassen“.
Ihren eigenen Weg ist Christa Dreusicke stets gegangen. Sie engagiert sich in den Klangwortgottesdiensten, ist Lektorin, musiziert in der Kirche und hat Kinder- und Jugendgruppen betreut. Sie nimmt sich auch mal die Freiheit, kirchliche Verbote zu ignorieren, sagt sie. Das Pflichtzölibat ist für sie ein Problem. Einer ihrer Verwandten ist katholischer Priester. Sie spricht oft mit ihm und weiß, wie sehr er darunter leidet, keine Familie haben zu dürfen.
Ein Zeichen für Veränderung in der Kirche setzt der Katholische Frauenbund mit dem Tag der Diakonin am Donnerstag, 29. April. Der Zweigverein Biberach lädt Männer und Frauen zu einem feierlichen Gottesdienst in die Dreifaltigkeitskirche ein. Beginn ist um 19 Uhr. Eine Anmeldung ist coronabedingt erforderlich im Pfarrbüro Sankt Martin, Telefon 07351/18140, oder per E-Mail an: