Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mathe statt Mountainbiken mit Freunden
Seit dieser Woche können Schülerinnen und Schüler Wissenslücken durch „Lernbrücken“schließen
LAUPHEIM - Mathe, Deutsch und Englisch statt Freibad: 54 000 Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg nutzen dieses Jahr die sogenannten Lernbrücken in den letzten beiden Ferienwochen. Das Programm soll ihnen dabei helfen, verpassten Stoff des vergangenen Jahres nachzuholen und sich fit zu machen für das bevorstehende Schuljahr. Wie das am Carl-Laemmle-Gymnasium in Laupheim klappt, haben sich am Donnerstag der Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser (CDU) und die zuständige Schulpräsidentin Susanne Pacher angeschaut.
„Mir gefällt alles hier, mir hat die Schule gefehlt“, sagt Rafael Ferenczek. Warum der Zwölfjährige an diesem Donnerstagmorgen wie schon die ganze Woche in seiner Schule sitzt, statt in der Sonne mit Freunden die Ferien zu genießen? „Grammatik“, sagt er nur. In der Regel sind es die Lehrer, die manchen Schülern die Teilnahme an den Lernbrücken vor den Ferien nahegelegt haben. Ob sie das Angebot annehmen oder nicht, entscheiden sie und ihre Eltern – es ist freiwillig. Rafael Ferenczek ist froh drum. „Ich habe in der Woche schon viel gelernt“, sagt er.
„Die Hilfe in den Sommerferien ist wichtig für die Schüler“, sagt Schulleiterin Petra Braun. „Aber nicht alle Schüler, die wir gerne hier hätten, kommen auch.“66 Schüler hatten Braun und ihr Lehrerkollegium im Blick, 42 kommen tatsächlich – an diesem Tag sind es indes nur 34. „Einige haben sich noch verdrückt“, sagt Direktorin Braun. Andere seien nach dem Urlaub in entsprechenden Ländern in Quarantäne, wieder andere nutzten die Ferien doch voll aus und sind noch bei Verwandten im Ausland. „Wir hatten auch Schüler eingeladen, die nicht unbedingt fachliche Lücken haben, sondern von denen wir dachten, es tut ihnen sozial und emotional gut“, erklärt Braun.
Das ist ein Unterschied zu den Lernbrücken, wie sie im vergangenen Jahr erstmals angeboten wurden. Im Sommer 2020 lag der Fokus klar auf Defiziten beim Lernstoff in den Hauptfächern. Dieses Jahr hat das Kultusministerium auch weitere Defizite im Blick: Die Kinder sollen nach Monaten des Schul-Lockdowns und Online- oder Wechselunterrichts
wieder stärker ans gemeinsame Lernen herangeführt werden. Davon profitiert nun auch Elias Hann, der mit Rafael Ferenczek und Henry Mutschler mit einem Würfelspiel Englisch übt. „Der Online-Unterricht war bei mir das Problem“, sagt Elias. Schon gegen Ende der ersten Woche stellt er fest: „Es hat schon viel gebracht. Das Lernen hier geht viel besser als normal, weil nicht so viele Kinder im Raum sind und rumschreien.“
Schulleiterin Braun spricht von Glück, dass sich am CLG genügend Lehrerinnen und Lehrer freiwillig für das Lernbrücken-Programm gemeldet haben. Einen pensionierten
Kollegen hat sie ebenfalls noch reaktiviert. An anderen Schulen kamen solche Lernbrücken nicht zustande, weil es schlicht nicht genügend Freiwillige gab. Wie viele Schulen davon betroffen sind, könne sie nicht beziffern, sagt Schulpräsidentin Pacher. „Dafür gab es keine Meldepflicht.“
Einen weiteren Unterschied zum Programm im vergangenen Jahr beschreibt Regierungspräsident Tappeser so: „Das Material war suboptimal, um es etwas vornehm auszudrücken.“Tatsächlich berichteten Schulleiter landauf, landab von unpassenden Arbeitsblättern und Büchern, die das Zentrum für Schulentwicklung
und Lehrerbildung bereit gestellt habe – wenn solches Material überhaupt an den Schulen ankam. Doch auch dieses Jahr setzen die Lehrkräfte in Laupheim auf eigenes Material, wie etwa Carmen Jung sagt. Sie hat gerade ihr Referendariat abgeschlossen und übernimmt im kommenden Schuljahr eine Krankheitsvertretung an der Schule. „Das Material war zu schwierig und zum Großteil digital.“Also hat sie in den Ferien selbst Arbeitsblätter erstellt und Lernstationen entwickelt. So können die Siebt- bis Zehntklässler in ihrer altersgemischten Gruppe je nach Klassenstufe unterschiedliche Aufgaben bearbeiten.