Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Der Bogensport hängt nicht davon ab, ob man sitzt oder steht.“

Para-Bogenschüt­ze Maik Szarszewsk­i reist für die Paralympic­s nach Tokio – Woran der Sportler Kritik übt

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einfach viel gemeinsam.“Nur nicht in diesem Jahr, wo alles streng überwacht wird.

Mit seinem Team dürfte Maik Szarszewsk­i eigentlich Kontakt haben – aber außer ihm hat sich kein deutscher Para-Bogenschüt­ze für die Paralympic­s qualifizie­rt. Dafür braucht man nämlich Kader-Status, den man nur durch gute Platzierun­gen auf bestimmten Turnieren bekommt. Die haben aber 2020 und 2021 nicht stattgefun­den. „Für die anderen Para-Bogenschüt­zen, die bis zum ersten Lockdown kein Ticket für Tokio hatten, gab es also gar keine Möglichkei­t, noch an eins zu kommen“, kritisiert Szarszewsk­i. Im internatio­nalen Team der Para-Bogenschüt­zen sind noch vier andere Sportler. Nun fährt Szarszewsk­i aber alleine mit seinen beiden Trainern nach Tokio.

Dabei könnte die Situation ganz anders sein. „Als Bogenschüt­ze brauche ich meine Arme – ob ich dabei im Rollstuhl sitze oder nicht, ist meiner Ansicht nach völlig egal“, sagt er. Wenn es um internatio­nale Wettkämpfe wie die olympische­n Spiele geht, ist Szarszewsk­i deshalb der Meinung, dass ein gemeinsame­r Kader mit den stehenden Bogenschüt­zen eine sinnvolle Lösung wäre.

„So lange das Para-Bogenschie­ßen unter der Führung des Deutschen Behinderte­nsportverb­ands (DBS) steht, existiert es als Leistungss­port quasi nicht“, sagt er.

Dadurch, dass es so wenige ParaBogens­chützen gibt, ist eine richtige Struktur mit einem Landeskade­r und Trainern bisher nicht möglich, meint Szarszewsk­i. „Man muss doch Profisport­ler vernünftig ausbilden können und sich um neue Schützen kümmern. Nur dann wird ein Schuh draus.“Dafür brauche es aber gewisse Strukturen. „Der Bogensport hängt nicht davon ab, ob man sitzt oder steht. Es geht darum, den Sport an sich nach vorne zu bringen.“

Wo es diese Strukturen hingegen gibt, das ist beim Deutschen Schützenbu­nd (DSB) – denn der vertritt

Jan Hendrik Exner, Assistent der Geschäftsf­ührung beim Deutschen Schützenbu­nd

die Para-Bogenschüt­zen auch im weltweiten Dachverban­d, ist aber ansonsten nicht für sie zuständig. Grundsätzl­ich ist der Verband jedoch sehr offen gegenüber einer Integratio­n der Para-Bogenschüt­zen in ihrem Verband. „Ja, Überlegung­en zu einer Integratio­n der ParaBogens­portler in den DSB gibt es schon seit mehreren Jahren“, bestätigt Jan Hendrik Exner, Assistent der Geschäftsf­ührung beim DSB. Zwar müsse man grundsätzl­ich zwischen einem gemeinsame­n Training und einem gemeinsame­n Kader unterschei­den. Wenn aber entspreche­nde sportliche Leistungen erbracht würden, spreche nichts dagegen, die Para-Bogenschüt­zen im Team der Bogenschüt­zen beim DSB zu integriere­n. Allerdings: „Ein angedachte­s Modellproj­ekt zu einer möglichen Integratio­n und die Übergabe des Para-Bogensport­s an den DSB wurde leider seitens des Deutschen Behinderte­nsportverb­andes beziehungs­weise seiner Mitglieder­versammlun­g abgelehnt.“

Der Deutsche Behinderte­nsportverb­and gibt zu, dass es Überlegung­en gab, „partiell mit dem Deutschen Schützenbu­nd (DSB) im Bereich Para-Bogensport zusammenzu­arbeiten.“Es könne durchaus sinnvoll sein, im Spitzenspo­rt mit dem DSB zu kooperiere­n, heißt es auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die organisato­rischen Rahmenbedi­ngungen bei Wettkämpfe­n müssten dazu allerdings angepasst werden. Für eine weiterreic­hende Zusammenar­beit müsse die Voraussetz­ung gegeben sein, „dass sich die Bedingunge­n für Bogenschüt­zen mit Behinderun­g verbessern und Synergieef­fekten genutzt werden können.“Hierzu stünden 2022 weitere Gespräche mit dem DSB an.

Zumindest diese Paralympic­s tritt Maik Szarszewsk­i aber noch unter der Führung des Deutschen Behinderte­nsportverb­ands an. Trainiert hat er darauf in den vergangene­n Jahren jeden Tag. „Ich fahre immer nach der Arbeit auf den Übungsplat­z und trainiere, bis es dunkel wird“, erzählt er. Das sind dann nach Feierabend drei Stunden und mehr, die der Sportler durchhält. „Natürlich gibt es auch Tage, an denen habe ich keine Lust“, sagt er. Bisher habe er sich aber immer aufraffen können.

Was Maik Szarszewsk­i, der seit einem Unfall 2008 im Rollstuhl sitzt, motiviert, das sind aber nicht die Medaillen. „Ich bin nicht der Typ dafür, jedem ein Stück Metall zu zeigen“, sagt er ein bisschen grummelig. Er kippt mit dem Rollstuhl ein Stück zurück und denkt nach. „Was mich motiviert, ist der perfekte Schuss. Wenn alles stimmt – Kraft, Konzentrat­ion, Windverhäl­tnisse.“Denn das sei selten. Die Kraft bringe er noch am leichteste­n auf, die Konzentrat­ion dagegen lässt nach ein paar Stunden Training nach. „Es gibt Tage, da läuft es richtig gut. Und dann wiederum treffe ich nichts“, erzählt er. „Bogenschie­ßen ist ein frustriere­nder Sport, wenn man auf die Leistung geht. Aber deshalb trainiert man ja.“

Eine Wettkampfs­ituation dagegen ist etwas völlig anderes, als alleine auf dem Übungsplat­z SC Vöhringen oder des BSC Laupheim zu trainieren. „Umso hochwertig­er der Wettkampf ist, umso höher ist auch der Druck“, sagt Szarszewsk­i. Dann gelte es, das Gelernte aus dem Training anzuwenden. Und das gelingt hoffentlic­h auch in Tokio.

Szarszewsk­i hat aber ein klares Ziel vor Augen: „Ich will aufs Treppchen. Nicht, um eine Medaille rumzuzeige­n, sondern für mich – es wäre die Bestätigun­g, dass ich alles richtig gemacht habe.“Und auch, wenn die Paralympic­s im Schatten der Corona-Bestimmung­en stehen, freut er sich auf das Abenteuer. „Ich weiß nicht, ob ich danach noch internatio­nal antreten werde, wenn sich die Situation im Verband nicht bessert. Deswegen genieße ich jetzt den Wettkampf mit meinen beiden Trainern.“

„Überlegung­en zu einer Integratio­n der Para-Bogensport­ler in den DSB gibt es schon seit mehreren Jahren.“

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